Danfoss – Nahwärmenetz im ländlichen Raum

Sozialverträglicher Klimaschutz, gepaart mit regionaler Wertschöpfung: In der Gemeinde Eurasburg bei Augsburg ist das mehr als nur Theorie. In enger Zusammenarbeit zwischen Kommunalpolitik und lokalen Handwerksbetrieben wurde ein Nahwärmenetz realisiert, das heute schon 60 Gebäude über eine Hackschnitzel-Anlage versorgt und in vielen Fällen die alten Ölheizungen ersetzt. Danfoss lieferte die Übergabestationen sowie die Software zur Visualisierung und Steuerung des Netzes.

Das Projekt bayerisch-schwäbisch, die Netzlösungen dänisch, das Wetter zuweilen britisch: Wer im April vor dem Heizhaus am Ortsrand der 1.900-Einwohner-Kommune Eurasburg im Landkreis Aichach-Friedberg steht, muss auch mal einen spontanen Hagelschauer über sich ergehen lassen. Zumeist aber lacht der kleinen Dorfgemeinde die Sonne, und das nicht nur aufgrund der Witterung. Denn hier im Wittelsbacher Land nahe Augsburg ist in kürzester Zeit ein Nahwärmenetz auf Basis einer Hackschnitzel-Anlage entstanden, das als Musterlösung für die Wärmewende im ländlichen Raum gelten kann.

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Was in vielen Debatten bloße Theorie bleibt, die vielbeschworene Verbindung von Klimaschutz und regionaler Wertschöpfung, ist hier gelebte Realität: Verantwortlich für Planung, Errichtung und Betrieb des Netzes ist ein Heizungsbauer aus dem Nachbarort, als Brennstoff-Lieferant fungiert ein ortsansässiger Hackschnitzel-Produzent, das Holz stammt aus dem Gemeindeforst. Für überregionales Flair sorgen hier lediglich die heiztechnischen Lösungen – darunter Übergabestationen sowie Visualisierungs- und Steuerungssoftware von Danfoss –, und ja: das Wetter.

Heizhaus in der Gemeinde Eurasburg (Schwaben)

„Wir gehen auf Hackschnitzel“

Wie aber kommt ein bayerisch-schwäbisches Dorf dazu, in Zeiten des Wärmepumpen-Hypes auf Holzverbrennung zu setzen? Zunächst einmal wurde die lokale Wärmewende hier lange vor Beginn der aktuellen Debatten angestoßen. Als 2018 nach einer Heizungslösung für den Erweiterungsbau der Kindertagesstätte gesucht wurde, stand für die kommunalpolitischen Entscheidungsträger von vorneherein fest, dass nur eine Heizung auf Basis Erneuerbarer Energien in Frage kam. Die Wärmepumpe sei dabei „kein Thema“ gewesen, erinnert sich Bürgermeister Paul Reithmeir.

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„Im Gemeinderat ist vielmehr relativ schnell die Entscheidung gefallen: Wir gehen auf Hackschnitzel“. Ein Wärmenetz war zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht geplant – doch als das Vorhaben bekannt wurde, so Reithmeir, seien von Bürgerseite rasch die ersten Anfragen gekommen, „ob man sich an so eine Hackschnitzel-Heizung nicht anschließen könne“. Tatsächlich gab es auch in vielen Eurasburger Haushalten Bedarf an einer neuen Heizungslösung, da die bestehenden Ölheizungen in die Jahre gekommen waren und ausgetauscht werden mussten.

Gemeindefläche ist zu annähernd 60 Prozent von Wald bedeckt

So reifte schließlich die Idee, das Konzept zu erweitern und ein Nahwärmenetz mit zentraler Hackschnitzel-Anlage in Angriff zu nehmen. Ein Infoabend im Rathaus zeigte dann überdeutlich, dass sehr großes Interesse an der geplanten Dorfheizung bestand. Tatsächlich passte das Vorhaben sehr gut zu Eurasburg, dessen Gemeindefläche zu annähernd 60 Prozent von Wald bedeckt ist und dessen Forstwirtschaft das benötigte Brennmaterial auch auf lange Sicht automatisch liefern wird, ohne den Waldbestand zu beeinträchtigen.

„Der Rohstoff“, so Reithmeir, „kann uns eigentlich nie ausgehen“. Die Bedenken, ob es möglich sein könnte, die Bestandsgebäude des Ortes mit Wärmepumpen zu beheizen, waren demgegenüber weitaus größer.

