Bedingungslos umdenken

Mehr denn je ist die Bauwirtschaft mit massiven Kostenerhöhungen konfrontiert. Die Klimaschutzansprüche fordern eine Vielzahl an Investitionen, die von manchen als überzogen angesehen werden – andere wieder sehen diese als unabdingbar und keineswegs Kosten steigernd. Die Quadratur des Kreises liegt im bedingungslosen Umdenken, vom ersten Entwurf weg bis zum Lebensende eines Gebäudes, so das Fazit des 74. Symposiums „Die Zukunft des Wohnens“.
— GISELA GARY

Ökologisch und kostengünstig – womit bauen wir morgen?“ war das provokante Thema des 74. Symposiums „Die Zukunft des Wohnens“, welches mit hochkarätigen Vortragenden und Teilnehmern an einem Ort, der als Synonym für die rasanten Veränderungen in der Bauwirtschaft gilt: Die alte Wirtschaftsuniversität Wien aus den 70er-Jahren, die in Fachkreisen längst als Bauruine bezeichnet wird, der jegliche Umnutzung abgesprochen wird und die zudem aus einer Vielzahl an – aus heutiger, ökologischer Sicht – problematischen Baumaterialien besteht.

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Noch ist der Umgang mit dem Areal offen, wie Gastgeber Patrik Largler von der Bundesimmobiliengesellschaft berichtete, er betonte jedoch, dass die alte WU ein Bildungsstandort bleiben wird und bis 2030 soll es nach einem Architekturwettbewerb eine Neunutzung oder einen Neubau geben. Doch das „West“, so der „neue“ Name der alten Wirtschaftsuniversität wird in der Zeit ihrer „letzten Jahre“ längst wieder genutzt. Das Zwischennutzungs-Konzept stammt aus der Feder von art:phalanx, bereits ihr zweites Zwischennutzungs- Projekt nach dem Sophienspital.

4.000 Quadratmeter des Unigebäudes sind nun wieder belebt: „Mit Kunst und Kultur, Start-ups, Studios, Ateliers und auch Einzelunternehmer, die sich kein ganzes Büro leisten können oder wollen“, erläutert Katharina Reményi, Leiterin der Zwischennutzung West. Dass zukünftige Gebäude zu 100 Prozent recyclebar sein müssen, ist unbestritten, doch in den 70er-Jahren war dies noch kein Thema.

CO2-Vollbremsung notwendig

Die Bauwirtschaft darf sich nicht auf ein Material, eine Lösung reduzieren, sondern muss das große Ganze sehen: Wie kann man optimieren, reduzieren und einen besseren Kreislauf schaffen? Baukosten sind in die Höhe geschnellt, die Bauträger agieren im Zwiespalt von Ökologie und Kosten. Ist Ökologie ein Widerspruch zum geförderten Wohnbau? Wie verbrauchen wir weniger neues Material, und wie kann ich die vorhandenen Baustoffe optimieren?

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Fragen, die für Thomas Romm, forschen planen bauen ZT GmbH, Kreislaufwirtschafts- Experte und Gründer von Baukarussell, Alltag sind: „Wir müssen eine CO2-Vollbremsung machen – und diese müssen wir mit den Mitteln, die wir haben, schaffen.“ Er plädierte für drei Schwerpunkte: Optimieren, reduzieren und Kreislaufwirtschaft forcieren. Romm rüttelte die rund 100 Teilnehmer auf, er erinnerte daran, dass Experten wie der amerikanische Architekt Buckminster Fuller bereits vor 50 Jahren vor der Rohstoffknappheit und der Ressourcenbegrenzung warnten.

Er entwickelte eines der ersten Computerspiele „World Game“, bei dem man die Ressourcen und deren Verbrauch simulieren konnte. „Die OECD erhob den weltweiten Verbrauch, das Ergebnis ist erschütternd: Weltweit wird sich der Bedarf an Primärmaterial bis 2060 verdoppeln. Auch Sand und Schotter werden wir doppelt so viel benötigen.

Fazit: Die mineralischen Rohstoffe müssen CO2-neutral werden“, so Romm. Aktuell werden in Österreich nur sieben Prozent aller Materialien im Kreis geführt – europaweit nur zwölf Prozent. „In Österreich verwerten wir 30 Millionen Tonnen Aushub nicht“, so Romm.

Als Erfolgsbeispiel führte er den „Atlas Recycling“ an, in der Seestadt Aspern wurde aus 350 Kubikmeter Aushub vor Ort Ortbeton gemacht – mit der größten Ortbetonanlage Österreichs. Romm berichtete ebenso von erfolgreichen Forschungsprojekten wie dem CO2-reduzierten Beton, anstelle von Zement wurde Holzkohle verwendet. 11,5 Hektar pro Tag werden in Österreich bearbeitet, davon werden fünf Hektar versiegelt.

„Das ist eine Gefahr für unsere Böden, denn es geht um die CO2-Bindung im Boden. Wir versuchen aktuell bei einem Projekt mit der Sozialbau, die oberste Schicht abzutragen und für den Straßenunterbau oder die Landschaftsgestaltung zu verwenden“, so Romm. Als weiteres Best Practice berichtet er von dem Schweizer Start-up mit ihrer „Cleancrete Wand“, die sie aus gießbarem Lehm entwickelten, der 90 Prozent CO2-reduziert ist. Aus der Forschungsarbeit „KreislaufBauwirtschaft“ will Romm einen Gesetzesvorschlag erarbeiten, daraus sollte eine OIB-Richtlinie entstehen.

Knackpunkt Kreislaufwirtschaft

In der Diskussionsrunde wurden die zum Teil sehr unterschiedlichen Sichtweisen deutlich. Iva Kovacic von der TU Wien, Baupraktikerin und Architektin Senka Nikolic von der Schwarzatal, Architekt Gerhard Kopeinig, arch+more, und Baumeister Stephan Ruesch vom Bauunternehmen Sedlak waren sich nicht wirklich einig, was die Zukunft bringen wird…

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