Die Kelag Energie & Wärme ist einer der größten Anbieter von Fernwärme in Österreich und Marktführer bei der Wärmeerzeugung aus Biomasse und dem Einsatz industrieller Abwärme. Geschäftsführer Adolf Melcher ist davon überzeugt, dass die grüne Transformation gelingen kann, wie er im Interview erläutert – aber Österreich braucht intelligente, nachhaltige Lösungen.
Wie viele Wohnungen versorgen Sie aktuell mit grüner Fernwärme?
Rund 80.000 Wohnungen – und es werden laufend mehr. Die Wärmewende ist ein zentraler Bestandteil der Energiewende. Ein wichtiges Instrument ist dabei die kommunale Wärmeplanung für die Raumwärme. Sie bietet Kommunen die Möglichkeit, eine nachhaltige Wärmeversorgung auf lokaler Ebene strategisch zu gestalten. Mit einer gezielten Planung wird nicht nur die Umsetzung langfristiger Klimaziele unterstützt, sondern auch aktiv die Nutzung von erneuerbaren Energien wie z. B. Biomasse und Abwärme gefördert. Wir haben eine kommunale Wärmeplanung für die Bereiche der 80 Fernwärmenetze erarbeitet. Über eine Online-Kundenplattform kann eingesehen werden, wo Fernwärmeleitungen verlegt sind und wie sie mittel- und langfristig ausgebaut und erweitert werden sollen. Damit können Bauträger und Immobilienbesitzer:innen aktuell oder in naher Zukunft Entscheidungen über die zukünftige Heizlösung ihrer Immobilien treffen.
Wie sieht es mit der Entwicklung von Fern- und Nahkältelösungen aus?
Natürlich, die Sommer werden heißer. Aber die Kälte spielt im sozialen Wohnbau keine Rolle, sondern eher im hochpreisigen Wohnbau. Noch ist die Kälte ein Thema für die Industrie. In Linz gibt es erste Projekte mit Fernkälte. Das große Potenzial sehe ich für uns jedoch nicht, es wird sich auf ein oder zwei große Projekte beschränken. Für die Fernkälte bräuchten wir große Verbraucher so wie ein Krankenhaus.
Die Zukunft gehört dem grünen Strom – wie wollen Sie hier Ihre Kapazitäten erweitern?
Strom wird immer wichtiger werden, wir investieren in Photovoltaik, Wind und Wasserkraft. Da stoßen wir an natürliche Grenzen, auf Widerstand in der Bevölkerung oder auch Regulatorien. Das Thema Dekarbonisierung ist auch für die Industrie entscheidend und dazu benötigen wir erneuerbare Energien. Die Welt wird noch viel elektrischer werden. Für diese Transformation müssen aber auch die Verfahren beschleunigt werden. Wir wollen ein krisensicherer Wirtschaftsstandort sein und das wird nur mit grünem Strom gelingen.
Wie hoch ist der Anteil an erneuerbaren Energien bei der Kelag Energie & Wärme?
Aktuell haben wir 67 Prozent erneuerbare Energie, bei Fernwärmenetzen über 90 Prozent. Wir haben für all unsere Fernwärmenetze einen klaren Plan, wie wir bis 2035 fossilfrei werden wollen. In Bad Gastein erarbeiten wir mit der JKU und der Gemeinde die richtige Ökologisierungslösung und nutzen dabei das Thermalwasser. In Pinkafeld stellen wir ebenso von Gas auf Biomasse um, mit Hilfe eines großen Industriebetriebs und der Stadt. In Spittal an der Drau werden wir die Molkerei ökologisieren. In Villach haben wir vor wenigen Wochen einen Biomassekessel in Betrieb genommen.


Welche Anreize erwarten Sie von der Politik, damit der Ausstieg aus fossiler Energie und die grüne Transformation gelingt?