Energieversorger hatte kein Interesse

Woher diese Bedenken rührten, erläutert Heiztechniker Michael Gail aus dem benachbarten Friedberg: „Die bestehenden Gebäude sind überwiegend recht alt und wurden nie saniert; sie haben veraltete Heizkörper, und es gibt oft weder eine Dämmung noch moderne Fenster. Hier kann man aktuell keine Wärmepumpen empfehlen – sie wären kaum wirtschaftlich zu betreiben, weil der Heizwärmebedarf zu hoch ist“.

Vom Eurasburger Gemeinderat als Heizungsexperte konsultiert, sprach sich deshalb auch Gail – dessen Firma schon mehrere biogasbasierte Wärmenetze realisiert hatte – für ein Nahwärmenetz auf Basis einer Hackschnitzel-Anlage aus. Dass er dieses Netz am Ende selbst errichten und betreiben würde, konnte er damals indes noch nicht ahnen. Denn die Gemeinde suchte – ein durchaus üblicher Schritt – zunächst die Kooperation mit einem überregionalen Energieversorger. Der aber fand das Projekt nur mäßig attraktiv und winkte schließlich, nach zähen Verhandlungen, Ende 2019 endgültig ab.

Umsetzung in lokaler Eigenregie

Der Eurasburger Gemeinderat dachte jedoch nicht daran, sein Wärmewende-Vorhaben aufzugeben und entschied sich für eine Lösung, wie sie in ähnlicher Form auch aus dem kommunalen Breitbandausbau bekannt ist: eine Umsetzung in lokaler Eigenregie. Michael Gail und seine Heizungsfirma erklärten sich bereit, das geplante Wärmenetz auf eigene Rechnung zu realisieren und zu betreiben und erhielten schon Anfang 2020 endgültig grünes Licht für das Vorhaben – unter der Bedingung, alle öffentlichen Gebäude der Gemeinde mit anzuschließen. Die Vorfinanzierung des Projekts gelang dann unter anderem mithilfe einer BAFA-Förderung für das Heizhaus mit Hackschnitzel-Anlage und einer KfW-Förderung für das Verteilnetz.

Rund ein Drittel der Projektkosten konnte so letztlich über Fördermittel gedeckt werden. Danach ging alles ganz schnell: Gemeinsam mit lokalen Planern und Bauunternehmern realisierte die Fa. Gail binnen weniger Monate das komplette Netz – von der Grundplanung über den Bau des Heizhauses und die Verlegung der Rohrleitungstrassen bis zur Installation der Übergabestationen bei den einzelnen Anschlussnehmern.

Mehrzweckhalle am Sportplatz, Grundschule und Heizhaus (von links nach rechts)

Im Zuge der Straßenöffnung für den Trassenbau verlegte die Heizungsfirma dabei gleich auch noch Glasfaser, wofür eigens eine Schulung durchlaufen wurde, sowie Modbus-Kabel für die IT-Anbindung der Übergabestationen. Schon Ende 2020 konnte dann der erste und mit etwa 300 kW Heizlast auch größte Abnehmer – die nahe dem Heizhaus gelegene Grundschule samt Mehrzweckhalle – über eine Direktleitung mit Wärme versorgt werden. Mitte 2021 waren die Rohrleitungen komplett verlegt und alle Netzanschlüsse vorhanden. Da manche Teilnehmer zunächst noch Restölmengen verheizten, wurden die Anschlüsse jedoch erst nach und nach aktiviert, bis Anfang 2023 alle Anschlussnehmer am Netz waren.

Für den Netzbetrieb wurde mit der MG Energie GmbH eine eigene Betreibergesellschaft gegründet, die mit allen Anschlussnehmern die zunächst auf 10 Jahre befristeten Abnahmeverträge schließt. Da allein schon die Hackschnitzel-Anlage auf eine Lebensdauer von 30 Jahren angelegt ist – die Trassen können mehr als 50 Jahre bestehen –, ist jedoch mit weitaus längeren Abnahmezeiträumen zu rechnen, zumal die Resonanz der Anschlussnehmer bisher durchweg positiv ist, wie Betreiber Gail und Bürgermeister Reithmeir einhellig betonen.

Brennwert-Kessel mit je 330 kW Leistung im Heizhaus in Eurasburg (Schwaben)

Aktuell versorgt das Eurasburger Nahwärmenetz insgesamt 60 Gebäude, darunter neben Grundschule und Mehrzweckhalle noch weitere Großabnehmer wie Feuerwache, Rathaus und Kindertagesstätte. Eine Erweiterung um 20 zusätzliche Anschlussnehmer ist bereits in Planung und kann auf Basis der bestehenden Hackschnitzel-Anlage im Heizhaus realisiert werden. Diese verfügt über eine Gesamtleistung von etwa 1 Megawatt, aufgeteilt auf drei Hackschnitzel-Kessel mit je 330 kW Leistung und Laufzeitabgleich sowie drei Pufferspeicher mit je 10.000 Liter Fassungsvermögen, die zu einem einzigen Speicher zusammengeschaltet sind und Bedarfsspitzen abfedern können.

