„Die einzige Platte beim Modulbau ist die Bodenplatte“ – Axel Koschany (KZA) und Michael Lauer (ALHO) im Dialog Chancen der Wohnungswirtschaft mit der modularen Bauweise

Ist die Modulbauweise die Zukunft des Wohnungsbaus? Das Essener Büro Koschany + Zimmer Architekten KZA beschäftigt sich bereits seit einigen Jahren intensiv mit der Modulbauweise für den Wohnungsbau und sieht darin viele Vorteile – für die Wohnungswirtschaft, wie auch für Architekten. Mit ALHO als Partner hat KZA ein Baukasten-System entwickelt, mit dem individueller Wohnungsbau seriell-modular realisiert werden kann. Auch der prämierte Beitrag bei der Ausschreibung einer Rahmenvereinbarung im seriellen Bauen durch den GdW beruht auf -diesem Prinzip. „Wir brennen für die Idee, dass dem modularen Bauen ein nennenswerter Teil in der Zukunft des Wohnungsbaus gehört, weil er ganz andere Chancen bietet als das konventionelle Bauen und dieses sinnvoll ergänzt“, sagen Axel Koschany von KZA und Michael Lauer von ALHO. Welche? Davon lesen Sie im folgenden Gespräch, das Iris Darstein-Ebner für Wohnungswirtschaft-heute führte.

Wie schätzen Sie die aktuelle Wohnsituation in Deutschlands Städten ein und wie kam es dazu Wohnungsbau mit Modulen zu realisieren?

Michael Lauer: Durch den erhöhten Zuzug der Menschen vor allem in die Städte müssen in den kommenden 10 Jahren in Deutschland jährlich zwischen 350.000 und 400.000 neue Wohnungen geschaffen werden. Wir brauchen kostengünstigen Wohnraum für Alleinstehende, Familien, Gering- und Normalverdiener – und das schnell und in großer Zahl. Und schnell geht, was vorproduziert ist.

Axel Koschany: Nachverdichtung ist eine wesentliche Möglichkeit, neuen Wohnraum zu schaffen, der sich direkt in ein gewachsenes, urbanes Umfeld einfügt. Viele Wohnungsbaugesellschaften besitzen Grundstücke mit Siedlungs-Beständen aus den 1950er und 60er Jahren, die Raum für Nachverdichtung bieten. Das gilt auch für unseren gemeinsamen Bauherrn Vonovia. Gesucht war ein serielles Konzept, mit dem bundesweit schnell, kostengünstig und wiederholbar Wohngebäude auf diesen Grundstücken realisiert werden können. Schnell, um vor Ort die Zeit für die Beeinträchtigung die Anwohner so kurz wie möglich zu halten. So kamen wir auf das serielle Bauen.

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KZA und ALHO haben dann zusammen ein modulares Baukasten-System entwickelt, aus dem heraus nun überall in Deutschland ganz individuell auf den Standort und die Aufgabe zugeschnittene Wohnungsbauprojekte entstehen können. Dieses Konzept war auch Grundlage für Ihren gemeinsamen Beitrag zum GdW-Wettbewerb, bei dem Ihr Vorschlag mit acht weiteren als Sieger hervorging. Könnten Sie das Konzept kurz erläutern?

Axel Koschany: Eine Vorgabe lautete: „Entwickelt ein Konzept, das in der Fertigung ist wie Audi und im Einkauf wie Aldi“. Serielle, industrielle Produktion sollte die Vorteile Tempo und Qualität in der Herstellung und über die Verwendung vieler gleicher Bauteile – Schalter, Leuchten, Armaturen, Einbaumöbel – im Einkauf bessere Konditionen bringen.

Die zweite Vorgabe lautete, die heute im Wohnungsbau realisierten Flächen zu hinterfragen, denn auch der Flächenzuwachs der letzten Jahre hat die Baukosten steigen lassen.

