Liebe lesende Gemeinschaft!

Vor ein paar Monaten war ich auf der Suche nach einer Bohrmaschine. Großes Bild aufhängen und so weiter. Ein Freund, der in einem geförderten Wohnbau hinterm Hauptbahnhof daheim ist, meinte: „Ja klar, komm vorbei! Wir haben eine Makita in unserer Werkstatt, unten im Keller, die kannst haben für zwei, drei Tage.“ Gesagt, getan, am nächsten Morgen stand ich in der größten Gemeinschaftswerkstatt meines Lebens, voll ausgestattet mit hölzerner Werkbank, gut befüllter Werkzeugwand und sämtlichen Gerätschaften, die ein Handwerkerherz erfreuen. Wie ein kleiner Hornbach im Haus. Ob die Makita niemand vermissen wird? „Ach was! Da ist eh nie irgendwer. Am Anfang haben’s alle gewerkelt wie die Wahnsinnigen, aber jetzt … Jetzt ist der Raum seit Jahren schon ungenutzt.“

Dieser Moment war die Geburtsstunde der redaktionellen Idee, ein Heft über Gemeinschaftsräume zu machen. Mit der viel zitierten vierten Säule im gemeinnützigen Wohnbau – soziale Nachhaltigkeit – ist es zum Standard geworden, jedes auch noch so kleine geförderte Bauvorhaben mit Gemeinschaftsräumen auszustatten. Die Wiener Bauträger-Wettbewerbe haben die Entwicklung stetig vorangetrieben. Bei manchen Projekten machen die Gemeinschaftsräume bereits zehn Prozent der Nutzfläche aus, wie der Obmann einer Wiener Baugenossenschaft bestätigt.

- Anzeige -

Und nicht nur das. Im Village im Dritten, am Neuen Landgut und auf dem Areal des ehemaligen Nordwestbahnhofs hat man das Gefühl, dass sich die Bauträger und Architekt:innen im Kampf um die wenigen Grundstücke mit Saunas, Repair-Cafés, Bibliotheken, Gemeinschaftsküchen, professionell betriebenen Fahrradwerkstätten und LOIs von sozialen Trägern und diversen Partnerverbänden regelrecht übertreffen. Mitunter lesen sich die Projektbeschreibungen wie gut befüllte Animationsprogramme auf einem karibischen Kreuzfahrtschiff.

Doch wie viel braucht’s wirklich? Wie kann man Prozesse gestalten, damit das soziale Angebot langfristig angenommen wird? Und was tun, wenn – wie im Fall der verwaisten Makita- Werkstatt – Gemeinschaftsräume eines Tages nicht mehr funktionieren, wenn die Räume zu alten Möbeldepots verkommen, wenn manchmal sogar Diebstahl und Vandalismus auf der Tagesordnung stehen?

Mit dem Ziel, nachhaltigen Wohnraum zu schaffen, aber auch im Umgang mit öffentlichen Geldern müssen diese Fragen ernsthaft beleuchtet und differenziert beantwortet werden. Daher das hier vorliegende Heft: Gemeinschaft am Prüfstadt.

Viel Vergnügen damit!
Wojciech Czaja

Lesen Sie die nächsten Artikel dieser Ausgabe

Lesen Sie Artikel zum selben Thema