Der Wert des Bestands

Der dramatische Rückgang der Baugenehmigungen 2023 deutet auf eine bevorstehende Baulücke hin, obwohl der Bedarf an Wohnraum – vor allem leistbarem Wohnraum – weiterhin besteht. Der Wert des Bestands muss neben dem Neubau wieder in den Vordergrund gerückt werden.
GISELA GARY

Bis zum Jahr 2030 sollen nach den Vorgaben der EU-Kommission alle Gebäude soweit saniert und gedämmt sein, dass sie mindestens der Effizienzklasse F (Energieverbrauch zwischen 160 und 200 kWh/m2) entsprechen. Auf Österreich umgelegt bedeutet diese Forderung, dass rund 30.000 Häuser saniert werden müssen. Drei Viertel aller heimischen Gebäude wurden 1990 errichtet – davon müssten rund 60 Prozent thermisch saniert werden.

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Mehr Geld für Sanierung 
Die Förderhöhe des Bundes für die thermische Sanierung der Gebäude wird damit verdreifacht. Im Ein- und Zweifamilienhaus wird die maximale Förderhöhe für eine umfassende Sanierung von derzeit 14.000 Euro auf 42.000 Euro angehoben. Im mehrgeschoßigen Wohnbau verdreifacht das Klimaschutzministerium die maximale Förderung von 100 Euro/ m² auf 300 Euro/m². Damit werden die 200 Mio. Euro aus dem Konjunkturpaket der Bundesregierung konkret umgesetzt.

Zahlen, die für Andreas Pfeiler, Geschäftsführer Fachverband Steine Keramik, alarmierend sind: „Wir wissen, was zu tun ist – nun ist die Politik gefordert, vor allem im mehrgeschoßigen Wohnbau braucht es Anreize, damit diese umfassenden Sanierungsaufgaben erledigt werden können.“ Auch das Wirtschaftsforschungsinstitut, Wifo, und das Institut für höhere Studien, IHS, schlagen ebenso längst Alarm: Der Baubereich benötigt dringend ein Konjunkturpaket, um mehr Aufträge zu generieren, da andernfalls Betriebe und Tausende von Arbeitsplätzen in Gefahr sind. Gleichzeitig drohen die Klimaziele zu scheitern, wenn nicht mehr Dynamik in die thermische Sanierung gebracht wird.

„2024 wird vermutlich noch anspruchsvoller als 2023, viele Menschen werden sich das Dach über dem Kopf nicht mehr leisten können. Um verstärkt den Wohnungsbausektor anzukurbeln, braucht es vor allem schnell umsetzbare Maßnahmen“, so Pfeiler. Ein kleiner Erfolg gelang den Baupakt- Partnern – Gewerkschaft Bau-Holz, Fachverband der Stein- und keramischen Industrie, Umweltschutzorganisation Global 2000 und Bundesinnung Bau – der Fördertopf für 2024 ist mit 1.250 Millionen Euro ausgestattet und die Förderhöhe des Bundes für die thermische Sanierung beim Ein- und Zweifamilienhaus wurde verdreifacht. Die Basis dafür lieferte das Fünf-Punkte- Programm der Baupakt-Partner unter dem Titel „Sanierungsturbo zünden!“.

Gebäudesanierung im Fokus

Ziel ist es, den Konjunkturmotor im Baugewerbe anzukurbeln und Österreich näher an die Klimaziele zu brinEnergen – ein Gewinn für Wirtschaft, Beschäftigung und Umwelt. „Um die Klimaziele zu erreichen, bedarf es jährlich einer Investition von mehr als acht Milliarden Euro in die Gebäudesanierung. Obwohl die Bundesregierung bereits einige der im Frühjahr 2023 von den Baupakt-Partnern vorgeschlagenen Maßnahmen in ihre Sanierungsinitiative ,Raus aus Öl und Gas‘ sowie den großzügiger dotierten ,Sanierungsbonus‘ integriert hat, erweisen sich die bisher umgesetzten Schritte als unzureichend“, so Pfeilers Fazit.

Vor allem für den mehrgeschoßigen Wohnbau braucht es Anreize, damit diese umfassenden Sanierungsaufgaben erledigt werden können.

Andreas Pfeiler
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Eine umfassende Sanierung kann schnell zwischen 65.000 und 100.000 Euro kosten. Der aktuelle Förderanteil von 14.000 Euro ist dafür ein zu schwacher Anreiz. Um die Sanierung auch für Privatpersonen erschwinglich zu machen, soll die Sanierungsförderung verdoppelt werden. Zudem soll für Sanierungswillige transparent sein, welcher Gesamtförderbetrag durch Landes- und Gemeindeförderung für ihr Vorhaben abrufbar ist. Die anhaltende hohe Inflation sowie die gegenwärtige Kredit- und Zinssituation stellen zusätzliche Hürden dar. Für viele ist eine umfassende Sanierung ohne Fremdkapital schwer realisierbar.

