Schlicht, sparsam und schön

Wie nachhaltig Gebäude sind, bemisst sich auch daran, wie lang sie bestehen. Am Linzer Bindermichl gelang es der WAG dank eines klugen Sanierungskonzeptes von Architekt Franz Riepl, einen ihrer Wohnblöcke aus den 1940er-Jahren für heutige Wohnbedürfnisse zu rüsten – inklusive dem Erhalt der üppigen Grünflächen.
FRANZISKA LEEB

Bindermichl, Hummelhof, Keferfeld, Spallerhof: Die Ortsbezeichnungen erinnern noch daran, dass die Gebiete, über die sich heute ein Geflecht an Siedlungsbauten erstreckt, einst landwirtschaftlich geprägt waren. Die Bezeichnung „Bindermichl“ leitet sich vom Namen eines bäuerlichen Anwesens ab, das der Bindergeselle Michael Traunfellner 1806 erwarb und auch die nachfolgenden Besitzer des Hofes behielten diesen Namen. Der Anschluss Österreichs an Deutschland und die Ansiedlung von Schwerindustrie der „Reichswerke Hermann Göring“ in Linz veränderte das ländliche Gebiet radikal.

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Die Bewohner der Ortschaften St. Peter und Zizlau wurden abgesiedelt, Häuser und Höfe mussten den Industrieanlagen und den neuen Arbeiter-Großsiedlungen der eigens dafür gegründeten Wohnungsaktiengesellschaft der Reichswerke „Hermann Göring“ weichen. Aus ihr ging die heutige WAG hervor, die 1955 als „Wohnungsaktiengesellschaft Linz“ im 100-prozentigen Eigentum der Republik Österreich neu gegründet und 2004 privatisiert wurde. Immer noch ist sie am Bindermichl, dem Kerngebiet ihrer Tätigkeit, ansässig. In zwei Jahren wird sie allerdings aus den zu klein gewordenen Büroräumlichkeiten in das neue, von Marte.Marte Architekten geplante Dienstleistungszentrum im Stadtteil Oed umziehen.

Zeitreise im Wohnungsbau

Ein Besuch am Bindermichl ist eine Zeitreise in das 20. Jahrhundert. Da sind zum einen die „Hitlerbauten“ wie sie in Linz noch immer genannt werden. Sie waren den Arbeitern und Angestellten der Reichswerke vorbehalten. Geplant hat sie Herbert Rimpl, Chefarchitekt der Hermann-Göring-Werke in Salzgitter und Linz, der 1944 in den Stab von Hitlers Lieblingsarchitekten und Rüstungsminister Albert Speer berufen wurde (und nach dem Krieg seine Karriere ungehindert fortsetzen konnte).

Zum Bau wurden Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene eingesetzt. Die Wohnblocks mit im Schnitt 65 Quadratmeter großen, familientauglichen Wohnungen – etwas kleiner jene für die Arbeiter, größer die Angestelltenwohnungen – wurden um große Höfe organisiert. Dazu gesellen sich die Bauten aus der Nachkriegszeit im typischen Stil der 1950er- und 1960er- Jahre wie das Einkaufszentrum am Bindermichl oder die Pfarrkirche St. Michael von Voest-Architekt Friedrich Reischl, der zuvor im Baubüro der Göring-Werke tätig war.

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Ein typischer, nicht uncharmanter 1980er-Jahre-Bau ist der Anbau, mit dem die WAG ihre Firmenzentrale am Mörikeweg erweiterte. Denkt man sich die vielen an den Straßenrändern parkenden Autos weg, gibt der Bindermichl eine Reihe an für diese Jahrzehnte authentischen Filmkulissen ab…

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