Kunststoffrohrleitungen in der Trinkwasserinstallation – „als Alternative zu metallischen Rohrleitungen“ – Dr. Georg Scholzen erklärt das Für und Wider

In den bisherigen Folgen über Korrosion wurden vor allem metallische Rohrwerkstoffe betrachtet sowie die Wechselwirkungen mit den Wasserinhaltsstoffen. Allerdings kommen Kunststoffrohre in immer mehr Bereichen zum Einsatz. Jetzt liegt der Gedanke nahe, dass man die Probleme der Korrosion von metallischen Werkstoffen umgehen könnte, wenn man Werkstoffe aus Kunststoff verwendet.

Wenn dem so wäre, wäre eine Empfehlung sehr viel einfacher, welchen Werkstoff man in der Hausinstallation verwenden sollte. Allerdings weisen Hausinstallationen aus Kunststoffen ebenso Fehler in einer ähnlichen Bandbreite auf wie metallische Rohrleitungen. Auch Kunststoffe können korrodieren, allerdings läuft die Reaktion etwas anders ab und wird auch anders benannt.

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Vorher möchte der Autor klarstellen, dass jedes Rohrmaterial, was geprüft und in der EU zugelassen ist, in der Trinkwasserinstallation auch eingesetzt werden kann und auch wird. Allerdings muss man sich bereits bei der Planung vorab Gedanken über die Vor- und Nachteile, mögliche Grenzen sowie für die Installation, Inbetriebnahme und dann im Betrieb machen, welchen Werkstoff man grundsätzlich einsetzen möchte.

Daher soll in den nächsten Folgen der Werkstoff Kunststoff in der Trinkwasserinstallation und mögliche Fehlerquellen erörtert werden.

Die Auswahl von Kunststoffrohren
Die Wahl für ein Kunststoffrohr fängt in der unglaublichen Vielfalt an sowohl bei der Werkstoffauswahl wie auch in den Verbindungstechniken. Hinzu kommt, dass der Einsatzbereich der Kunststoffrohre von der Art des jeweiligen Kunststoffs abhängt. Jeder Kunststoff weist andere Eigenschaften auf. Eine Unterteilung ist in drei Hauptgruppen möglich:

Duroplaste
Duroplaste sind sehr harte Kunststoffe, die sogenannten Polymere. Anders als bei den Thermoplasten ist ein Abschmelzen später nicht mehr möglich. Als Verlegerohre sind die Duroplaste sehr beliebt.

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Elastomere
Des Weiteren gibt es den elastischen Kunststoff Elastomere, der leicht verformbar ist (z.B. sind Gummiringe häufig aus Elastomere).

Thermoplaste
Thermoplaste kommen insbesondere im Sanitärbereich zum Einsatz. Die Temperaturbeständigkeit ist mit bis zu 120 Grad Celsius vergleichsweise hoch. Als Thermoplaste werden häufig folgende Kunststoffe eingesetzt:
PVC = Polyvinylchlorid, PE = Polyethylen, PP = Polypropylen, PB = Polybuten oder Polybutylen.

Korrosion
Wird ein Kunststoff durch eine chemische oder physikalische (z.B. Temperatur) Reaktion mit seiner Umgebung verändert, so wird bei Kunststoffen nicht von Korrosion sondern von Degradation gesprochen. Die Einwirkung auf den Kunststoff kann dann zu chemischen und/oder physikalischen Veränderungen führen. Darunter versteht man letztlich die Alterung, die mit unerwünschter Erscheinung wie Quellung, Versprödung, Rissbildung und Festigkeitsverlust einhergeht. Dies führt dann letztlich zu einer Verkürzung der Nutzungsdauer.

Allerdings können durch die Auswahl aus der Vielzahl von Kunststoffen und der Verwendung von Zusatzstoffen in den Kunststoffen die Einsatzkriterien erweitert (gefördertes Medium, Temperaturbeständigkeit, Abwasserart etc.).

Vielzahl an Kunststoffen

Allerdings ist die Auswahl von Kunststoffrohren in Verbindung mit den Verbindungsteilen wesentlich vielfältiger. Ein spezielles Kunststoffrohr sind Mehrschichtverbundrohre, die näher beschrieben werden:
Das Rohr besteht aus einer dünnen Aluminiumschicht (0,4 mm), ummantelt von einem PEX-Rohr sowohl in der Innenseite als auch an der Außenseite (siehe Bild 1).

