Stefan Klotz: „Die Branche sollte lernen, zu kooperieren“

Digitalisierung ist in aller Munde – gerade auch in der Wohnungswirtschaft. Die Vorteile liegen auf der Hand: verzahnte, automatisierte Prozesse, die Zeit und Geld sparen und sogar dem Fachkräftemangel Abhilfe schaffen. Doch um die Digitalisierung möglichst effizient zu gestalten, muss die gesamte Branche lernen, neu zu denken – und zwar nach programmatischem Vorbild. Gerade, wenn es um Nachhaltigkeit geht. Ein Gastbeitrag von Stefan Klotz.

„Die Nutzung unseres ERP-Systems hat mir erst klar gemacht, dass es sinnlos ist, alles allein machen zu wollen – mit dieser Einstellung wären die Herausforderungen unserer Branche gar nicht zu bewältigen.“

Als ich im Gespräch mit einem unserer Kundenbeiräte diese Aussage hörte, war ich erst stolz: Toll, dass unser Ansatz funktioniert – und dass unsere Kunden ihn so verinnerlicht haben. Offene Schnittstellen, am besten als Cloud-Lösung, Best-of-Breed-Prinzip. Genauso sollte es sein. Dann hörte ich weiter zu – und erkannte, worauf unser Kunde eigentlich hinauswollte.

„Wir wissen jetzt zum Beispiel, was wir tun müssen, um eine CO2-Bilanz unseres Bestands aufzustellen. Viele Wohnungsunternehmen bei uns in Esslingen wissen das noch nicht. Hier könnten wir in Zukunft kooperieren, indem wir diesen Firmen mit unserer neu gewonnenen Expertise weiterhelfen.“

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Da wurde mir plötzlich klar: ein ERP-System funktioniert nicht nur digital – sondern kann Blaupause für reales Handeln sein. Ein faszinierender Gedanke.

Aber der Reihe nach.

Was ein ERP-System ist – und was es können muss

Ein ERP-System ist erst einmal nichts anderes als eine Steuerungshilfe. Für die Verwaltung und Bewirtschaftung von Immobilienbestand bedeutet dies, dass ein ERP-System beispielsweise grundsätzliche kaufmännische Funktionen sowie eine Mietbuchhaltung bereitstellt. So ist eine Wohnungsverwaltung, die ein ERP-System nutzt in der Lage, bei der Erstellung einer Einnahmenüberschussrechnung für eine Hausgemeinschaft entscheidend Ressourcen zu sparen: das ERP-System enthält alle notwendigen Informationen wie Mieteinnahmen und Renovierungskosten – ein Knopfdruck, fertig.

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Die Daten, mit denen das ERP-System arbeitet, stammen natürlich aus bestimmten Quellen: will man seine Nebenkostenabrechnungen über das ERP-System verwalten, müssen die Verbrauchszahlen eingespeist werden. Je nachdem, ob diese Daten intern vorliegen oder von außen kommen, geschieht dies entweder händisch – oder über eine Schnittstelle.

Hierbei kommen nun Drittanbieter ins Spiel: biete ich etwa als solcher eine Software zur Nebenkostenverwaltung an und verfügt das ERP-System meines Partners über „offene“ Datenschnittstellen, kann ich beide Programme „synchronisieren“ –Zeit- und Kostenersparnis sind die Folge.

Bei Haufe Real Estate setzen wir hierbei seit Jahren auf das sogenannte Best-of-Breed-Prinzip. Sind wir also von einem Drittanbieter überzeugt, arbeiten wir eng mit ihm zusammen, um durch eine betreute Schnittstelle bestmöglichen Kundenservice zu gewährleisten.

Denn Fallstricke gibt es viele: gerade sensible personenbezogene Daten verlangen nach sicheren digitalen Lösungen, damit Mieterdaten nicht plötzlich im Internet zu finden sind.

Aber auch Dateninput und -verarbeitung sind oftmals komplex und verlangen nach Expertise – eine Lösung selbst zu entwickeln verschlingt oft zu viele Ressourcen, und das Ergebnis ist meist nicht vergleichbar mit einem Anbieter, der bereits langjährige Erfahrung vorzuweisen hat.

Warum und wie die Wohnungswirtschaft sich wandelt

„Ich bin allein der einzig Wahre“ ist für uns als Anbieter von ERP-Software genau aus diesen Gründen nie ein gangbarer Weg gewesen. Wenn wir merken, dass jemand anderer eine sichere, effiziente und effektive Lösung für eine bestimmte wohnungswirtschaftliche Aufgabe bereitstellt, kooperieren wir mit ihm – eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten.

Hier kommt das Thema Nachhaltigkeit zusätzlich auf den Schreibtisch – und damit verbunden das ESG-Management, also zum Beispiel die Verwaltung von Emissionsdaten eines Gebäudebestands. Denn um gesetzlich vorgeschriebene Klimaschutzziele zu erreichen, müssen sich alle Beteiligten deutlich strecken. Schließlich werden laut Gutachten des Umweltbundesamtes schon von jetzt aus betrachtet die Emissionen im Gebäudesektor das Soll für das Jahr 2030 um 17 Mio. Tonnen CO2 übersteigen.

