Baugruppen – die Wohnform der Zukunft?

Karin Kieslinger

„Die zukünftigen Bewohner müssen nicht zwangsweise das Mühsal der gesamten Planung und Errichtung eines Gebäudes in Kauf nehmen.“

Weg vom Bauen hin zum Wohnen!

Vielerorts wird das Modell der Baugruppe umgesetzt. Die Initiative geht oft von der Stadt aus, die in Stadtentwicklungsgebieten Baugruppen-Grundstücke verortet. Erwartet wird eine besondere soziale Strahlkraft über das eigene Gebäude hinaus, die sich positiv auf das gesamte Quartier auswirkt.

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Oft geraten solche Projekte in Kritik, da sie aufgrund hoher Qualitäten entsprechend hohe Kosten hervorrufen, und somit nur einer relativ elitären Gruppe zugänglich sind. Auch die Zugänglichkeit ist durch lang andauernde Prozesse einer Gruppenbildung über die Suche eines Grundstücks samt Bauträger, bis über die Bauphase, ein komplexer und langwieriger Vorgang, dem nicht jeder gewachsen ist.

Als gemeinnütziger Bauträger versuchen wir, die Idee der Baugruppe aufzugreifen, gehen hier jedoch neue Wege. Aus unserer Sicht ist das Ziel jeder Baugruppe, gemeinschaftlich und in enger Nachbarschaft miteinander zu wohnen. Dafür müssen die zukünftigen Bewohner nicht zwangsweise das Mühsal der gesamten Planung und Errichtung eines Gebäudes in Kauf nehmen.

Unser Motto: weg vom Planen und Bauen hin zum Wohnen! Der Bauträger konzeptioniert die Gebäude mit Experten des gemeinschaftlichen Wohnens (Architekten, Soziologen, …) und bindet die Bewohner themenbezogen mit ein. Vor allem bei den Gemeinschaftseinrichtungen ist es uns ein Anliegen, dass sich die Bewohnerschaft einbringt. Die Wohnungen sollten nicht individuell durch die Bewohner selbst geplant werden, sodass die Grundrisse auch den Ansprüchen der Nachmieter gerecht werden.

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Das Gebäude bleibt im Eigentum des Bauträgers, der somit auch das wirtschaftliche Risiko trägt, und wird entweder an einzelne Bewohner direkt oder an einen Verein bzw. eine Genossenschaft, deren Mitglieder die zukünftigen Bewohner sind, vermietet. Somit legen wir den Schwerpunkt auf das gemeinschaftliche Wohnen nach Fertigstellung des Gebäudes, setzen die Bewohner keinem wirtschaftlichen Risiko aus und fördern eine Nachbarschaft, deren Teil man niederschwellig, kostengünstig und ohne enormen Zeitaufwand werden kann.

Karin Kieslinger hat Architektur studiert und ist Geschäftsführerin der EGW Erste gemeinnützige Wohnungsgesellschaft mbH

Micha Schober

„Eine Baugruppe ist eine Gemeinschaft, die sich weit über das Wohnen hinaus engagiert – selbstorganisiert und kooperativ.“

Bereitschaft für erhöhtes Engagement

Engagierte und hoch motivierte Menschen schließen sich zusammen, um selbstorganisiert selbstverwalteten Wohnraum zu schaffen, den sie selbst nutzen möchten. So manch ein gemeinnütziger Bauträger, der eine Baugruppe im Neubau mitgestaltet, fühlt sich an die Ursprünge der eigenen Geschichte als Siedlungsgenossenschaft erinnert.

Vor 100 Jahren, heute und auch morgen gilt: Engagement und Partizipation ist vielschichtig belebend für alle Beteiligten einer Baugruppe – zuerst in der Bauphase und später im ganzen Quartier. Plant die Stadt Wien eigene Bauplätze für Baugruppen in Stadtentwicklungsgebieten ein, bietet das Land Kärnten bereits eine eigene Förderung und das Land Vorarlberg offeriert seinen Bürgermeistern Fortbildungsunterlagen für die Entwicklung von Baugruppen.

Denn in ganz Österreich gilt: Menschen, die eine Bereitschaft für erhöhtes Engagement über das Grundbedürfnis Wohnen hinaus mitbringen, sind ein Innovationsmotor für das gesamte Umfeld. Baugruppen bringen im Regelfall mehr Themen als „bloß“ Wohnen (z. B. Ernährung, Mobilität, Energie, …) mit ins Quartier – und haben für ein nachhaltiges Bestehen als Ressourcengemeinschaft notwendige Strukturen bereits vor Bezug aufgebaut und etabliert…

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