Vor Kurzem hat Wienerberger seine erste E-Ziegelbrennerei in Betrieb genommen. Der grün gebrannte Porotherm aus Oberösterreich spart 30 Prozent Energie und verursacht 90 Prozent weniger CO². Anlass genug für einen Besuch bei Johann Marchner, Country Managing Director der Wienerberger Österreich GmbH
— WOJCIECH CZAJA
Es gibt kaum eine Materialbranche, in der er nicht schon tätig war: Zement, Beton, Holzbau, Fassadenplatten und Kunststoffverarbeitung. „Und jetzt bin ich wieder in der Grobkeramik gelandet“, sagt Johann Marchner, seit 2020 Country Managing Director der Wienerberger Österreich GmbH. Seine beruflichen Stationen führten den studierten Chemiker zu Unternehmen wie etwa Lafarge, Rehau oder Lasselsberger Ceramics, doch mit der Geschäftsführung am Wienerberg, sagt der 58-Jährige, sei er nun in einem Unternehmen gelandet, das vor mehr als 200 Jahren an genau diesem Standort begonnen hat, Geschichte zu schreiben. Wir treffen ihn im BRICK-Gebäude, Büro im 2. Stock, Blick hinaus auf die grüne Biotope City.
Warum Ziegel?
Weil mich der Baustoff zutiefst fasziniert. Lieschen Müller und Otto Normalverbraucher brauche ich das Gute von Holz nicht zu erklären. Die emotionalen Gründe liegen auf der Hand. Und dass die Sache gar nicht so simpel ist, weil wir zur Erreichung einer nachhaltigen Holzwirtschaft einen massiven Umbau der österreichischen Wälder brauchen, interessiert die meisten schon gar nicht mehr. Beim Baustoff Ziegel wird es schon etwas komplexer. Und mich reizt es, diese Geschichte zu erzählen.
Wie lautet die Erzählung?
Unsere Basis ist Lehm, ich kann den Rohstoff Ton präzise zuordnen, ich weiß ganz genau, wo jeder Ziegel hergestellt wurde, ich habe eine lückenlose Transparenz von der Rohstoffgewinnung bis zum Verbauen auf der Baustelle, und wir haben genug natürliche Rohstoffquellen, um ganz Österreich mit Ziegelbauwerken zu erfreuen. Doch das Beste ist: In der Lebensdauer waren wir immer schon und sind wir auch heute noch unschlagbar. Ziegelbauten halten eine halbe Ewigkeit. Und sie sind so schön und so vielfältig nutzbar, dass wir sie auch wirklich eine halbe Ewigkeit behalten wollen.
Angenommen, die halbe Ewigkeit ist erreicht: Was passiert mit dem Ziegel, wenn er eines Tages nicht mehr benötigt wird?
Ziegel ist ein hervorragender Kandidat für Kreislaufwirtschaft – sowohl im Re-Use als auch in Recycling. Viele Bauten weltweit werden mit Abbruchziegeln alter Häuser errichtet. Da reicht schon ein Blick auf die nominierten Projekte beim internationalen Brick Award. Und auch im Re-Use spielt der Ziegel eine große Rolle, beispielsweise als Ziegelsplitt in Bodensubstraten oder als Schwammkörper in der Schwammstadt, denn als natürlicher Werkstoff ist Ziegel feuchtigkeitsregulierend und gesundheitlich unbedenklich. Wir schaffen also geschlossene Kreisläufe.
Einer Ihrer Ziegel wird nun als Green Brick im Elektroofen Uttendorf in Oberösterreich gefertigt. Wie darf man sich das vorstellen?
