Denkmalschutz und Klimaschutz –(k)ein Spannungsfeld

Denkmalschutz und Klimaschutz sind Verbündete, auch wenn es nicht immer ganz einfach ist, beide unter einen Hut zu bekommen. Dass es sich in einem umgenutzten Baudenkmal ganz komfortabel und vor allem auch leistbar wohnen lässt, zeigt ein ehemaliger Spitalspavillon in Wien.
FRANZISKA LEEB

Seit hundert Jahren hat Österreich ein Denkmalschutzgesetz. Ein Segen für den historisch bedeutenden Gebäudebestand, ein Fluch für manche Investoren und Hausbesitzer, die sich dadurch eingeschränkt fühlen. Diese Ängste sind unbegründet, wenn man die Praxis der zeitgenössischen Denkmalpflege betrachtet. Man muss sozusagen nur rechtzeitig drauf schauen, wie man bekommt, was man will, sprich beizeiten das Gespräch mit dem Bundesdenkmalamt (BDA) suchen. „Am besten wendet man sich an das Bundesdenkmalamt, sobald erste Überlegungen eines Umbaus oder einer Sanierung angestellt werden“, appelliert Wolfgang Salcher, stellvertretender Leiter des Landeskonservatorats für Wien. „Wenn wir die Anforderungen verstehen, können wir früh den Möglichkeitsrahmen abstecken und erklären, wo die rote Linie ist.“ Die Kampagne „Denkmalschutz ist Klimaschutz“ im Vorjahr hatte zum Ziel, für die Vereinbarkeit der beiden Themen zu sensibilisieren – auch hausintern – und Partout-Haltungen auf beiden Seiten wegzubekommen.

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Keine Hexerei

Denkmalschutz = Klimaschutz 
Die Publikation „Standards Energieeffizienz am Baudenkmal“ des Bundesdenkmalamts liefert eine gute Orientierung für die Vorbereitung und die Umsetzung von thermischen Ertüchtigungen, die zum Fortbestand der Nutzung und zur Erhaltung des baulichen historischen Erbes in Österreich beitragen können. www.bda.gv.at

Dass baukulturelle Zielvorstellungen und speziell der Denkmalschutz gerne als Argument für nicht durchführbare Sanierungen herangezogen werden, bestätigt auch Robert Lechner vom Österreichischen Ökologie- Institut. Zu Unrecht, wie er meint, es gäbe genügend Beispiele, wie beides unter einen Hut zu bringen ist. „Bei Gebäuden mit Schutzstatus jeglicher Art ist in den meisten Fällen zumindest die Straßenfassade tabu, Dämmstoffe können bestenfalls auf der Innenwand angebracht werden. Aber auch in diesen Gebäuden ist die Verringerung des Energiebedarfs und die Versorgung mit erneuerbarer Energie keine Hexerei“, weiß Lechner.

Ins gleiche Horn stößt auch Walter Hüttler, er ist Experte für Energie- und Umwelttechnik und hat am HiBERatlas, Historic Building Energy Retrofit Atlas mitgearbeitet. Es stünden ausreichend Technologien und Know-how zur Verfügung und auch das BDA setzt sich mit dem Thema Energieeffizienz und erneuerbare Energieträger auseinander. „Zur Innendämmung gibt es mittlerweile verlässliche Systeme auf mineralischer Basis, die bei sorgfältiger bauphysikalischer Planung gut eingesetzt werden können.

Bei der Photovoltaik, die bis vor einigen Jahren noch ein schwieriges Thema im Denkmalschutz war, scheint ein Umdenken im Gang zu sein.“ Erst diesen Herbst wurde z. B. das Wiener Rathaus mit einer Photovoltaikanlage auf dem Dach ausgestattet.

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Rechtliche Hemmnisse

Die größten Schwierigkeiten sieht Robert Lechner in der Willensbildung unter den Mietern oder Eigentümern, „da treffen wir wohnrechtlich auf große Herausforderungen. Leider hat uns die jetzt vorgestellte Variante des Erneuerbare- Wärme-Gesetzes da keinen Millimeter weitergebracht.“

In der neuen Wiener Bauordnung begebe man sich auf eine steile Gratwanderung zwischen klimagerechter Sanierung und strenger Bestandswahrung. „Da gibt es auf der einen Seite Vereinfachungen für mehr Energieeffizienz, Begrünung und den Ausbau der Erneuerbaren im Bestandsbau, auf der anderen aber weitaus rigidere Vorgaben für die Bestanderhaltung.“ Man werde genau beobachten müssen, inwieweit das erweiterte Mandat für den Erhalt der Bausubstanz notwendige Entwicklungen der Stadt in Richtung Klimaneutralität und damit Zukunftsfähigkeit verhindere, so Lechner. Klar sei, dass man beides irgendwie hinkriegen müsse.

