Prof. Dr. Andreas Saxinger und Timo Hubert Scheer: Das Verhältnis zwischen dem betriebskostenrechtlichen Belegeinsichtsrecht und dem datenschutzrechtlichen Auskunftsrecht des Mieters

1. Das betriebskostenrechtliche Belegeinsichtsrecht des Mieters

Das betriebskostenrechtliche Belegeinsichtsrecht des Mieters stellt ein gesetzlich ungeregeltes Rechtsinstitut dar. Eine gesetzliche Grundlage existiert nur für den preisgebundenen Wohnraum in § 29 Abs. 1 NMV, die aber als auslaufendes Recht nicht auf den preisfreien Wohnraum übertragen werden kann. Für den preisfreien Wohnraum ist bis heute im Einzelnen umstritten, auf welcher Rechtsgrundlage das Einsichtsrecht des Mieters fußt.

Letztlich kann dahingestellt bleiben, ob sich das betriebskostenrechtliche Belegeinsichtsrecht aus § 259 BGB, aus § 556 Abs. 3 BGB oder aus dem Grundsatz von Treu und Glauben herleiten lässt. Entscheidend für die Praxis ist, dass das Einsichtsrecht durch die Rechtsprechung ab den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts entwickelt worden ist und seitdem immer deutlichere Konturen bekommen hat.

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Sinn und Zweck des Einsichtsrechts ist nach Ansicht der mietrechtlichen Rechtsprechung, dem Mieter eine sachgerechte Überprüfung der Richtigkeit der Belege, die der Betriebskostenabrechnung des Vermieters zu Grunde liegen, zu ermöglichen. Der Darlegung eines besonderen Interesses an der Belegeinsicht bedarf es seitens des Mieters nicht. Vielmehr genügt das allgemeine Interesse des Mieters, die Tätigkeit des abrechnungspflichtigen Vermieters zu kontrollieren. Die Einsicht soll dem Mieter zur Vorbereitung möglicher Einwendungen gegen die Abrechnung dienen.

Im Ergebnis ist der Vermieter verpflichtet, dem Mieter all diejenigen Belege in einer geordneten Form vorzulegen, die geeignet sind, die noch offenen Fragen des Mieters im Hinblick auf die Richtigkeit der Betriebskostenabrechnung abzuklären. Der Mieter muss in die Lage versetzt werden, die vom Vermieter getätigten Rechenschritte ggfs. unter Hinzuziehung fachkundiger Hilfe nachzuvollziehen.

2. Das datenschutzrechtliche Auskunftsrecht des Mieters

Am 25.05.2018 ist die Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) in Kraft getreten. Diese beinhaltet in Art. 15 DS-GVO ein allgemein formuliertes datenschutzrechtliches Auskunftsrecht einer betroffenen Person gegen den Verantwortlichen i.S.v. Art. 4 Nr. 8 DS-GVO. Der Anspruch ist auf die Übermittlung von Informationen gerichtet, welche u.a. die Zwecke, Kategorien und Dauer der Verarbeitung von personenbezogenen Daten i.S.v. Art. 4 Nr. 1 DS-GVO der betroffenen Person betreffen.

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Für Wohnraummietverhältnisse wurde dieses datenschutzrechtliche Auskunftsrecht des Art. 15 DS-GVO erstmals in den beiden Entscheidungen des AG Wiesbaden vom 26.04.2021 (Teilurt. v. 26.04.2021, 93 C 2338/20) und des LG Wiesbaden vom 30.09.2021 (Urt. v. 30.09.2021, 3 S 50/21) konkretisiert. Diese Entscheidungen betrafen einen Anspruch des Mieters gegen den Vermieter auf Auskunft über die Verarbeitung von personenbezogenen Daten des Mieters im Rahmen einer Betriebskostenabrechnung. Eine weitere Entscheidung zur Anwendung von Art. 15 Abs. 1 DS-GVO in Wohnraummietverhältnissen behandelte der BGH im Urteil vom 22.02.2022 (Urt. v. 22.02.2022, VI ZR 14/21).