Energie sparen

Bei einem thermisch teil- oder vollsanierten Gebäude können nach Berechnungen der Arge Qualitätsgruppe Wärmedämmsysteme weit über 75 Prozent der Heizenergie eingespart werden – bei gleichzeitiger Verbesserung des Raumklimas, also der Wohnqualität. „All diese Eigenschaften könnten wir auf einen Schlag realisieren, indem wir unseren Häusern einen ,Pullover‘ überziehen. Eine Dämmung sorgt für mehr Wohlbefinden im Winter wie auch im Sommer“, ist auch Robert Schmid, Obmann des Fachverbands Stein- und keramische Industrie, überzeugt.


Das Fünf-Punkte-Programm der Baupakt-Partner

  1. Verdoppelung der Förderungsraten beim Sanierungsbonus für alle Sanierungsvorhaben: Die Förderung muss den deutlich gestiegenen Gesamtkosten der Sanierung entsprechen. Wie sich beim Heizkesseltausch gezeigt hat, ist eine erhöhte Förderrate entscheidend für Investitionsentscheidungen. Daher sollte die Förderung bei allen Förderstufen (Umfassende Sanierung, Teilsanierung etc.) verdoppelt werden.
  2. Erhöhung und Zweckwidmung der Wohnbauförderung: Zusätzlich zu den Beitragseinnahmen und Rückflüssen sollten jährlich 500 Mio. Euro für den Wohnungsneubau und die Sanierung bereitgestellt werden. Dadurch würden jährlich 1,1 Mrd. Euro zusätzlich in den Wohnungsneubau und die Sanierung fließen. Die Länder könnten damit zusätzlich günstige Wohnbaukredite und Sanierungskredite vergeben.
  3. Sanierungsbank: Gründung einer „Sanierungsbank“ und anderer Institutionen mit EUMitteln, um leistbare öffentliche Sanierungskredite vergeben zu können.
  4. One-Stop-Shop für alle Bundes-, Landes- und Gemeindesanierungsförderungen: Ansprechpartner: innen, die beraten, eine Vorausberechnung der möglichen Förderhöhe durchführen und dann die Anträge für Förderungen bei allen Gebietskörperschaften abwickeln.
  5. Sanierung öffentlicher Gebäude: Die Sanierung öffentlicherGebäude leistet einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele und zur langfristigen Senkung der Energiekosten. Daher benötigen wir einen raschen Sanierungsplan mit notwendigen budgetären Mitteln. Ergänzend zu den gestellten Forderungen hat der Baupakt-Partner Global 2000 anhand einer typischen Beispielsanierung einen Vergleich zwischen den Fördermöglichkeiten in den Bundesländern durchgeführt. Neben den Bundesförderungen existieren auch Förderangebote der Länder, die in Kombination mit den Bundesförderungen genutzt werden können. Die Ausgestaltung dieser Förderungen variiert erheblich, was einen Vergleich untereinander erschwert.

Entscheidend ist die Wahl der richtigen Dämmung. Am teuersten kommt meist die Dämmung der Fassade – allerdings wirkt sie auch am effizientesten, denn bis zu 50 Prozent des Wärmeverlusts tritt an ungedämmten Außenwänden auf. Die Dämmung der obersten Geschoßdecke liegt in der Kosten-Nutzen-Relation an der Spitze – bis zu einem Viertel der Heizkosten kann dadurch eingespart werden.

Die Dämmung von Kellerräumen ist relativ leicht zu bewerkstelligen, die mögliche Heizkostenersparnis ist trotzdem beachtlich. Beim Austausch der Fenster und Außentüren kann die thermische Sanierung gleich mit einem Facelifting für das Gebäude verknüpft werden. Auch hier können sich die Energiekosten in einem durchschnittlichen Haushalt um 700 bis 1.000 Euro pro Jahr verringern. Der alleinige Fenstertausch kann jedoch in manchen Fällen zu Schimmelproblemen führen – Fachleute empfehlen deshalb die Kombination mit einer Außenwanddämmung.

Beispielsweise die Forschungsplattform ReConstruct liefert eine Fülle an guten Vorschlägen für einen Weg in eine klimaneutrale Zukunft. „Wir müssen aufhören, in einzelnen Gebäuden zu denken, sondern hin zu Quartieren. Dazu braucht es Anreize für großflächige Sanierungen, die Quartierslösungen anstelle einer Vielzahl an Einzelmaßnahmen ermöglichen“, fasst Pfeiler zusammen, damit würde der Wert des Bestands auch wieder stärker in den Vordergrund rücken.

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