Die Aufteilung auf drei Kessel plus Puffersystem stellt auch bei Ausfall eines der Kessel die Versorgung sicher – ein wichtiger Punkt, da die angeschlossenen Gebäude in der Regel über keine Notheizung verfügen. Die Auslastung der Anlage liegt aktuell bei etwa 70 Prozent, was komfortablen Spielraum für die geplante Erweiterung lässt. Für die Zukunft wird darüber hinaus noch über die Ergänzung durch eine Solaranlage nachgedacht.

Ein entscheidender Aspekt des Eurasburger Wärmenetzes

Die angeschlossenen Gebäude müssen keine speziellen Voraussetzungen in puncto Effizienzklasse erfüllen. Das gibt den Eigenheimbesitzern Zeit, energetische Sanierungen Schritt für Schritt und zu wirtschaftlich verträglichen Konditionen zu realisieren. „Wir können die Temperatur so gestalten, dass es auch für nichtsanierte Gebäude funktioniert“, unterstreicht Martin Gail, Juniorchef der Fa. Gail und der MG Energie.

An kalten Wintertagen fahren die Betreiber mit 85 bis 90 °C VLT (Vorlauftemperatur) in die Leitungen, bei komfortablerer Witterung genügen 75 bis 78°C – bei einem Nenndruck von jeweils 3 bar und einer Pumpenfördermenge von durchschnittlich 25 bis 30 m3/h (maximal wären bis zu 40 m3/h möglich). Der Nenndruck im Rücklauf beträgt 2 bar, der Differenzdruck somit 1 bar. Auffallend gut sind die Spreizungsparameter des Netzes: Die Rücklauftemperatur liegt im Schnitt nur bei etwa 48 bis 50°C, bei hoher VLT bei maximal 55°C. Transportverluste bereits eingerechnet, wird also eine Spreizung von etwa 30 Kelvin erreicht – ein hervorragender Wert, der eine exzellente Wärmeübergabe voraussetzt.

Danfoss Außendienst-Mitarbeiter Michael Ziegler erklärt dem Kunden und Netzbetreiber Martin Gail eine Danfoss Übergabestation.

„Ein Partner, auf den wir uns verlassen können“

Verantwortlich für diese Wärmeübergabe sind die Danfoss Übergabestationen, die von der Fa. Gail bei allen Wärmenetz-Teilnehmern installiert wurden und die Danfoss Außendienstler Michael Ziegler den lokalen Heizungsspezialisten erstmals vorgestellt hatte. „Im persönlichen Gespräch ist Vertrauen entstanden“, erinnert sich Michael Gail, „und uns war klar: Das ist ein Partner, auf den wir uns verlassen können“. Im weiteren Planungsverlauf wurden dann für alle Gebäude gemeinsam die passenden Stationslösungen ausgesucht.

„In Gebäuden mit bis zu 30 kW Heizlast sind Stationen vom Typ VXe solo im Einsatz, in größeren Gebäuden mit 30 bis 100 kW Heizlast DSA1 mini Stationen“, erläutert Ziegler. „Für Anschlussnehmer mit über 100 kW Heizlast schließlich haben wir individuelle, frei geplante Stationen realisiert.“ Hochwertige Microplate Wärmetauscher stellen in allen installierten Übergabestationen eine hocheffektive Wärmeübergabe sicher. Mithilfe selbstständiger Volumenstromregler mit integriertem Motorstellventil übernehmen die Stationen zudem auch den hydraulischen Abgleich des Netzes.

„Wir haben auch Stationen anderer Hersteller gesehen“, erläutert Juniorchef Martin Gail die Entscheidung zugunsten des dänischen Fernwärmespezialisten, „aber die Danfoss Stationen haben uns letztlich am besten gefallen. Sowohl die Stationen als auch die integrierten ECL Regler sind top.“

Um eine optimale Visualisierung und Steuerung des Netzes zu ermöglichen, wurden alle Übergabestationen über die verlegten Modbus-Kabel in die cloudbasierte Danfoss Steuerungssoftware Leanheat Monitor integriert. „Diese Software war ebenfalls einer der Gründe, warum wir uns für Danfoss entschieden haben“, so Martin Gail. „Denn es war mir wichtig, per Knopfdruck die Zähler- und Reglerdaten auslesen und Einstellungen vornehmen zu können“. Aufgrund der Cloudanbindung sei es darüber hinaus möglich, zu jeder Zeit und von jedem Ort auf die Übergabestationen zuzugreifen.

