Ran an die Fördertöpfe

Das Ziel einer Sanierungsquote von drei Prozent des Gebäudebestands scheint außer Reichweite. Der Bund reagiert mit einer deutlichen Aufstockung des Sanierungsbonus. Ob die finanziellen Maßnahmen ausreichen werden, ist unter Expert:innen umstritten. Der Verzicht auf eine europaweite Sanierungspflicht ist politisch nachvollziehbar, wäre aber auf jeden Fall hilfreich gewesen.
BERND AFFENZELLER

In der bereits dritten Auflage bewertet die Studie „Monitoring-System zu Sanierungsmaßnahmen“ des Instituts für Immobilien, Bauen und Wohnen die Wirksamkeit von politischen Maßnahmen zur Erreichung der Klimaziele im Gebäudesektor. Dabei zeigt sich, dass die Sanierungsrate seit 2015 auf dem bescheidenen Niveau von rund 1,5 Prozent stagniert. Das Ziel der vollständigen Dekarbonisierung des Gebäudebestands bis 2040 scheint in weiter Ferne. Laut Studienautor Wolfgang Amann kommen Simulationen zu dem Ergebnis, dass für die Erreichung dieses Regierungsziels eine rasche Verdoppelung der Sanierungsrate auf zumindest 2,8 Prozent nötig ist.

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Aktuellen Aufholbedarf gibt es vor allem bei sogenannten umfassenden Sanierungen. Am Höhepunkt des bisherigen Sanierungsgeschehens in Österreich, im Jahr 2009, wurden noch fast 55.000 Wohneinheiten umfassend thermisch-energetisch saniert. 2022 waren es kaum noch 18.000 und Schätzungen für 2023 gehen davon aus, dass es im letzten Jahr noch weniger gewesen sein dürften. In der Blütezeit förderten die Länder noch 46.000 dieser Maßnahmen, seit 2016 sind es nur noch rund 16.000 Einheiten. Zudem, so Wolfram Sacherer, Vorstandsdirektor der Wohnbaugruppe Ennstal: „Die Sanierungsförderungen, sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene, waren in den letzten Jahren nicht sonderlich attraktiv.“

Die Politik hat sich den Realitäten ergeben. Nicht jeder hätte sich eine Sanierungspflicht leisten können.

Valerija Karsai

Es gibt zahlreiche rechtliche und organisatorische Hürden, speziell in Eigentumsanlagen. Und auch technische Fragen sind nicht immer zufriedenstellend gelöst. „Innendämmungen bei denkmalgeschützten Gebäuden sind äußerst schwer umzusetzen, wenn das Gebäude nicht leer steht“, erklärt Valerija Karsai, selbstständige Unternehmensberaterin und Vorständin der Stuwo Gemeinnützige Studentenwohnbau AG.

Karin Schmidt-Mitcher, Leiterin Wohnbau bei der Erste Bank, gibt zu bedenken, dass umfassende Sanierungen komplex und preissensibel „und daher leicht verschiebbar“ sind.

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Um die Sanierungsquote endlich auf die notwendigen 2,8 Prozent bis drei Prozent zu erhöhen, hat die Bundesregierung den „Sanierungsbonus“ vulgo „Sanierungsscheck“ mit Anfang 2024 noch einmal deutlich erhöht. Sowohl bei umfassenden Sanierungen als auch bei Einzelteilsanierungen wurde die Fördersumme verdreifacht. Bei Einfamilien-, Zweifamilien- und Reihenhäusern beträgt die Förderung je nach Sanierungsart zwischen 9.000 und 42.000 Euro. Bei Verwendung von Dämmmaterial aus nachwachsenden Rohstoffen kann darüber hinaus ein Zuschlag gewährt werden.

Maximal werden 50 Prozent der gesamten förderungsfähigen Kosten gefördert werden. Im mehrgeschoßigen Wohnbau sowie bei Reihenhausanlagen liegt die Förderung bei bis zu 300 Euro/m² Wohnnutzfläche. Bei Verwendung von Dämmstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen kann sich die Förderung auf bis zu 525 Euro/m² Wohnnutzfläche erhöhen. Beim Fenstertausch beträgt die Förderung seit Beginn des Jahres bis zu 9.000 Euro. Mit bis zu 75 Prozent der förderungsfähigen Kosten wird der Ersatz eines fossilen Heizungssystems durch eine klimafreundliche Technologie gefördert. Bei Zentralisierung des klimafreundlichen Heizungssystems werden auch die dafür anfallenden Mehrkosten gefördert.