Bild 1: Aufbau eines Mehrschichtverbundrohres (Quelle: Rehau).

Die Tabelle 1 zeigt einmal nur die Kunststoffe, die allein im Verbundrohr eingesetzt werden können mit den entsprechenden Abkürzungen und den DIN Normen, in denen die Materialien bzw. die Forderungen an die Materialien beschrieben sind. Dies betrifft z.B. das Langzeit-Kriechverhalten und Langzeit-Temperaturbeständigkeit, damit die Mehrschichtverbundrohre als Werkstoffe zugelassen sind.

Durch die Aluminium-Zwischenschicht sind die Rohrleitungen unter anderem für Sauerstoff undurchlässig (diffusionsdicht). In der Trinkwasser-Installation wird dadurch das Eindringen von unerwünschten Geruchs- oder Geschmacksstoffen vermieden. Auch das Eindiffundieren von Gasen, wie Sauerstoff oder das Entweichen von Kohlendioxid aus dem Wasser wird dadurch verhindert. Dies trifft bei den reinen Kunststoffrohren je nach Aufbau nicht immer zu. Daher hat das Verbundrohr bei diesen Fragestellungen einen Vorteil.

Geschmackliche Irritationen können auftreten, wenn aus dem Kunststoff Inhaltsstoffe an das Trinkwasser abgegeben werden. Diese durch Migration oder Auswaschung von Stoffen aus dem Rohrmaterial können entstehen, ohne dass diese unbedingt gesundheitsbedenklich sind, aber den Genuss von frischem Trinkwasser für die Nutzer einschränkt.

Tabelle 1: Verbundrohre in der Trinkwasser-Installation

WerkstoffKurzbezeichnungNorm
Nachchloriertes PolyvinylchloridPVC-CDIN 16832-2
PolyvinylidenfluoridPVDFISO 10931-1, -2
PolypropylenPP-H 100DIN 16962-5
PolypropylenPP-R 80DIN 16962-5
PolybutenPB 125DIN 16831-5
Vernetztes PolyethylenPE-XDIN 16892
Temperaturbeständiges PolyoxymethylenPOMISO 9988-1
PolyphenylensulfonPPSU
PolysulfonPSU
Temperaturbeständiges PolyethylenterephthalatPETDIN 16779-1
Temperaturbeständiges Verstärktes PolyamidGF-PA

Neben den Werkstoffen für die Verbundrohre müssen allerdings auch die Rohrverbindungsmöglichkeiten berücksichtigt werden. Auch hier ist eine Vielzahl von Möglichkeiten gegeben. Die Art der Verbindung kann metallisch oder nichtmetallisch dichtend, lösbar oder nicht lösbar sein.

Bild 2: Schiebehülsentechnik als Verbindung für Mehrschicht-Verbundrohr für (Quelle: Tece)

Typische Verbindungstechniken für Verbundrohre sind das Pressen, das Stecken und die Schiebehülsen-Technik (Bild 2). Geschraubt wird nur beim Übergang auf andere Werkstoffe. Die Tabelle 2 gibt daher einen Überblick über die gängigen Verbindungstechniken für den entsprechenden Rohrwerkstoff.

Tabelle 2: Übersicht Rohrverbindungen

RohrwerkstoffGängige
Verbindungstechnik
Technische Regeln
RohreRohrverbindungen
PE-X (vernetztes Polyethylen)Klemmverbindung (Metall)DIN 16892
DIN 16893
DVGW W 544
DVGW W 534
PP (Polypropylen)SchweißverbindungDIN 8077,
DIN 8078,
DVGW W 544
DIN 16962,
DVGW W 534
PB (Polybuten)Schweißverbindung, KlemmverbindungDIN 16968,
DIN 16969,
DVGW W 544
DIN 16831,
DVGW W 534
PVC-C (chloriertes Polyvinylchlorid)KlebverbindungDIN 8079,
DIN 8080,
DVGW W 544
DIN 16832,
DVGW W 534
Verbundrohre (Schichtaufbau von außen nach innen ) Pressverbindung
Klemmverbindung
Steckverbindung
DVGW W 542DVGW W 534
außen

PE-MDX
PE-RT
PE-HD
PE-X
PB
PP



AL
innen

PE-RT
PE-MDX
PE-X
PB
PP

Dadurch ergibt sich bereits bei den Mehrschichtverbundrohren eine außerordentlich große Zahl an Kombinationsmöglichkeiten. Zählt man nun noch die „einfachen“ Kunststoffrohre dazu, ergibt sich für den Installateur eine Auswahl von Kunststoffrohren bei denen ca. Hundert verschiedenen Kombinationen in der Hausinstallation eingesetzt werden können. Und für jede Kombination benötigt man entsprechende Schulungen, spezielles Werkzeug. Daraus ergibt sich eine Vielzahl von Material und Verbindungsauswahl, die für den Installateur kaum überschaubar ist.