„Wenn beispielsweise ein Kunde anruft, weil es ein Problem gibt, kann ich einfach per Handy oder Tablet nachschauen, was nicht stimmt oder verändert werden muss. Und das vereinfacht die Arbeit wirklich.“ Da die Leanheat Software-Lizenzen sehr differenziert erweitert werden können, lässt sich auch die Einbindung weiterer Stationen kostengünstig realisieren. Darüber hinaus, ergänzt Michael Ziegler von Danfoss, könne der Anwender aus den gewonnen Daten Rückschlüsse auf Optimierungspotenziale ziehen. „Das Netz lässt sich dann einfach effizienter gestalten“.

Unabhängigkeit und regionale Wertschöpfung

Doch auch die beste Übergabestation und der effizienteste Netzbetrieb nutzen am Ende nur wenig, wenn die Wärmequelle ins Stocken kommt oder gar versiegt. Dafür, dass genau das nicht passiert, sorgt in Eurasburg der ortsansässige Hackschnitzellieferant Josef Bertele. Im Durchschnitt alle 14 Tage, in den kalten Wintermonaten etwa alle 7 bis 10 Tage befüllt er das Reservoir des Heizhauses mit rund 170 Schüttraummetern Hackschnitzel – eine Menge, die dem Brennwert von mehr als 14.000 Litern Heizöl entspricht. Das angelieferte Holz stammt überwiegend aus dem Eurasburger Forst, wobei Bertele Wert auf die Feststellung legt, dass für die Hackschnitzelproduktion nicht eigens Bäume geschlagen werden.

„Wir verwenden neben Abfällen der industriellen Holzverarbeitung nur Stumpf- und Wipfelholz, das erst gar nicht verarbeitet werden kann – sowie Schadholz, das ebenso unbrauchbar ist und oft zwingend aus dem Wald entfernt werden muss“. Da das Holz permanent nachwächst und im Zuge der Forstwirtschaft kontinuierlich Abfallprodukte entstehen, wird bei der Hackschnitzelverwertung letztlich eine regenerative Energiequelle angezapft, die keine Vergleiche scheuen muss.

Reservoir des Heizhauses mit rund 170 Schüttraummetern Hackschnitzel

Der CO2-Ausstoß des Verbrennungsprozesses liegt weit hinter dem fossiler Brennstoffe und ist nur geringfügig höher als die Emissionen, die beim Verrotten des Holzes im Wald entstehen.

In Eurasburg ist so letztlich eine Nahwärmelösung entstanden, die auf geradezu vorbildliche Weise echten Klimaschutz mit regionaler Wertschöpfung und sozialverträglicher Umsetzung verbindet und die Wärmewende so letzten Endes zur Win-Win-Situation für alle macht. „Der Hackschnitzellieferant von nebenan kann produzieren und liefern, die Straßenbaufirma kann die Fernwärmeleitungen legen, die Betreiberfirma ist ortsansässig und gut erreichbar“, fasst Martin Gail zusammen.

„Hier mussten nur die alten Ölheizungen raus“

Auf der Abnehmerseite wiederum, so betont Seniorchef Michael Gail, werde niemand durch kostspielige Sanierungsmaßnahmen überfordert: „Hier mussten nur die alten Ölheizungen raus“. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass auch andere bayerische Gemeinden mit vergleichbaren ländlichen Strukturen das Eurasburger Modell mit Interesse verfolgen und schon heute ähnliche Projekte in Planung haben. Martin Gail kann das sehr gut nachvollziehen: „Für die Entwicklung der Gemeinden ist das sehr interessant, weil die Wertschöpfung regional bleibt und das Ganze auch ein Stück weit Unabhängigkeit verspricht“.

Es hätte für uns nicht besser laufen können

In der Eurasburger Kommunalpolitik sieht man das genauso: „Es hätte für uns nicht besser laufen können“, zieht Bürgermeister Reithmeir ein zufriedenes Fazit, und er zeigt sich überzeugt: „Das ist die Zukunft“. Auch Martin Gail geht sicher davon aus, dass das Eurasburger Nahwärmenetz nicht das letzte sein wird, das sein Unternehmen realisiert – und der Partner für Übergabestationen und Steuerungssoftware steht ebenfalls schon fest: „Wir werden unser nächstes Wärmenetz definitiv mit Danfoss umsetzen“. Auch die kommenden bayerisch-schwäbischen Projekte werden somit eine dänische Prägung haben – und beim nächsten Heizhausbesuch dann hoffentlich mediterranes Wetter.

Quelle: Danfoss, Mónica Casas Gil,

www.danfoss.de

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