Bundesweite Förderungen

Zusätzlich zum Sanierungsbonus des Bundes können auch in jedem Bundesland Landesförderungen mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen abgeholt werden. In Tirol etwa gibt es bei der Finanzierung mit Bankkredit einen Annuitätenzuschuss von bis zu 60 Prozent, bei Finanzierung mit Eigenmitteln einen Einmalzuschuss bis zu 50 Prozent der förderbaren Kosten. In Wien wird eine umfassende thermischenergetische Wohnhaussanierung mit bis zu 190 Euro/m² Wohnnutzfläche und maximal 40 Prozent der Kosten gefördert. Und in Kärnten erfolgt die Sanierungsförderung im mehrgeschoßigen Wohnbau über einen nicht rückzahlbaren Zuschuss auf die Dauer von zehn Jahren in Höhe von 30 bis 50 Prozent der Sanierungskosten je nach Sanierungsmaßnahme.

Die Sanierungsförderungen waren nicht sonderlich attraktiv.

Wolfram Sacherer

Wie sich die Erhöhung der Fördermittel konkret auf das Sanierungsgeschehen auswirken wird, ist umstritten. Während etwa Stuwo-Vorständin Karsai „einen Run auf die Fördertöpfe“ erwartet und auch Ennstal-Vorstandsdirektor Sacherer die Erhöhung als „äußerst positiv“ bewertet, befürchtet Schmidt-Mitcher, dass die Dotierung für gewerbliche Eigentümer nicht ausreichen werde. Zudem seien wohnrechtliche Hürden wie das „Auseinanderfallen von Zahler und Nutznießer“ unangetastet geblieben. Auch die Fragmentierung der Förderlandschaft mit verschiedenen Zuständigkeiten und mehreren Förderstellen sei nicht gerade hilfreich.

Europäische Ebene

Das Sanierungsgeschehen beeinflussen wird die Entschärfung der europäischen Gebäuderichtlinie und die Abschaffung der „Sanierungspflicht“. „Die ursprünglich geplante Umstellungspflicht wäre durchaus hilfreich gewesen, war aber wahrscheinlich wegen des logistischen Aufwands und des sozialen Impacts wenig realistisch“, so Schmidt-Mitcher. Auch für Karsai hat sich die Politik „den Realitäten ergeben“, nicht jeder hätte sich die Sanierung leisten können. Und für Sacherer ist die Abschaffung der Sanierungspflicht ein Schritt im Sinne der Bewohner: innen.

Damit erhöhe sich die Flexibilität der Vermieter:innen und der Zwang, teure Modernisierungsmaßnahmen sofort durchzuführen, werde verhindert. „Dies kann dazu beitragen, Mietpreiserhöhungen aufgrund von Sanierungskosten zu vermeiden und die Mieten auf einem sozial adäquaten Niveau zu halten“, so Sacherer. Die Botschaft ist klar: Ran an die Fördertöpfe.

FÖRDERUNGSFÄHIGE MASSNAHMEFÖRDERUNG
Umfassende Sanierung guter Standard200 €/m² Wohnnutzfläche
Umfassende Sanierung guter Standard
mit Nawaro
350 €/m² Wohnnutzfläche
Umfassende Sanierung klimaaktiv StandardStandard 300 €/m² Wohnnutzfläche
Umfassende Sanierung klimaaktiv Standard
mit Nawaro
525 €/m² Wohnnutzfläche
Einzelbauteilsanierung FensterMax. 9.000 €
Fassadengebundene Begrünungen200 €/m² Begrünung
Bodengebunden Begrünungen100 €/m² Begrünung
Begrünte Dachfläche25 €/m² Begrünung
Bundesförderung
Die aktuellen Fördersätze für den mehrgeschoßigen Wohnbau und Reihenhausanlagen

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