Wir haben den bestehenden Gasofen durch einen industriellen Elektroofen von One Joon ersetzt, der mit Ökostrom und Strom aus unser eigenen PV-Anlage am Dach betrieben wird. Außerdem haben wir in Uttendorf eine verbesserte Tonmischung, klimafreundliche Sägespäne als Zuschlagsstoff, neue Wärmepumpen und sogar tischgroße, selbstfahrende Transportfahrzeuge, sogenannte Automatic Guided Vehicles – sehr lustig und sehr effizient! Das Projekt wurde vom Klimafonds New Energy for Austria (NEFI) gefördert und entstand in enger Zusammenarbeit mit dem Austrian Institute of Technology (AIT). Wir haben 30 Millionen Euro in die Hand genommen, um das Werk grün zu machen. Es hat sich gelohnt: Unterm Strich verbrauchen wir 30 Prozent weniger Energie und können im Produktionsprozess rund 90 Prozent CO₂ einsparen.


Unterscheidet sich der elektrogebrannte Ziegel von einem klassisch, also fossil gebrannten Porotherm?
Nein, in keinster Weise. Das Produkt ist absolut das gleiche. Das war auch von Anfang an das Ziel.
Wurde mit dem Porotherm aus Uttendorf schon gebaut?
Im November 2024 haben wir das Werk eröffnet, seit März ist der Porotherm aus Uttendorf nun lieferfähig. Die ersten Baustellen, die nun mit dem Green Brick arbeiten, sind ein Hotelzubau in Tirol, eine Wohnhausanlage in Braunau im Inn, eine Reihenhausanlage in Nussdorf am Attersee, ein Kindergarten in Krems und ein Einfamilienhaus in Gänserndorf.
Wird Wienerberger nun auch seine anderen Werke umstellen?
Das ist mittelfristig das Ziel. Aber wir sind technologieoffen. Es gibt viele Möglichkeiten der Dekarbonisierung. Ich sage mal so: Das Pilotprojekt ist eröffnet, die Produktion läuft. Ab jetzt ist es eine wirtschaftliche Wette mit der Zukunft, denn leider ist aufgrund der fehlenden Kostenwahrheit Strom immer noch teurer als Gas. Ob sich das ändern soll oder nicht, ist eine Frage, die wir uns als Gesellschaft stellen müssen. Denn eines ist klar: Die Ökologisierung wird nicht zum Nulltarif passieren. Die Politik ist gefordert.
Wie lauten Ihre Pläne für die Zukunft?
2021 und 2022 waren gute Jahre für den Ziegel. Der Bedarf nach Corona war mit der Sehnsucht nach Hausbau, Homeoffice und Cocooning so hoch, dass wir nicht einmal in der Lage waren, die gesamten Nachfrage abzudecken. Der Ziegel wurde uns regelrecht aus der Hand gerissen! Mit dem Ukraine-Krieg, der Energiekrise und den steigenden Zinsen kam der große Stopp. Die Baupreise sind in die Höhe geschossen. Die Baubranche ist um 50 Prozent eingebrochen. Auch wir als Ziegelhersteller haben diesen Einbruch 1:1 zu spüren bekommen. In vielen Werken mussten wir die Kapazitäten zurücknehmen. Seitdem versuchen wir, auf Sicht zu fahren. Mein Plan für die Zukunft ist: Wir wollen die prekäre Situation wieder verlassen.
Wann wird Ihnen das gelungen?
Ab 2026 werden wir wieder etwas mehr Aufschwung erleben. Aber ich rechne damit, dass wir noch drei Jahre brauchen, bis wir wieder Normalität erreicht haben werden – vorausgesetzt natürlich, dass die Politik es schafft, die Vertrauenskrise, in der wir alle stecken, wieder aufzulösen.
Gibt es ein Projekt, an dem Wienerberger Österreich gerade tüftelt?
Ja. Wien baut gerade die U2, und schon bald wird die violette Verlängerung auch zum Wienerberg weiterführen. Bester Boden, wie wir wissen! Wir wollen den U-Bahn-Aushub zu Ziegeln weiterverarbeiten. Sowohl für uns als auch für die Stadt Wien wäre das ein fantastisches Vorzeigeprojekt für Kreislaufwirtschaft und Urban Mining. Im Sommer werden wir unseren ersten Prototypen präsentieren – einen Wiener Wandziegel aus dem Aushubmaterial der U2.