Stefan Klotz verantwortet als Business Developer die strategische Weiterentwicklung des wohnungswirtschaftlichen Produktportfolios der Haufe-Lexware Real Estate AG. Er ordnet neueste Tech- und Zukunftstrends ein und beleuchtet sie kritisch. Ihn treibt die Zukunftsfrage um, wie sich durch nachhaltige und digitale Prozesse CO2-Emissionen in der Wohnungswirtschaft reduzieren lassen. Foto: Haufe-Lexware Real Estate AG

Es sind also große Anstrengungen notwendig. Im Angesicht des allgemeinen Fachkräftemangels stellt dies eine zusätzliche Herausforderung dar.
Hinzu kommt, dass so nur ein Aspekt des Nachhaltigkeitsmanagements abgedeckt wäre: ESG bedeutet einerseits, den Emissionsausstoß (E) zu verringern, andererseits soziale Aspekte (S) und solche guter Unternehmensführung (G) zukünftig berichtspflichtig mitzuberücksichtigen. Auch diese Daten müssen erfasst und verarbeitet werden.

Gerade kleine Immobilienunternehmen scheuen sich verständlicherweise, die Problematik anzugehen – weil sie sich nicht im Klaren sind, wo sie überhaupt beginnen sollen, ohne sich finanziell oder inhaltlich zu überfordern. Oder weil sie bisher – etwa als Hausverwaltung – derart umfangreiche Aufgaben gar nicht wahrgenommen haben. Auch diesen Eindruck habe ich in vielen Einzelgesprächen mit Kunden, auf Messen und Veranstaltungen gewonnen.

Die Lösung dieses Problems lag für mich bisher immer im „engen Austausch“ mit den Beteiligten – als Verantwortlicher für die strategische Weiterentwicklung unseres wohnungswirtschaftlichen Produktportfolios war es für mich selbstverständlich, hier aufzuklären, Unterstützung anzubieten und Schwellenängste abzubauen.

Kooperation und Austausch sind der Hebel

Doch unter Effizienzgesichtspunkten reichen diese Maßnahmen allein nicht aus. Der Wandel muss schnell vollzogen werden – und er muss in Deckung gebracht werden mit den Vorgaben, die EU- und Bundespolitik setzen – so verlangt die im Juni 2022 vom europäischen Rat noch einmal verschärfte Nachhaltigkeitsberichtserstattungspflicht eine Umsetzung auf nationaler Ebene 18 Monate später, also ab jetzt. Und sie wird dabei – genau wie die neuen Maßnahmen zur EU-Taxonomie vom 13. Juli dieses Jahres – sukzessive immer „kleinere“ Unternehmen betreffen.

„Anfangs habe ich vielleicht zwanzig Mal im Monat eine Datenmaske manuell übertragen. Für circa 6.000 Wohneinheiten war das ja auch kein Problem. Wäre ich Vonovia gewesen, mit 500.000 Einheiten, wäre ich natürlich verrückt geworden. Aber mir war es wichtig, beim Thema ESG frühzeitig loszulegen.“

Aller Anfang ist also schwer – doch es gilt, ihn zu machen. Unser Kunde hat für seinen diversen Bestand von 6000 Wohneinheiten eine CO2-Bilanz erstellt. Jetzt ist ihm bekannt, wo in der praktischen Umsetzung Stolpersteine liegen, was zu tun ist, wenn etwas schiefgeht, wie er sein ERP-System am effizientesten nutzt – und er ist bereit, dieses Wissen zu teilen.

Damit wird die Funktionsweise eines ERP-Systems mit offenen Schnittstellen quasi in die Realität übertragen: ‚hast du eine Expertise, von der ich profitieren kann? Dann lass‘ uns eine Kooperation eingehen, von der beide Seiten profitieren‘!

„Ich würde mich in der Lage fühlen, kleinen Esslinger Hausverwaltungen, die sich vielleicht selbst noch nicht an das Thema CO2-Bilanz herantrauen, mit meiner Expertise weiterzuhelfen – wenn ich saubere Daten über eine Schnittstelle erhalte, wäre das sogar ein Leichtes.“

Für uns als Haufe Real Estate ist es deshalb genau in diesem Sinne erklärtes Ziel, die Vorteile der Digitalisierung noch bekannter zu machen, zu erklären und zu fördern. Mein persönliches Learning ist, dass die Branche darüber hinaus von ihrem bereits jetzt reichlich vorhandenen Wissen profitieren kann, um die kommenden Herausforderungen zu meistern – wenn sie sich dabei genauso kooperationsbereit zeigt wie ein ERP-System mit offenen Schnittstellen.

Stefan Klotz

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