Zu diesem Zeitpunkt waren wir mit ALHO noch gar nicht in Kontakt – aber gedanklich haben wir bereits „Module“ entwickelt. Als erste Konzeptskizzen vorlagen, kam die Industrie mit an den Tisch und mit ihr der Input der Hersteller in die Entwicklung. Mit 15 großen Unternehmen aus allen Bereichen des Bauens haben wir gesprochen. Die Modulbauindustrie war jedoch die einzige, die das bieten konnte, was der Bauherr in puncto Zeit, Geld und Qualität forderte. Weil man materialunabhängig bleiben wollte, führten wir Gespräche mit Holz-, Beton- und Stahlmodulherstellern. Bei Stahl ist ALHO führend. Stahlkonstruktionen ermöglichen uns, unsere Konzepte optimal umzusetzen. Als es um die Bewerbung für die Teilnahme am GdW-Wettbewerb ging, war uns daher klar, mit ALHO ins Rennen zu gehen.

Was bietet ALHO, was die anderen nicht bieten konnten?

Michael Lauer: Wir haben einfach das flexibelste System. Das ist vor allem dem Werkstoff Stahl geschuldet, der große Spannweiten bei gleichzeitig schlanken Querschnitten statisch überbrücken kann. Im Innenbereich eines Modulgebäudes sind alle Wände nichttragend, es gibt hier keine Zwangspunkte, und man ist sehr frei in der Grundrissgestaltung. Indem wir das Bauen in die Industriehalle verlegen, „zerschneiden“ wir das Gebäude in einzelne Module, die wir dann auf die Baustelle bringen und dort zum fertigen Gebäude montieren. Architekten müssen manchmal aber auch erst lernen, so industriell- modular zu denken.

Axel Koschany: Das stimmt. Der gesamte Prozess eines Projektes ist völlig anders als beim „klassischen“ Bauen. Ein großer Vorteil bei der Vorfertigung auf einer Werkstraße in der Halle sind die gleichbleibenden Bedingungen und die strenge Qualitätskontrolle. Die Ausführung der Module ist sehr präzise, die Toleranzen sind deutlich kleiner als im klassischen Massivbau. ALHO hat wie wir einen hohen Anspruch an gute Architektur. Zudem bietet das System des Unternehmens eine große Varianz. Unsere architektonische Idee von einer „Individualität in Serie“ ist daher mit dem Team von ALHO sehr gut umsetzbar.

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Wie genau funktioniert kreatives Bauen mit einem modularen Baukasten-System?

Axel Koschany: Die Ausgangsfrage bei der Entwicklung des Baukastens war: „Was ist das kleinste skalierbare Serien-Element?“ Unsere Antwort: ein Modul mit seinen Inhalten. Dafür gibt es aber einen ganzen Kanon von Modulen, eine Matrix, aus der ich Wohnungen individuell konfigurieren kann: beispielsweise ein Modul mit einem Wohnraum und einer Küche, eines mit einem Schlafzimmer und einem Bad, eines mit Kinderzimmer und Flur, und so weiter. Zuerst werden Wohnungsgrundrisse aus diesen Modulen heraus maßgeschneidert und dann in einer Gebäudefigur um die jeweilige Erschließung komponiert. So entstehen aus dem Wohnungsmix heraus die Gebäude.

Normalerweise arbeiten wir Architekten ja eher umgekehrt: Aus einer städtebaulichen Situation heraus, wird das Gebäude in seiner Kubatur konzipiert und mit daraus entwickelten Grundrissen versehen. Beim modularen Bauen, wie wir es betrachten, ist das eher anders herum: Es beginnt mit durchdachten Grundrissen – und die sind am Ende das Wichtigste für die späteren Bewohner. Dabei führen selbst identische Wohnungstypen auf Grund der immer unterschiedlichen Vorgaben so gut wie nie zu ein und derselben Kubatur.

Das Vorurteil einer „Tristesse in Serie“ oder die Sorge vor der „Platte 2.0“ sind aus unserer Sicht absolut unbegründet. Tatsächlich ist die einzige Platte bei der Modulbauweise die betonierte Bodenplatte. Es sei denn, die Gründung besteht aus Streifenfundamenten. Dann gibt es gar keine Platte. Aber im Ernst: Das Bauen mit Raummodulen ist eine Bauweise und kein Ausdruck städtebaulicher oder architektonischer Qualität! Es kommt darauf an, was man daraus macht…

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