Wenn es nur um Rendite geht, wird es schwierig

Der Büroname ist eine selbsterfüllende Prophezeiung. Seit zwei Jahrzehnten firmieren Verena und Christoph Mörkl unter dem Namen Superblock. Längst gelten sie als arrivierte Wohnbau-Architekten und realisieren ein großvolumiges Projekt nach dem anderen – hauptsächlich in Wien, aber auch anderswo.
FRANZISKA LEEB

Es ist ein sonniger Spätnachmittag im Herbst, also ab in den Garten. Das Architektenpaar Mörkl wohnt und arbeitet in einem selbst errichteten Mehrfamilienhaus in Wien-Neuwaldegg. „Wir konnten hier fast alles umsetzen, was wir uns im Wohnbau wünschen“, ist Christoph Mörkl stolz auf das 2011 fertiggestellte eigene Haus. Der riesige Garten wird von der Eigentümergemeinschaft gemeinsam genutzt und ist gleichermaßen ein Arbeitsplatz an der frischen Wienerwaldluft. Hund Anton weicht seinen Chefs nicht von der Seite und „redet“ fleißig mit.

- Anzeige -

Wie kam es zum Büronamen?

Wir haben uns im Zuge unseres Margarete-Schütte-Lihotzky-Projektstipendiums 2003 damit befasst, was der Wohnbau über das Wohnen hinaus bieten kann. Da landet man schnell bei den Wiener Wohnhöfen der Zwischenkriegszeit. Fragen von Bildung, Kultur, Kinderbetreuung waren in den Bauten des Roten Wiens vorbildlich behandelt; noch jetzt zehren wir davon. Wir haben eine starke Affinität zum sozialen Wohnbau. Der Begriff Superblock passt also inhaltlich gut und erschien uns auch marktschreierisch genug.

Christoph Mörkl und Verena Mörkl
SUPERBLOCK
2003 Gründung durch
Christoph Mörkl, Verena Mörkl
Mitarbeiter*innen: 13 plus
Hund Anton
www.superblock.at

Konntet ihr Inhalte, die Euch als junge Architekten fasziniert haben, bei Euren Wohnbauten umsetzen?

Luft nach oben gibt es immer, aber es ist uns ein paarmal gelungen. Unser Wohnbau In der Wiesen Ost für Eisenhof und EBG kann sehr viel. So gibt es eine intensiv genutzte Sporthalle für das ganze Quartier, Glashäuser zum Garteln auf dem Dach und eine betreute Wohngemeinschaft für Mädchen. Natürlich gibt es Konflikte, aber wenn man die nicht mehr aushandeln kann, kann man sich eh nicht mehr bewegen. Die Stimmung ist gut, die Nutzung des öffentlichen Raums auch; es ist immer schön, wenn Projekte vielfältige Lebensrealitäten abbilden.

Viele Errungenschaften des Wiener Gemeindebaus sind uns wieder abhandengekommen und wir diskutieren gesellschaftlich gar nicht mehr darüber. Was uns am Anfang unserer Berufstätigkeit gar nicht so bewusst war, ist, dass diese Themen eine städtebauliche Dimension haben, die über das Objekt hinausgeht. Es geht darum, wie man verschiedene Nutzungen und Interessen vereint und die Frequenz am Ort erhöht.

Christoph Mörkl und Verena Mörkl

Braucht es mehr Ideologie im Wohnbau?

Grundsätzlich brauchen wir Architekten und Stadtplaner die Ideologie eines Gegenübers. Es ist problematisch, wenn es in Stadterweiterungsgebieten keine öffentlichen Einrichtungen wie Lernclubs, Bibliothek, Schwimmbad oder Polizeistation gibt. In Wien ist man in sozialer Hinsicht zwar gut unterwegs, aber man könnte noch von anderswo lernen. In der Klima- und Energiethematik ist man in der Schweiz viel weiter. In den Pariser Neubaugebieten gibt es immer irgendein Universitätsinstitut.

Christoph Mörkl und Verena Mörkl
- Anzeige -

Lieber gefördert oder frei finanziert?

Wesentlich ist, ob es ein allgemeines Interesse oder bloß ein privates Interesse gibt. Wir tun uns mit gemeinnützigen Bauträgern leichter, weil hier ein inhaltlicher Auftrag definiert ist, aber man kann weder bei den Gemeinnützigen noch bei den Gewerblichen alle über einen Kamm scheren. Wenn es am Ende nur um die Rendite geht, wird es schwierig.

Christoph Mörkl und Verena Mörkl
Werkswohnungsbau für die Stadtwerke München; Foto: Sandra Grossauer

Das Quartier M in der Hanauerstraße, ein Ensemble aus Busbetriebshof, Büros, Werkswohnungen unterschiedlicher Typologie und Atelier- und Hobbyräumen wurde mit dem diesjährigen Ehrenpreis für guten Wohnungsbau der Landeshauptstadt München ausgezeichnet. Welche Erfahrungen nehmt Ihr von dort mit?

Wir haben 2014 den Wettbewerb gewonnen und hatten keine Ahnung von den Usancen in Deutschland. Die Härte, mit der dort im Geschäftlichen vorgegangen wird, war neu für uns. Das hat mit Billigstbieterverfahren zu tun und dem Claim Management, mit dem sich die Baufirmen später das Geld zurückholen. Aus Deutschland haben wir mitgenommen, dass man – sobald es heikel wird – sofort auf eine schriftliche Ebene wechseln soll. In Österreich haben wir früher fast alles immer mündlich geregelt. Diese Handschlagqualität, die wir hierzulande kennen, hat aber etwas Angenehmes. Man muss bei uns nicht davon ausgehen, dass einen jeder permanent über den Tisch ziehen will.

