Investitionen, die sich lohnen

Fast ein Drittel aller Wohneinheiten in Österreich gelten aktuell als sanierungsbedürftig. Die thermische Sanierung ist weiterhin die effizienteste Möglichkeit, um Energiestandards zu heben. Bund und Länder reagieren mit einer Ausweitung der Förderschienen. Einzelne gemeinnützige Bauvereinigungen gehen schon einen Schritt weiter und starten Pilotprojekte von temperierten Fassaden über Gemeinschaftsthermen bis zu Anergienetzen. Gemeinsames Thema: Die Kosten.
BERND AFFENZELLER

Laut aktuellem Klimaschutzbericht des Umweltbundesamts betrugen die Treibhausgas-Emissionen aus dem Gebäudesektor im Jahr 2020 rund 8,0 Millionen Tonnen CO₂- Äquivalent und waren damit für 10,9 Prozent der nationalen Treibhausgas- Emissionen verantwortlich. Das ist gegenüber 1990 zwar ein Rückgang von stolzen 37,5 Prozent, allerdings kommt es seit 2014, dem Jahr mit der geringsten CO₂-Ausstoß, wieder zu einem leichten Anstieg.

- Anzeige -

Außerdem lag der Gebäudesektor 2020 um 100.000 Tonnen CO₂ über der im Klimaschutzgesetz festgelegten Emissionshöchstgrenze von 7,9 Millionen Tonnen. Die Ursache für den starken Rückgang seit 1990 liegen laut Umweltbundesamt neben der Verdrängung von Kohleheizungen aus dem Bestand und der fortschreitenden Verlagerung der Energieträgeranteile weg von fossilen Brennstoffen hin zu Biomasse, Fernwärme und Wärmepumpen vor allem in einer verbesserten Energieeffizienz der Gebäude.

Speziell im mehrgeschoßigen Wohnbau ist Nachhaltigkeit zu einem zentralen Thema geworden – doch natürlich belasten die Klimaschutzinvestitionen ebenso die Budgets. „Qualitäten wie Erneuerbare Energieversorgung, reduzierter und kreislauffähiger Materialeinsatz, wirksamer Sonnenschutz und dennoch gute Tageslichtversorgung, klimaresiliente und ökologisch wertvolle Außenräume und viele andere mehr sind aus keinem Planungsprozess mehr wegzudenken“, bestätigt auch Peter Holzer vom Institute of Building Research & Innovation.

Während der Neubau seine Hausaufgaben gemacht hat, gibt es im Bestand einen enormen Aufholbedarf. Wohnbauexperte Wolfgang Amann vom Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen geht davon aus, dass von den rund vier Millionen Hauptwohnsitzwohneinheiten fast 1,2 Millionen Einheiten sanierungsbedürftig sind (siehe Tabelle).

- Anzeige -

Thermische Sanierung

Fassadentemperierung 
Im Rahmen eines Pilotprojekts des Sozialbau-Verbunds wird die Fassade eines Wohnhauses in der Großen Neugasse im 4. Bezirk zur Gebäudetemperierung genutzt. ... Dabei werden in die Außenwand kleine Schlitze gefräst, in die ein feinmaschiges Netz an Wasserschläuchen verlegt wird ... Im Sommer wird das Wasser im Schlauchsystem der Fassade mittels Wärmepumpe abgekühlt und damit die Wohnräume gekühlt. 

Die überschüssige Wärme aus der Fassade wird über Erdsonden abgeführt und in einer Tiefe von 100 Meter im Erdreich zwischengelagert. In den kalten Monaten wird die Wärme aus dem Erdspeicher in die Fassade geleitet. ... Mit der Fassadentemperierung können die Wohnungen laut Sozialbau im Sommer um rund zwei Grad gekühlt werden und im Winter der Heizbedarf um bis zu 25 Prozent gesenkt werden.

Die effizienteste Möglichkeit, die Energiestandards im Bestand zu erhöhen, ist die thermische Sanierung. Während der Heizwärmebedarf laut Amann im geförderten Neubau bei 27 kWh/m²/a und nach Sanierung bei 44 kWh/m²/a liegt, ist im unsanierten Bestand mit durchschnittlich deutlich über 100 kWh/m²/a zu rechnen. Investitionen in die thermische Sanierung reduzieren aber nicht nur die Heizkosten, sondern sind in Zeiten von ESG und EU-Taxonomie auch von zentraler Bedeutung für den Werterhalt einer Immobilie.