Hinzu kommt die Abschätzung der Vor- und Nachteile des jeweiligen Systems. Da darf die Frage gestellt werden, welcher Installateur die Vor- und Nachteile bei dieser Vielzahl an Kunststoffrohren bewerten kann. Und hat der einzelne Installateur überhaupt die Möglichkeit auf ein anderes System zu wechseln, wenn er sich einmal festgelegt, die entsprechenden Werkzeuge angeschafft und die Mitarbeiter geschult hat?

Bild 3: Mehrschichtverbundrohr von Geberit (Quelle: Geberit)

Eine Abschätzung für den Auftraggeber ist daher noch viel schwieriger und umso mehr Gewicht kommt auf den Planer zu, der dies alles bewerten sollte.

Anforderungen bei der Verwendung von Kunststoffrohren

Allerdings muss sich jeder Betreiber über eines im Klaren sein: die Anforderungen an die Qualität des Rohres und die Qualifikation des Installateurs sind nicht weniger hoch als bei der Verwendung von metallischen Rohrleitungen. Dies bedeutet insbesondere die Hinweise der Hersteller in Bezug auf Verladung, Beförderung, Entladung und Lagerung der jeweiligen Produkte müssen befolgt werden. Dies wird in der DIN EN 806-4 gefordert.

Dort wird auch noch einmal explizit auf die lange Lebensdauer einer Installation hingewiesen, die nur erreicht werden kann, wenn eine fachgerechte Installation, eine qualifizierte Planung und nach der Übergabe an den Betreiber auch eine regelmäßige Instandhaltung sowie ein bestimmungsgemäßer Betrieb erfolgen.

Außerdem sind die gleichen Anforderungen bei der Verwendung von Kunststoffrohren für Trinkwasser-Installationen wie bei metallischen Werkstoffen zu berücksichtigen:

  1. Wechselwirkung mit der Trinkwasserbeschaffenheit;
  2. Schwingungen, Spannungen oder Setzungen;
  3. Innendruck durch das Trinkwasser;
  4. innere und äußere Temperaturen;
  5. innere oder äußere Korrosion;
  6. Verträglichkeit verschiedener Werkstoffe untereinander;
  7. Alterung, Ermüdung, Zeitstandfestigkeit und andere mechanische Faktoren;
  8. Diffusionsverhalten. [DIN EN 806-2]

Ein wichtiger Punkt bei den Kunststoffrohen ist nicht unerheblich: sie dürfen das Wachstum von Mikroorganismen nicht fördern und das Wasser durch chemische Substanzen nicht verunreinigen und sie müssen den Anforderungen der Bewertung des Umweltbundesamtes erfüllen (Hinweis: die frühere KTW-Leitlinie und Beschichtungsleitlinie wurden zum 21.03.2021 zurückgezogen).

Ein weiterer, nicht unwichtiger Hinweis bezieht sich auf die Druckprüfungen. Nach DIN EN 806-4 sind aufgrund der unterschiedlichen Werkstoffeigenschaften auch unterschiedliche Druckprüfungen mit Wasser durchzuführen. Es gibt drei Arten von Prüfverfahren (A, B oder C), die in Abhängigkeit von den eingesetzten Rohrwerkstoffen (Metall, Kunststoff oder Verbundwerkstoff aus Metall und Kunststoff) auszuwählen ist. Leider wird nach Mitteilung des ZVSHK dies auf den Baustellen nicht immer umgesetzt.

Aus hygienischen Gründen sollte die Rohrleitung ähnlich wie bei metallischen Werkstoffen bis unmittelbar vor der Inbetriebnahme nicht mit Wasser gefüllt sein und die Druckprobe ist besser mit inerten Gasen durchzuführen. Sofern die Druckprobe mit Wasser durchgeführt wird, ist in regelmäßigen Abständen – alle sieben Tage – ein Wasseraustausch vorzunehmen.

