Im Juni ist Christoph Bazil, der Präsident des Bundesdenkmalamts, fünf Jahre im Amt. Zeit, Resümee zu ziehen und in die Zukunft zu schauen. Die Themen reichen vom Klimaschutz über die vorgesehene Erhaltungspflicht bis hin zum Handwerk.
FRANZISKA LEEB
Die Wintersonne lässt das Gelb der Wandbespannung im Schweizertrakt der Hofburg so warm strahlen, dass die ehemaligen kaiserlichen Repräsentationsräume wohnliche Gemütlichkeit verbreiten. Sogar „Denkmalhund“ Emil, der sich nach einer kurzen Begrüßungszeremonie dem Ambiente entsprechend äußerst artig verhält, dürfte es zu schätzen wissen, dass sein Herrchen einen der schönsten Arbeitsplätze des Landes hat.
Herr Präsident, Sie haben Ihre Dissertation zum Thema Denkmalschutzrecht verfasst. Was fasziniert Sie am Denkmalschutz?
Die schöne Verbindung von Kunst und Kultur auf hohem Niveau mit praktischen Fragen des täglichen Lebens.
Christoph Bazil
Zum Amtsantritt haben Sie gesagt, das Bundesdenkmalamt müsse in fünf Jahren als das wahrgenommen werden, was es ist: die zentrale Einrichtung für die Erhaltung des kulturellen Erbes. Ist das gelungen?
Ich glaube, die Diskussion hat sich sehr positiv entwickelt. Wir haben einiges für die Imagebildung gemacht, wobei man da nicht überziehen darf – wir sind ein Amt. Es ist uns sehr wichtig, Informationen möglichst breit zu streuen. Die Kolleg:innen und auch ich machen das sehr gerne. Wir sind nicht für alles zuständig, was man erhalten sollte, aber wenn wir unsere Arbeit gut machen, wirkt das vorbildhaft.
Christoph Bazil
2022 prägte Ihr Amt den Slogan „Denkmalschutz = Klimaschutz“. Erleichtern die im Zusammenhang mit dem Klimawandel stehenden Notwendigkeiten Ihre Arbeit?
Ja, wir stehen für Nachhaltigkeit und vernünftige Nutzung von Ressourcen. Die in Gebäuden gebundene graue Energie dürfen wir nicht verschwenden, und viele historische Bauten sind bei sinnvoller Nutzung auch im Energieverbrauch ganz gut. Es muss nicht jeder Gangbereich 22 Grad warm sein. Zu begreifen, wie ein Gebäude aufgebaut ist, welchen künstlerisch-architektonischen und praktischen Wert es hat, ist ein wesentlicher Teil der Denkmalpflege.
Christoph Bazil
Viele gemeinnützige Wohnbaugesellschaften haben sich dringend mit der Ertüchtigung des Siedlungsbestands zu befassen. Oft kommt man zur Conclusio, dass die Erhaltung wirtschaftlich nicht vertretbar und mit der Leistbarkeit des Wohnens vereinbar ist. Können Sie die Nöte nachvollziehen?
Ich finde es sehr positiv, dass wir einen breiten Denkmalbegriff haben und nicht nur Gebäude wie das Schloss Schönbrunn, sondern auch Sozialsiedlungen des 19. Jahrhunderts, der Zwischenkriegszeit oder der Nachkriegszeit Teil unseres kulturellen Erbes sind und diese architektonischen Qualitäten erlebbar bleiben. Oft sind Nachverdichtungen notwendig, um eine gewisse Wirtschaftlichkeit zu gewährleisten. Natürlich gibt es da Diskussionen. Freiräume sind Teil des architektonischen Konzepts und daher von uns zu beachten. Aber bei einem sozialen Wohnbau kann man auch bedenken, dass er im ursprünglichen Sinn weiterverwendet werden kann und keine Luxusapartments daraus werden.
Christoph Bazil
Wie kommt es zu guten Lösungen?
Wir haben die dringende Bitte, möglichst früh mit uns zu sprechen. Große Projekte werden in der Regel schon Jahre, bevor etwas in Angriff genommen wird, überlegt und entwickeln sich schrittweise. Wenn Bauwerber: innen in letzter Sekunde noch eine Aufstockung wollen, führt das nicht zum Erfolg. Man muss abwägen, ob man mit Zubauten erreicht, dass der Bau an sich weiter bestehen kann. Das ist die Aufgabe einer Behörde, dass sie Entscheidungen trifft, die möglichst gut begründet sind. Wir haben einen langen Atem, indem wir die Bewilligung nicht erteilen – aber immer mit dem Ziel, letztlich zu einer vernünftigen Nutzung zu kommen. In Bad Gastein haben wir jahrzehntelang den Abbruch von Hotels verhindert, die nun wieder geöffnet sind.
Christoph Bazil
Für die Terrassenhaussiedlung Graz- St. Peter aus den 1970er-Jahren wurde mit der Eigentümerschaft ein sogenanntes „Entwicklungskonzept Denkmalpflegeplan“ erarbeitet, damit künftige Instandhaltungsarbeiten denkmalgerecht erfolgen. Wäre das nicht generell bei Wohnbauten eine gute Sache?
