Einfach kompliziert

Die Haustechnik im Wohnbau wird immer komplexer und immer teurer. Ist der Plafond erreicht? Pilotprojekte zeigen Lösungen auf, sowohl in radikaler Reduktion als auch in technologischer Intelligenz.
MAIK NOVOTNY

Behaglichkeit, Komfort, Leistbarkeit, Flexibilität, Licht, Luft, Sonne: Die Wünsche und Anforderungen ans Wohnen sind vielfältig, manche permanent, manche sind Moden unterworfen. Kaum jemand dürfte jedoch bestreiten, dass diese Anforderungen eher mehr als weniger werden. Dies hat vor allem rechtliche Gründe, die wiederum klimatische Gründe haben, wie die OIB-Richtlinie 6 (Energieeinsparung und Wärmeschutz), die den Passivhausstandard bei neuen Wohnbauten vorschreibt, oder die seit der Wiener Bauordnungsnovelle 2020 geltende Solarpflicht. Wärmedämmung und Kühlung, Heizung und Lüftung, Warmwasserzu- und Abwasseraufbereitung sowie immer mehr elektronische Bauteile, um all diese Prozesse zu überwachen: Kaum ein Bereich des Bauens ist in den letzten Jahren so angeschwollen wie die Haustechnik.

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Nicht alle Bauträger sind darüber glücklich: Immer wieder muss aufwendig korrigiert und nachjustiert werden, die Bewohner geschult werden, Sensoren regelmäßig ersetzt werden. Muss das Wohnhaus wirklich mit immer mehr Technik vollgestopft werden, um den Anforderungen zu entsprechen? Oder sind nicht vielmehr bewährte, dauerhafte und einfach benutzbare Low-Tech-Lösungen das Modell der Zukunft? Dies ist nicht zuletzt eine Kostenfrage.

Laut einer Modellrechnung der GBV über einen Zeitraum von 35 Jahren ergibt sich ein Mehrkostenanteil von 100 Euro pro Quadratmeter Wohnnutzfläche und 300 Euro pro Wohnung und Jahr bei Passiv- und Niedrigenergiehäusern. Auch bei Abschöpfung aller Fördermittel ist so eine Kostenneutralität für die Bewohner nicht zu erreichen. Eine Studie der WKO ermittelte 2019 die größten Kostentreiber im Wohnbau: Der Passivhausstandard schlug mit 18 Prozent zu Buche, der Schallschutz im Massivbau mit 9,8 Prozent.

Übermaß an Komplexität

Doch welche Berechnungsmethoden führen eigentlich zu diesen Zahlen? „Meist werden nur Herstellungskosten herangezogen, die sich um maximal fünf Prozent erhöhen, wenn ein Gebäude energetisch höchst effizient erbaut wird“, sagte Architektin Ursula Schneider bei einer Diskussion der Architektenkammer im Jahr 2016. „Die Kosten in der Betriebsphase und die Auswirkungen auf die Umwelt, die auf volkswirtschaftlicher Ebene relevant sind, werden hier allerdings nicht berücksichtigt. Die Beurteilung der durch ein Gebäude erzeugten Kosten ist nur über dessen Lebenszyklus und gesamthaft möglich – primärenergetisch höchsteffiziente Gebäude verursachen unter dieser Betrachtung die geringsten Kosten.“

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Doch zuerst die Frage: Was genau ist nun High-Tech und Low-Tech? Antworten auf Letztes lieferte 2020 das Salzburger Kompetenzzentrum Bauforschung mit seinem Forschungsprojekt „Low- Tech – Bauen mit Hausverstand“. Dafür wurden 24 Experten – Bauträger, Baufirmen, Architekten und Haustechniker – zu ihren Erfahrungen befragt. Auch sie klagten über ein Übermaß an Komplexität, auch hier wurde die Gebäudetechnik mit 30 Prozent am meisten genannt, und auch die neun Landesgesetze mit zehn verschiedenen Energieausweisverordnungen in Österreich trügen nicht zur Erleichterung bei.

„Das gemeinsame Ziel aller gemeinnützigen Wohnbauträger ist die Schaffung von leistbarem Wohnraum. Die Ausgaben für Wartungs- und Instandhaltungskosten sind in den letzten Jahren stark gestiegen. Es braucht neue Gebäudekonzepte und die entsprechenden Rahmenbedingungen, die die Umsetzung robuster und wartungsarmer Gebäude auch zulassen“, so Christian Wintersteller, bis 2020 kaufmännischer Geschäftsführer der Gemeinnützigen Salzburger Wohnbaugesellschaft, GSWB.

Massivbau-Renaissance

Ein gebautes Beispiel für Low-Tech im Wohnbau ist die 2020 fertiggestellte Wohnanlage 2226 Graf in Dornbirn. Für die freifinanzierten acht Wohnungen adaptierten Baumschlager Eberle Architekten ihr vielbeachtetes Energiekonzept für das Bürohaus 2226 in Lustenau, das inzwischen als „2226-Bauweise“ in Serie geht…

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