Wohnen im Spitalspavillon

Resultat einer sehr konstruktiven Zusammenarbeit zwischen Bauherren, Architekturbüro und BDA sind der Bettina- Stiftungspavillon und der Pavillon 4, letzte Reste des späthistoristischen Kaiserin-Elisabeth-Spitals im 15. Wiener Gemeindebezirk. Gemeinsam mit Runser/Prantl Architekten verwandelte die gemeinnützige Gesiba die aufgelassenen Spitalsbauten in ein Caritas- Pflegeheim sowie ein Wohnhaus samt einer Primärversorgungseinheit, das kürzlich an die Mieter übergeben wurde. Hier bestand die größte Herausforderung darin, innerhalb der historischen Struktur mit ihren tiefen schmalen Zimmern praktikable Grundrisse für leistbare Ein- bis Vier-Zimmer-Wohnungen auszutüfteln und zumindest im Dachgeschoß das Manko der Unmöglichkeit von Balkonen wettzumachen.

Die ehemalige Kapelle steht als Gemeinschaftsraum zur Verfügung.

Hier entstand eine Gemeinschaftsterrasse über dem im Zuge einer früheren Sanierung überbauten Hof. Es gelang auch, für die Wohnungen im neu ausgebauten Dach private Loggien und Terrassen zu schaffen – deren wichtigste Eigenschaft es ist, nach außen kaum in Erscheinung zu treten. Das bestehende Dachgespärre gab die Lage der Wohnungstrennwände vor, in den Geschoßen darunter bestimmten die Fensterachsen die Zimmergrößen. Ein Prunkstück ist die ehemalige Kapelle im Erdgeschoß mit originalem Zementfliesenboden, Stuckdecke und Buntglasfenstern, die nun als wahrlich prächtiger Gemeinschaftsraum nutzbar gemacht wird.

Historic Building Energy Retrofit Atlas 
Anhand von Best-Practice- Beispielen zeigt die internationale Datenbank HiBERatlas (Historic Building Energy Retrofit Atlas), wie historische Gebäude renoviert werden können, um ein hohes Maß an Energieeffizienz zu erreichen und gleichzeitig ihre historische Bedeutung zu respektieren und zu schützen. www.hiberatlas.com

Verständnis ist wichtig

Den Dreiklang verstehen – bewerten – handeln sei auf jeder Baustelle im Bestand zu beachten, plädiert Wolfgang Salcher. „Fehlt es am Verstehen, schleudert es alle.“ Die dazu notwendigen Befundungen bezahle das Bundesdenkmal zu einem hohen Prozentsatz sehr gerne. Sie liefern Fakten und Grundlagen, auf denen man aufbauen kann, tragen aber auch zum emotionalen Verständnis bei. Eigentümer begreifen oft erst dann, welchen Schatz sie besitzen. Kostenlos sind sowohl die Beratung durch die Fachleute des BDA als auch die Laboranalysen des Naturalwissenschaftlichen Labors des BDA im Wiener Arsenal, das sozusagen die „Blutbilder“ von Gebäuden erstellt. Jedenfalls werden die denkmalpflegerisch relevanten Kosten, die im allgemeinen Interesse liegen, vom BDA und dem Altstadterhaltungsfonds abgefedert.

Die Terrassen und neuen Fenster im Dachgeschoß fügten Runser/Prantl Architekten so ein, dass sie in der Ansicht nicht in Erscheinung treten.

„Das Kriterium der Wirtschaftlichkeit ist bei einem denkmalgeschützten Objekt nur bedingt anwendbar“, sagt Walter Hüttler, im Endeffekt geht es um die Frage, ob die geplanten Kosten – inklusive eventueller Mehrkosten aufgrund des Denkmalschutzes – im jeweiligen Nutzungs- und Finanzierungskonzept „darstellbar“ sind. „Somit ist auch nachvollziehbar, dass die Sanierung von denkmalgeschützten Objekten im Finanzierungsrahmen der Wohnungsgemeinnützigkeit eine besondere Herausforderung darstellt.“ Die Reduktion der Haustechnik auf das notwendige Minimum sei auch wegen der laufenden Kosten eine nützliche Sache. Fördergelder für die Sanierung gäbe es von Bund und Ländern prinzipiell genug, sind sich die Experten einig.

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