Wir brauchen ein politisches Bekenntnis und eine Kompetenz, um Entscheidungen zu treffen, für langfristige Lösungen – damit wir nicht laufend am System scheitern. Da würde ich mir ein Ministerium oder ein Institut für Klimawende wünschen. Die Dekarbonisierung ist natürlich vor allem für die energieintensive Industrie eine Riesenherausforderung. Die Budgets müssen kontinuierlich geplant und auf die einzelnen Gewerke abgestimmt werden – wir brauchen Berechenbarkeit, auch für unsere Kund:innen. Klimaschutzmaßnahmen müssen sich auszahlen. Nur verlässliche Rahmenbedingungen ermöglichen Investitionen.
Wie werden Sie Ihre Vorreiterrolle in puncto Nutzung von Abwärme aus der Industrie weiter ausbauen?
Da sind wir laufend dabei. Wir versorgen bereits mit der Abwärme der Voest Wohnungen der WAG und der Giwog, das funktioniert hervorragend. Wir nützen eine Kläranlage in Spittal, aus dem Klärgas machen wir Strom und Wärme und versorgen damit zehn Prozent der Wohnungen. In der Industrie gibt es bezüglich Abwärme ein großes Potenzial auf einem Temperaturniveau bis zu 40 Grad. Mit der Wärmepumpe können wir die Temperatur erhöhen und Wohnungen beheizen. Für viele Themen könnten wir Anleihe aus der Vergangenheit nehmen. Bezüglich Stromversorgung: Der Wasserbau wurde bevorzugt, das sind intelligente und nachhaltige Lösungen. Heute brauchen diese Projekte zu lange.
Wie nahe sind Sie Ihrem Ziel, bis 2035 die Fernwärmenetze weitgehend frei von fossiler Energie zu haben?
Sehr nahe, 2035 werden wir 95 Prozent erreicht haben, die letzten fünf Prozent werden allerdings die schwierigsten werden.
Die Kelag Energie & Wärme GmbH
ist ein Tochterunternehmen der Kelag-Kärntner Elektrizitäts- Aktiengesellschaft. Das Unternehmen mit Sitz in Villach ist der größte österreichweit tätige Anbieter von Fernwärme auf der Basis von industrieller Abwärme und Biomasse. Aktuell werden 85 Fernwärmenetze und rund 900 Heizzentralen mit einem Wärmeabsatz von rund zwei Terawattstunden betrieben. www.kew.at
Eine der größten solarthermischen Anlagen Österreichs in Friesach wie auch das Fernwärmenetz Niklasdorf zeigen, dass es möglich ist, aus fossiler Energie auszusteigen und erneuerbare Energie zu nutzen – gibt es weitere Pläne?
In Niklasdorf nützen wir die Abwärme einer Müllverwertungsanlage zum Heizen von Wohnungen. Und ja, wir haben eine Vielzahl an Projekten, die es kleineren Städten ermöglichen, aus der fossilen Energie auszusteigen. Bei größeren Städten wie Wien wird es kniffliger.
Die Bestandssanierung als auch der Ausstieg aus fossiler Energieversorgung ist für Österreichs gemeinnützige Bauträger eine der größten Herausforderungen, welchen Rat haben Sie für die GBV?
Wir müssen den Bedarf senken – eine entscheidende Rolle im sozialen Wohnbau. Mieter:innenstrommodelle sind z. B. sehr gute Modelle, da gibt es großes Potenzial. Wir haben Projekte mit der „meine Heimat“ Villach, Vorstandsvorsitzender Helmut Kusternik ist diesbezüglich sehr engagiert. Die Wärmeversorgung spielt eine große Rolle in der Energiewende, ohne Ökologisierung der Wärme wird es keine Energiewende geben. Mit der Wärme muss man viel stärker ins Gebäude eingreifen. Die Tiefengeothermie ist ein Weg, den Wien jetzt versucht. Die GBV müssen auf intelligente und nachhaltige Lösungen setzen und sich von Kurzfristmaßnahmen verabschieden.