„Es ist absehbar, dass Immobilien mit fossiler Energieversorgung und sehr schlechtem thermischen Standard rasch an Marktwert verlieren werden“, so Holzer. Dennoch liegt die Sanierungsrate 1 – 2 0 2 3 23 THEMA auch weiterhin nur bei bescheidenen 1,5 Prozent. Mit Maßnahmen wie der höheren Dotierung des Sanierungsschecks von 6.000 Euro auf bis zu 14.000 Euro will das Klimaschutzministerium endlich Bewegung in Richtung des seit vielen Jahren postulierten Drei-Prozent-Ziels bringen. Auch die Bundesländer wollen im Rahmen der Wohnbauförderung ihren Teil zur Trendwende beitragen. In den meisten Ländern verschieben sich 2023 die Ausgaben der Wohnbauförderung vom Neubau zur Sanierung.

Geschätzter Sanierungsbedarf in Österreich

KategorieSanierungsbedürftigin % vom Gesamtbestand
Eigenheimeca. 400.000ca. 27 %
Private Mietwohnungenca. 410.000ca. 63 %
Eigentumswohnungenca. 150.000ca. 28 %
GBV-Mietwohnungenca. 50.000ca. 7 %
Kommunalwohnungenca. 150.000ca. 56 %
Quelle: Institut für Immobilien Bauen und Wohnen

Maßnahmen wie der Sanierungsscheck und die Wohnbauförderung sind laut den Experten Holzer und Amann ganz wesentliche und unverzichtbare Treiber für nachhaltiges Bauen und Sanieren. Alleine im Jahr 2021 konnten laut Klimaschutzministerium durch Wohnbauförderungsmaßnahmen der Länder Emissionseinsparungen im Ausmaß von rund 255.000 Tonnen CO₂ angestoßen werden. Damit lagen die Einsparungen sogar um rund 20 Prozent höher als im Jahr davor.

Dennoch gibt Wifo-Expertin Angela Köppl zu bedenken, dass die Wohnbauförderung oft der Realität und vorhandene Innovationen hinterherhinkt. Als Beispiel nennt Köppl sogenannte Anergienetze. Ein derartiges Projekt mit Erdwärmesonden, Photovoltaik und Wärmepumpen wird aktuell unter der Leitung der Sozialbau im zweiten Wiener Gemeindebezirk umgesetzt. Dabei fungieren Erdwärmesonden in 100 m Tiefe als Zwischenspeicher für Sommerwärme und Winterkälte: Im Sommer wird das kühle Erdreich zur Kühlung der Gebäude verwendet, im Winter wird die gespeicherte Wärme zum Heizen genutzt.

Zusätzlich ist geplant, das Grundwasser via Wärmepumpe zum Heizen und zur Warmwasserversorgung zu verwenden. Generell müsse laut Köppl auch in der Wohnbauförderung der Quartiersgedanke über die Betrachtung des Einzelgebäudes gestellt werden.

Best Practices

Vorzeigeschüler in Sachen Nachhaltigkeit sind die gemeinnützigen Bauvereinigungen. Nur rund sieben Prozent des Bestands gelten aktuell als sanierungsbedürftig. Bauvereinigungen wie der Sozialbau-Verbund gehen sogar noch einen Schritt weiter. „Neben der laufenden thermischen Sanierung unserer Wohnhausanlagen screenen wir unseren gesamten Wohnungsbestand nach dem Potenzial für erneuerbare Energiesysteme, seien es Wärmepumpen, Geothermie, Photovoltaik oder Bauteilaktivierung durch Fassadentemperierung“, erklärt Generaldirektor Christian Strasser.

Neben einem Pilotprojekt zur Fassadentemperierung läuft seit geraumer Zeit auch ein Großprojekt zur Zentralisierung der Wärmeversorgung durch die Errichtung von Gemeinschaftsthermen. Dabei werden die Wohnungen über Leitungen durch die Kamine an die Gemeinschaftstherme am Dach angeschlossen. Die Gas-Einzeltherme wird dabei entfernt und für die Warmwasseraufbereitung gegen einen Elektroboiler getauscht. Investitionen, die das Klima schützen, aber ebenso die Geldbörse jedes Bewohners – Anstrengungen, die sich lohnen.

Sanierungsoffensive des Bundes (Sanierungsscheck) privater Wohnbau

JahrProjekteUmweltrelevante InvestitionskostenCO²-ReduktionEnergieeinsparung
201213.871428 Mio. €71.000 t183 GWh
201322.026677 Mio. €89.000 t242 GWh
201415.311425 Mio. €50.000 t140 GWh
201516.126463 Mio. €54.000 t152 GWh
20169.714311 Mio. €38.000 t116 GWh
20175.557196 Mio. €21.000 t72 GWh
20185.782227 Mio. €25.000 t75 GWh
20195.782487 Mio. €90.000 t147 GWh
202010.748377 Mio. €52.000 t109 GWh
202123.385743 Mio. €150.000 t197 GWh
Quelle: BMK

Lesen Sie die nächsten Artikel dieser Ausgabe

Lesen Sie Artikel zum selben Thema