Wohnen und Pflege

Der Bedarf an Wohnmöglichkeiten mit Pflegeangeboten ist bereits heute enorm. Im Zuge des demografischen Wandels wird die Nachfrage mit der alternden, freiheitsliebenden Generation der „Babyboomer“ noch wachsen. Innovative Konzepte sollen den Weg ebnen.
LINDA PEZZEI

„In Österreich werden Pflegeheime am Investmentmarkt nach wie vor eher als Nischenprodukte gehandelt, Tendenz allerdings steigend“, sagt Lukas Schwarz, Senior Director und Head of Capital Markets. Im Gegensatz zu Deutschland wird der Großteil der Heime in Österreich von der öffentlichen Hand bzw. gemeinnützigen Institutionen betrieben. Wie nötig individuell zugeschnittene Betreuungsangebote im Bereich Wohnen sind, zeigt auch ein Blick auf die zunehmende Zahl der Singlehaushalte und der weit entfernt lebenden Kinder. Neben umfassenden Pflegeangeboten gilt es, in diesem Zuge auch Wohnformen zu schaffen, welche vor Vereinsamung schützen und Gemeinschaften stärken.

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So sieht das auch Andreas Gabriel, Geschäftsführer von WUP architektur: „Aufgrund des stetig wachsenden Anteils an pflegebedürftigen Menschen in unserer Gesellschaft gewinnen Pflegehäuser an Bedeutung. Es ist wichtig, dass es hier zu keiner Ausgrenzung, sondern zu einer Integration kommt. Für uns als Architekt:innen ist es oberstes Ziel, den Bewohner:innen mit ansprechender Architektur und ausgeklügelten Raumkonzepten ein Maximum an Lebensqualität zu bieten, so Herzstück jeder Wohngruppe der Pflegeheime des Hauses der Barmherzigkeit ist ein geräumiger Wohnraum, der eine gemütliche Atmosphäre schaffen soll. dass sie ihren letzten Lebensabschnitt in Würde und in einem ‚Daheim‘ verbringen können.“ Gemeinsam mit der Gesiba hat das Büro das Pflegewohnhaus Rudolfsheim auf dem ehemaligen Gelände des Kaiserin-Elisabeth-Spitals in Wien errichtet.

Pflegebedarf & Pflegeangebot 
In Österreich gibt es derzeit gut 900 Pflegeheime mit rund 80.000 Betten. Die Zahl der über 75-Jährigen und der damit potenziell pflegebedürftigen Bevölkerung soll sich bis 2050 verdoppeln, sodass der Bedarf in den kommenden Jahrzehnten massiv ansteigen wird.

Betreubares Wohnen

Bereits seit einigen Jahren denkt die Gesiba über das Wohnen hinaus und hat es sich zum Ziel gesetzt, älteren Menschen Pflege und medizinische Betreuung in ihrem persönlichen Wohnumfeld zu ermöglichen. „Betreubare Wohnungen“ sollen den Bewohner:innen durch einen Betreuungsvertrag mit einer Organisation wie der Caritas oder der Diakonie und einem 24-Stunden- Notrufsystem mehr Sicherheit in den eigenen vier Wänden bieten. In Wiener Neustadt eröffnet die Gebös gemeinsam mit dem Samariterbund im Frühjahr 2024 mit dem „Haus Otto Pendl“ ein Pflegekompetenzzentrum mit 72 Betten sowie zehn betreubaren Wohnungen.

Wohnen mit Pflege 
- Pflegeheime 
- Betreutes Wohnen 
- Senior:innenwohnheime 
- Mobile Pflegedienste 
- Tagespflegeeinrichtungen

„Es wird viel Wert darauf gelegt, dass bei der Errichtung lokale Anbieter zum Zug kommen und Wertschöpfung in der Region entsteht. Wichtig sind uns zufriedene Menschen, moderne Häuser mit Grünraum, innovative Konzepte sowie Nachhaltigkeit“, sagt Andreas Balog von der Samariterbund- Geschäftsführung. „Wir schaffen die idealen Rahmenbedingungen und nutzen den technologischen und digitalen Fortschritt, um ein Leben in Würde zu garantieren.“

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Auch Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser erkennt den Trend, dass ältere Menschen immer mehr Wert auf ein selbstbestimmtes, individuell gestaltetes Leben setzen: „Wichtig ist, dass wir so schnell wie möglich viele verschiedene Wohnformen entwickeln, erproben und ausbauen, die Autonomie und Gemeinschaft verbinden. Die ‚Pflege-WG plus‘ der Diakonie in Oberwart ist ein solches Modell, das nicht länger einzigartig bleiben sollte.“

Das Gebäude mit zwei Wohngemeinschaften für insgesamt 24 Mieter: innen wurde in Zusammenarbeit mit der Oberwarter Siedlungsgenossenschaft (OSG) sowie der Evangelischen Pfarrgemeinde Oberwart realisiert. Der Fokus in der Betreuung liegt auf Menschen, die mit Demenz leben. Ergänzt wird das Angebot durch zwölf betreubare Wohneinheiten im Obergeschoß. Bestimmender Faktor des Projekt: Nicht die Pflege, sondern ein möglichst normaler Alltag soll für die Bewohner:innen im Zentrum stehen. Die Betreuungskräfte haben demnach in erster Linie eine begleitende und anleitende Funktion und sind für die Gestaltung der Tagesstruktur verantwortlich.