Im aktuellen Begutachtungsentwurf für die Novelle des Denkmalschutzgesetzes ist vorgesehen, dass man einen Denkmalpflegeplan haben kann, der zum Beispiel für größere Siedlungen Instandhaltungs- und Reparaturmaßnahmen oder Pflegeschritte vorab festlegt. Da kann man sich zum Beispiel auf bestimmte Fenster oder einen einheitlichen Sonnenschutz einigen. Wenn das Erscheinungsbild leidet, ist das nicht nur schlecht für das Denkmal, sondern auch für den Wert der Immobilie. Das ist ein Punkt, den wir stärker entwickeln sollten, dass man – auch bei städtischen Ensembles – Grundsätze für Fenster, Torlösungen, Fassaden, Beleuchtungen oder Ähnliches festlegt, die eventuell im Einzelnen über die Denkmalpflege hinausgehen, aber insgesamt dem Ensemble dienen.
Christoph Bazil
Wie Sie schon erwähnt haben, wurde im Vorjahr zum 100. Geburtstag des Denkmalschutzgesetzes die Novelle desselben in Angriff genommen. Die Begutachtungsfrist lief bis Ende Dezember, es gibt viele Verbesserungsvorschläge. Was wären Ihrer Meinung nach die wichtigsten Änderungen?
Zunächst wäre die Novelle für uns wichtig, weil damit die Instrumente, die wir haben, geschärft werden. Es gibt über 100 Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren, was ich sehr positiv finde. Manche finden den Entwurf viel zu streng, manche zu lax. Wichtig wäre, dass wir bei Ensembles oder in Welterbegebieten mit einer Verordnung unter Schutz stellen können. Derzeit haben wir sehr aufwendige Verfahren. Bei Ensembleverfahren gibt es manchmal Hunderte Parteien, von denen nach einigen Monaten des Gesprächs die meisten einverstanden sind, aber weil einzelne noch Bedenken haben, kann man die Verfahren nicht abschließen. Mit einer Verordnung wäre das möglich und wir könnten uns dann mit den Personen befassen, die noch mit der Unterschutzstellung hadern.
Weiters sieht die Novelle eine sehr überlegte Erhaltungspflicht vor. Derzeit können wir laut Gesetz nur Dinge auftragen, die kaum Geld kosten. Da ist es gut, dass wir strenger sein können, nicht, weil ich glaube, dass die vielen Eigentümer:innen ihre Gebäude nicht erhalten, sondern weil wenige es darauf ankommen lassen und nichts tun. Da ist es derzeit so, dass wir Maßnahmen nur durchsetzen können, wenn wir sie aus Steuergeldern selbst finanzieren. Das ist den vielen anderen gegenüber nicht gerecht. Gewisse Erhaltungspflichten sehen auch die Bauordnungen vor, insofern ist das keine zusätzliche Belastung. Das Problem ist, dass die Bauordnungen als letzten Ausweg den Abbruch haben.
Christoph Bazil
Die wirtschaftliche Unzumutbarkeit ist im Entwurf ebenso vorgesehen.
Der Begutachtungsentwurf sieht vor, dass im Gesetz beispielhaft gesagt wird, was bei einer Veränderung zu bedenken ist. Das war bisher nicht so. Kein Recht ist absolut, jedes ist immer im Verhältnis zu anderen Rechten zu sehen, aber die Erhaltung steht immer im Vordergrund. Natürlich muss hin und wieder in einen historischen Putz eine Leitung gelegt werden und es ist auch nicht so, dass man gar keine Photovoltaikmodule auf denkmalgeschützten Häusern anbringen darf.
Da geht es nicht nur darum, ob man sie sieht, sondern ob es sich um historische Dachdeckungen handelt und ob es für die architektonisch-künstlerische Wirkung relevant ist. Wenn wir wirklich nachhaltig leben möchten, muss man das Gebäude gesamthaft betrachten und zuerst überlegen, wo stecken wir Energie hinein und erst dann, wie erzeugen wir sie? Auf Social Media haben wir letztes Jahr gepostet, was alles geht. Nicht, weil wir auf jedem Denkmal Solarpaneele haben wollen, sondern weil wir eine gewisse Entkrampfung der Situation brauchen.
Christoph Bazil
Wie lauten die weiteren Ziele?
Unser heuriges Motto lautet „Handwerk: gedacht & gemacht“. Die besten restauratorischen Analysen und Architekturleistungen nützen nichts, ohne Handwerksbetriebe, die umsetzen. Gutes Handwerk ist mehr als Technik, es hat auch mit Gefühl und Leidenschaft für Materialien und Lösungen zu tun.
Weiters ist es unser Ziel, der Politik zu vermitteln, dass die Eigentümer:innen wichtige Beiträge leisten und man sie besser unterstützen sollte. In vielen Ländern Europas können Investitionen im Sinne der Denkmalpflege von der Einkommensteuer abgeschrieben werden. Das wäre gut investiertes Geld für die Werthaltigkeit der Gebäude, aber – weil die meisten Denkmale für alle sichtbar und oft auch zugänglich sind – auch sozial- und kulturpolitisch wichtig.
Christoph Bazil