Kirchliche Immobilien – Viele Flächen und Gebäude wollen wachgeküsst werden

Die Stiftung Schönau, Mitgliedsunternehmen im eid, arbeitet seit einigen Jahren mit der Evangelischen Landeskirche in Baden und Kirchengemeinden bei der Optimierung ihrer Immobilienportfolios zusammen. Angesichts sinkender Einnahmen, steigender Bau- und Unterhaltskosten und klimapolitischer Herausforderungen ist das Thema aktueller denn je. Dazu befragte Heiko Senebald, Leiter Kommunikation beim eid, Ingo Strugalla, Geschäftsführender Vorstand der Stiftung Schönau.

In welchem Bereich sehen Sie aktuell den größten Beratungs- und Handlungsbedarf?

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Ingo Strugalla: Wichtig ist meiner Meinung nach, dass zeitnah Entscheidungen getroffen und umgesetzt werden. Der Befund eines zu umfangreichen Immobilienbesitzes ist seit Jahrzehnten bekannt. Ebenso die Situation mit der demografischen Entwicklung und den daraus abgeleiteten sinkenden Kirchensteuereinnahmen.

Erst durch die vielzitierte Freiburger Studie ist die Situation fast straßenscharf quantifiziert. Es ist erkennbar, dass dieses Thema im innerkirchlichen Diskurs immer mehr Raum einnimmt. Da „die Kirche“ keine zentral gesteuerte Organisation ist, sondern im Wesentlichen über die Basis organisiert ist, sind derartige Restrukturierungen sehr viel aufwendiger.

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Die beiden Kirchen werden bis 2060 jedes dritte Gebäude nicht mehr finanzieren können. Sind die Kirchen darauf vorbereitet?

Ingo Strugalla: Da ich nicht beurteilen kann, wie die anderen Landeskirchen aufgestellt sind, sollte diese Frage jede Kirchengemeinde, jeder Kirchenbezirk und jede Landeskirche für sich selbst ehrlich beantworten und die notwendigen Schlüsse und ressourcenuntermauerten Handlungsstrategien ableiten. Ob man mit 30 Prozent auskommen wird, wird die Zeit zeigen.

Wir sprechen von 40.000 Immobilien, die zur Diskussion stehen. Da fällt es der einen oder anderen Kirchengemeinde sicherlich schwer, ernsthaft darüber nachzudenken, sich von kirchlichen Räumen zu trennen. Obwohl das Verkaufen ja sicherlich die letzte Option sein sollte. Was raten Sie?

Ingo Strugalla: Aus meiner badischen Perspektive lohnt es sich, Ressourcen für die systematische Analyse, Bewertung und Entscheidung bereitzustellen. Es wird sicherlich Gebäude und Flächen geben, die am besten veräußert werden sollten. Es wird aber auch genug Flächen geben, die vielleicht im Erbbaurecht vergeben werden könnten.

Daneben werden auch hinreichend viel Flächen und Gebäude vorhanden sein, die buchstäblich darauf warten, wachgeküsst zu werden. Beispielsweise könnten durch Nachverdichtungen perspektivisch Einnahmen für die kirchliche Arbeit generiert werden. In Baden laufen solche Überlegungen unter dem Slogan „Kirchenland in Kirchenhand“. Das Ziel muss meiner Meinung nach sein, eine innerkirchliche Wertschöpfung aufzubauen. Auch im kirchlichen Kontext gibt es Investoren wie Versorgungwerke, Pensionskassen oder Stiftungen, die für derartige Projekte in Frage kämen.

Bei den 40.000 Immobilien handelt es sich sicherlich auch um viele landwirtschaftlich und forstwirtschaftlich genutzte Grundstücke. Diese könnten bei geeigneter Lage mit Windenergieanlagen bestückt oder in einen Fonds eingebracht werden, an dem sich kirchliche Investoren beteiligen können. Neben dem Ertrag aus der verkauften Energie könnten diese Anlagen einen signifikanten Beitrag zur Klimaneutralität der Kirchen leisten. Ein Thema, das sich in diesem Kontext wunderbar mit ökonomischen Notwendigkeiten verzahnen lässt.

Ein Blick in die Heidelberger Heiliggeistkirche – Im Rahmen einer kleinen Bauhütte haben rund 25 Baufachleute der Evangelischen Kirche in Heidelberg sowie der badischen Landeskirche mit dem Bau eines Holzpodests innerhalb von vier Tagen den Boden im Mittelschiff der Heidelberger Heiliggeistkirche auf das Niveau der Seitenschiffe angehoben. Das Holzpodest erschließt Heiliggeist als Erprobungsraum für vielfältige Nutzungen. Damit wurde ein Teil des Siegerentwurfs des Stuttgarter Architektenbüros schleicher.ragaller zum Projekt „Heiliggeist mehr Raum geben“ erlebbar gemacht. Der Innenraum der Heiliggeistkirche soll in den nächsten Jahren „zu einem Möglichkeitsraum für die Stadtgesellschaft“ weiterentwickelt werden. Die Stiftung Schönau unterstützt das Projekt sowohl finanziell als auch mit einer Holzspende. Quelle: Stiftung Schönau

Die prokiba GmbH ist ein Tochterunternehmen der Evangelischen Landeskirche in Baden und der Stiftung Schönau. Mit der prokiba bieten Sie professionelle Begleitung an. Das Leistungsspektrum erstreckt sich von der Analyse und Bewertung kirchlicher Liegenschaften, der technischen Due Diligence von Wohn- und Gewerbeimmobilien bis hin zur Betreuung von Vergabeverfahren und Projektentwicklung, -steuerung und -management. Worauf legt prokiba derzeit den Fokus?

Ingo Strugalla: Gegründet wurde die prokiba aus der Überlegung heraus, die Ressourcen bei kirchlichen Sanierungsprojekten zu bündeln, um Redundanzen abzuschaffen. Daneben war die Organisation von Architektenwettbewerben und die Beratung von Kirchengemeinden und -bezirken zum Umgang mit ihrem meist zu großen Immobilienbestand ein wesentlicher Bereich.

Der Bereich der Kirchensanierungen wurde mittlerweile komplett in die Verantwortung der Kirchengemeinden zurückgegeben – mit allen Chancen und Risiken. Neu hinzugekommen ist der Bereich der Projektentwicklung und -steuerung. Ein Bereich, den wir weiter ausbauen wollen.

Können Sie uns einige Projekte und ihre Besonderheiten nennen, an der die prokiba aktuell beteiligt ist?

Ingo Strugalla: Die prokiba ist für mehrere Bauprojekte der Stiftung als Projektentwickler und Projektsteuerer aktiv, beispielsweise für das Bauvorhaben Insterburger Straße in Karlsruhe, wo ein Wohngebäude mit 35 Wohnungen und einer integrierten fünfgruppigen Kindertagesstätte entstehen soll oder den geplanten Neubau von 70 Wohnungen in drei Mehrfamilienhäusern in Edingen-Neckarhausen bei Heidelberg. Erstmalig selbst als Bauträger ist die prokiba in Nußloch neuerdings unterwegs. Dort entstehen elf Reihenhäuser und zwei Doppelhaushälften auf Erbbaurechten der Kirchengemeinde, die noch 2024 nach erfolgreicher Projektentwicklung der Fläche vermarktet werden sollen.

Herr Strugalla, danke für den tiefen Einblick.

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