Dabei ging es nicht um eine Betriebskostenabrechnung, sondern um einen Auskunftsanspruch eines Mieters zur Identifikation der Person eines Mitbewohners, der sich bei der Vermieterin über starke Geruchsbelästigungen und Ungeziefer im Treppenhaus, die aus der Wohnung des Mieters herrührten, beschwert hatte.

Seit 25.05.2018 steht somit das gesetzlich in Art. 15 DS-GVO verankerte datenschutzrechtliche Auskunftsrecht neben dem von der Rechtsprechung entwickelten mietrechtlichen Einsichtsrecht des Mieters in die Belege für die Betriebskostenabrechnung des Vermieters.

3. Unterschiedliche Voraussetzungen der beiden Ansprüche

Beide dem Mieter zustehenden Ansprüche unterscheiden sich von ihren Voraussetzungen.

  1. Voraussetzungen des datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruchs
    Das datenschutzrechtliche Auskunftsrecht des Betroffenen ist auf die Übermittlung von Informationen gerichtet, welche u.a. die Zwecke, Kategorien und Dauer der Verarbeitung von ihn betreffenden personenbezogenen Daten durch den Verantwortlichen betrifft. Welche Auskünfte im Einzelnen durch den Mieter vom Vermieter verlangt werden können, ergibt sich aus Art. 15 Abs. 1 lit. a) – h) DS-GVO. Im Ergebnis kann der Mieter also nur eine Auskunft über seine personenbezogenen Daten verlangen, die der Vermieter zur Erstellung der Betriebskostenabrechnung verarbeitet hat.

    In Art. 4 Nr. 1 DS-GVO werden personenbezogene Daten als all diejenigen Informationen definiert, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Die identifizierte oder identifizierbare natürliche Person wird in der DS-GVO als die betroffene Person bezeichnet. Der Begriff der personenbezogenen Daten ist in Art. 4 Nr. 1 DS-GVO sehr weit gefasst. Voraussetzung für den Personenbezug ist lediglich, dass die Daten „aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks oder ihrer Auswirkungen mit einer bestimmten Person verknüpft“ sind (BGH, Urt. v. 15.06.2021, VI ZR 576/19; BGH, Urt. v. 22.02.2022, VI ZR 14/21).

    Bei der Erstellung von Betriebskostenabrechnungen durch den Vermieter sind verschiedene personenbezogene Daten des Mieters betroffen. Neben Name, Anschrift, Telefonnummer, sonstigen Kontaktdaten und Geburtsdatum von Mietern zählen hierzu auch die nach erfasstem Verbrauch durch die Mieter gemessenen Betriebskosten. Die Erhebung von Verbrauchsdaten durch externe Messdienstleistungsunternehmen und deren Übermittlung an den Vermieter zum Zwecke der Erstellung der Betriebskostenabrechnung ändert nichts an der datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit des Vermieters.

    Die externen Messdienstleistungsunternehmen sind als Auftragsverarbeiter gemäß Art. 4 Nr. 8, Art. 28 DSGVO tätig. Verantwortlicher i.S.v. Art. 4 Nr. 7 DS-GVO bleibt auch in solchen Fällen der Vermieter, da dieser gegenüber den externen Messdienstleistern über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung der personenbezogenen Daten entscheidet.
  2. Voraussetzungen des betriebskostenrechtlichen Einsichtsrechts
    Anders als in Art. 15 Abs. 1 DS-GVO existiert bei dem durch die Rechtsprechung entwickelten betriebskostenrechtlichen Einsichtsrecht eine Beschränkung der Einsicht des Mieters lediglich auf seine im Rahmen der Betriebskostenabrechnung verarbeiteten personenbezogenen Daten nicht. Vielmehr hat der Vermieter dem Mieter all diejenigen Belege in einer geordneten Form vorzulegen, die geeignet sind, die noch offenen Fragen des Mieters im Hinblick auf die Richtigkeit der Betriebskostenabrechnung abzuklären. Ob diese Belege (auch) personenbezogene Daten des Mieters enthalten oder nicht, spielt dabei keine Rolle. Das betriebskostenrechtliche Einsichtsrecht ist somit weiter gefasst.

4. Unterschiedliche Rechtsfolgen der beiden Ansprüche

Beide Ansprüche des Mieters weisen unterschiedliche Rechtsfolgen auf…

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