Wohnen wie in einer Großfamilie

Das Haus der Barmherzigkeit praktiziert in seinen Pflegeheimen in Niederösterreich ebenso Wohnformen, die darauf abzielen, pflegebedürftigen Menschen ein familiäres Umfeld zu bieten. Das Wohngruppen- und Hausgemeinschaftsmodell wird seit 2011 in allen Pflegeheimen umgesetzt. Herzstück jeder Wohngruppe ist ein geräumiger Wohnraum, in dem ähnlich wie in einer traditionellen Großfamilie gemeinsam gegessen und Zeit miteinander verbracht wird.

„Unsere erprobten Wohnkonzepte ermöglichen es unseren Bewohner:innen, einen anregenden sozialen Austausch zu erleben, der für die Lebensqualität sehr bedeutsam ist“, so der Geschäftsführer vom Haus der Barmherzigkeit Niederösterreich, Markus Mattersberger. Neben den Wohngruppen bieten halböffentliche Bereiche wie Cafeterien, Veranstaltungs- und Ruhezonen, Gärten und Terrassen Möglichkeiten für Begegnung und gemeinschaftliche Aktivitäten.

Das ÖJAB-Pflegewohnhaus Neumargareten bietet weite Terrassen mit Blick über Wien und ist eingebettet in Wohn- und Bildungsprojekte für junge Menschen.

Generationenübergreifender Austausch

Casa Leben richtet sich mit ihrem Konzept „Casa Wohnen“ in Wien an Menschen 60+, die ihre derzeitige Wohnumgebung verändern wollen und offen für nachbarschaftliches Leben in Gemeinschaft sind. Dabei wird in senior: innengerechten Wohnungen Unterstützung im Alltag geboten. Matthias Steinklammer, Geschäftsführer Casa Leben GmbH, erklärt die Idee so: „Casa Leben baut mit neun Kindergärten, fünf Pflegewohnhäusern und zwei Objekten mit Mietwohnungen für Menschen 60+ die Brücke von Jung zu Alt. Unsere Mietwohnungen bieten eigenständiges Leben mit der Möglichkeit einer Alltagsbegleitung und generationenübergreifendem Austausch.“

Urlaub für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen 
Seit einem Jahr betreibt die Waldpension GmbH, ein ÖJABTochterunternehmen, im Luftkurort Hochegg in Niederösterreich die „ÖJAB Waldpension“ mit 96 Wohnplätzen in Einbettzimmern und Apartments. Hier können pflegebedürftige Menschen mit oder ohne ihren pflegenden Angehörigen Urlaub machen oder dauerhaft wohnen.

Dieser steht auch beim Generationen- Bauprojekt in der Gemeinde Holzgau „Betreutes Wohnen Lechtal“ der Alpenländischen im Mittelpunkt: Anfang August 2023 erfolgte der Spatenstich für die 16 neuen Mietwohnungen, die Fertigstellung ist für November 2024 geplant. Entstehen sollen zwei Baukörper in Holzbauweise, die mit einem Laubengang verbunden sind und eine Senior:innenstube bzw. einen Gemeinschaftsraum umfassen.

„Durch inklusive Wohnformen werden Barrieren und Vorurteile aufgebrochen und Begegnungen auf Augenhöhe begünstigt“, sagen Alexander Zlotek und Cornelia Springer, beide in der Geschäftsführung der Alpenländischen. „Wir entwickeln vermehrt Wohnprojekte, welche auf die Bedürfnisse bestimmter Zielgruppen zugeschnitten sind, wie beispielsweise für Menschen mit Behinderungen oder Senior:innen, damit diese möglichst lange am ‚gewohnten‘ gesellschaftlichen Leben teilhaben können.“

Bereits Ende 2022 bezogen wurde das „ÖJAB-Pflegewohnhaus Neumargareten – Wohlfühlen am Lebenscampus“, eines der modernsten Pflegewohnhäuser Wiens mit 216 stationären Pflegeplätzen. Nebenan befinden sich das Berufspädagogische Institut der ÖJAB und die sozialpädagogische Unterstützungsmaßnahme Ausbildungs- Fit. Daraus sei laut Monika Schüssler, Geschäftsführerin der ÖJAB, eine besondere Synergie entstanden: „In unserem ÖJAB-Pflegewohnhaus Neumargareten sind regelmäßig junge Menschen aus den benachbarten ÖJAB-Bildungsmaßnahmen zu Besuch, schenken den Senior:innen Zeit und lernen Pflegeberufe kennen.“

So sollen integrierte Kindergärten, Schulungsbetriebe und Menschen, welche von außen in die Häuser kommen und diese beleben, künftig eine wichtige Rolle zu spielen: „Pflegewohnhäuser dürfen nach außen offene, intergenerative und lebendige Sozialräume sein, welche Infrastruktur für ein Grätzl oder eine ganze Region bereitstellen und ein lebendiges Miteinander widerspiegeln, so wie es einst in Kleinstrukturen wie einem Dorf selbstverständlich war.“

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