Sehr erfreulich war, dass die Stadtwerke nichts weggespart haben und alle Qualitäten umgesetzt wurden. Sie haben erkannt, dass sie, um als Unternehmen für neue Mitarbeiter attraktiv zu sein, gute, kostengünstige Wohnungen anbieten müssen. Wir haben gespürt, dass die Wiener Wohnbauarchitekten in München sehr beliebt sind. Aber guter, leistbarer Wohnbau das ist nicht nur eine Frage der Architektur, sondern eine politische, die in Gesetzen verankert werden muss.

Christoph Mörkl und Verena Mörkl
Wichtigste Projekte 
- „Zimmer mit Aussicht“ – Village im Dritten, Baufeld 13, Wien/ARE, in Planung
- Quartier M/Stadtwerke München, 2022
- Carrée Atzgersdorf, Wien/ Wien Süd, 2021
- Wildgarten Bauplatz 2, Wien/ARE, 2021
- In der Wiesen Ost, Wien/ Eisenhof, 2019
- NORD19, Bruno-Marek-Allee, Wien/EGW, 2019
- St. Pölten 2.0/Alpenland, 2019
- Wohnen mit Scharf, Wien/ Schwarzatal 2014 
- Haustrift, Wien/ÖSW, 2014 (mit Johnny Winter)
- Büro- und Wohnhaus NEU31, Wien 2010

In Linz baut Ihr die Arbeitersiedlung Sintstraße, 1927–1931 nach Plänen von Stadtbaudirektor Curt Kühne errichtet, um. Ein heißes Eisen. Sie steht unter Denkmalschutz und Expert*innen kritisieren, dass sechs von 17 Häusern durch Neubauten ersetzt werden.

Die zweigeschoßigen Häuser haben jeweils 200 Quadratmeter Nutzfläche, die früher von acht Wohnungen eingenommen wurden. Die Raumhöhen betragen 2,20 Meter. Wenn jemand auf der 20 Zentimeter dünnen Decke über dir geht, denkst du, er geht direkt auf deinem Kopf. Die Außenwände bestehen aus zwei zwölf Zentimeter starken Ziegelschalen, die nicht kraftschlüssig verbunden sind. Dazwischen waren fünf Zentimeter Hochofenschlacke, die sich im Lauf der Jahre verabschiedet haben. Elf Häuser werden entkernt und werden dann ein bis zwei große Wohnungen enthalten. Anstelle der abgebrochenen Häuser wird an den Rändern Platz frei für verdichteten frei finanzierten und geförderten Wohnbau, der die Sanierung des Bestands mitfinanziert.

Christoph Mörkl und Verena Mörkl

Ist der Denkmalschutz hinderlich?

Der Prozess mit dem Bundesdenkmalamt war sehr gut und konstruktiv. Die Wurzeln des Problems liegen darin, dass die Stadt die Siedlung an ein gewerbliches Unternehmen verkauft hat. Das muss wirtschaftlich agieren und kann nicht die Ideologie des Arbeiterwohnbaus der 1920er-Jahre erfüllen, das wäre eine kommunale Aufgabe. Mit politischem Willen und entsprechend Fördermitteln hätte man andere Konzepte verfolgen können – die Bereitschaft, einen gewissen Preis für den Erhalt der Siedlung zu zahlen, vorausgesetzt. Die Strabag als neue Eigentümerin versucht sehr engagiert, sich nach der Decke zu strecken. Es geht dort auch um Gärten, Freiräume und den kontextuellen Bezug der Häuser zueinander. Der Anger bleibt als gemeinsamer Freiraum erhalten. Das Energiesystem wird auf Erdwärme umgestellt.

Was will man bezwecken? Soll alles nur wieder schön und perfekt aussehen oder will man auch soziale Inhalte in die Zukunft weitertragen? Wir versuchen, das Beste daraus zu machen.

Christoph Mörkl und Verena Mörkl

Habt Ihr eine Bürophilosophie oder typische Herangehensweise?

Wir diskutieren gern und streiten viel und herzlich.

Christoph Mörkl und Verena Mörkl

Untereinander oder mit anderen?

Beides. Wir glauben an die Kraft des Konflikts und meinen, dass dies die Projekte besser macht. Man muss die Dinge hinterfragen, nur so kommt Neues zustande.

Christoph Mörkl und Verena Mörkl

Nehmt ihr das viele und herzliche Streiten auch mit ins Privatleben?

Klar. Wir nehmen auch Arbeit in die Wohnung mit.

Christoph Mörkl und Verena Mörkl

Was würdet ihr noch gern bauen?

Im Moment eine schalldichte Hundehütte! Schön wäre es auch, einmal einen Sakralraum zu bauen. Da hatten wir bereits einen Wettbewerb in Liesing in Kombination mit einem Studierendenheim gewonnen. Leider wurde daraus nichts. Etwas Ähnliches wie unser eigenes Haus wäre auch noch einmal fein – eine richtige Baugruppe, ohne Bauträger.

Christoph Mörkl und Verena Mörkl

Lesen Sie die nächsten Artikel dieser Ausgabe

Lesen Sie Artikel zum selben Thema