Die Prüfung von PP-, PE-, PE-X-, PB-Rohrleitungen sowie den damit kombinierten Installa¬tionen aus Metall- und Mehrschichtverbundrohren ist daher aufwändiger und zeitintensiver als bei metallischen Rohrleitungen:
• Prüfdruck: 1,1-facher Betriebsdruck = 11 bar
• Prüfzeit mit 11bar 30 Minuten, danach Kontrolle der Verbindungen. Kein Leck darf erkennbar sein, dann absenken des Drucks von 11bar auf 5,5bar
• Prüfzeit mit 5,5bar 120 Minuten
• Gesamtprüfzeit 150 Minuten
Die Bewertung erfolgt am Manometer. Dort darf kein Druckabfall erkennbar sein.

Vor- und Nachteile von Kunststoffrohen gegenüber metallischen Werkstoffen

Vorteile von Kunststoffrohren
Die Hersteller von Kunststoffrohre verweisen auf die Vorteile:

  • Kunststoff ist ein beständiger Werkstoff und nicht anfällig für die Korrosion.
  • Zudem ist das Material Kunststoff sehr leicht. Metallrohre sind deutlich schwerer.
  • Kunststoffrohre sind gegenüber zahlreichen Chemikalien beständig und weisen eine glatte Oberfläche auf.
  • Wärme und Elektrik werden in deutlich geringerem Umfang geleitet als dies bei Metall der Fall ist.
  • Zudem spricht die ansprechende Hygiene für einen weitreichenden Einsatz der Kunststoffrohre. (Hinweis vom Verfasser: allerdings ist größte Vorsicht bei Desinfektionsmaßnahmen geboten, da hierbei die Nutzungsdauer erheblich verkürzt werden kann).

Nachteile von Kunststoffrohren

Allerdings verweisen die Hersteller auch auf die Nachteile hin:

  • Unabhängig vom Durchmesser der Kunststoffrohre ist die längliche Ausdehnung bei Erwärmung deutlich ausgeprägter als dies bei Produkten aus Metall der Fall ist. Im Vergleich zum Kupferrohr bei der Heizung dehnt sich Kunststoff bis zu zehn Mal mehr aus.
  • Zudem sind die Kunststoffrohre nicht UV-beständig. Bei dauerhafter Sonneneinstrahlung werden die Rohre porös und sind wenig beständig.
  • Die Druckprüfung ist bei den Kunststoffrohren schlichtweg aufwändiger. Auch die Temperaturbeständigkeit ist zu prüfen.

Die Lebensdauer eines Mehrschicht-Verbundrohres hängt, wie jedes andere zugelassenes Rohr, stark von den Betriebsbedingungen ab. Dabei spielen die Temperatur, Druck und vor allem die Installation und Betrieb nach den anerkannten Regeln der Technik eine wesentliche Rolle. Wichtig ist hierbei das Temperaturniveau entsprechend dem DVGW-Arbeitsblatt W 542.

Dr. Georg Scholzen ist Diplom-Chemiker mit über 20 Jahren Erfahrung in der Verhütung von Leitungswasserschäden. Er war u.a. Sprecher der Projektgruppe „Leitungswasser“ des GDV, Mitglied im Projektkreis „Betrieb und Wartung“ beim DVGW (Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e.V.), Autor des Fachbuches „Leitungswasserschäden: Vermeidung – Sanierung – Haftung“ und der Experte im FORUM LEITUNGSWASSER der AVW Unternehmensgruppe. 

Ein grundsätzliches Problem ist selbstverständlich der Umgang von Kunststoffrohren auf der Baustelle. Mikrorisse und Verletzungen der Rohre durch den „rauen“ Umgang auf der Baustelle können nicht einfach erkannt werden.

Sofern alle Regeln eingehalten sind, sollte es bei der Nutzungsdauer keinen Unterschied zwischen den verschiedenen Rohrwerkstoffen geben. Problematisch kann es aber sein, wenn hygienische Probleme auftreten und die Temperatur erhöht werden muss oder gar chemisch desinfiziert werden muss. Dadurch kann eine vorzeitige Alterung des Rohrwerkstoffes oder an den Fittingen erfolgen und dadurch kann die Nutzungsdauer eingeschränkt sein.

Dr. Georg Scholzen


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