Erst wenige Tage war die neue Regierung im Amt und schon präsentierte das 81. Symposium von WohnenPlus, in Kooperation mit Der Standard, eines der brisantesten Themen: Die Wohnbaukrise und die Suche nach Wegen zu leistbarem Wohnen. Dementsprechend überbucht und gespickt mit hitzigen Debatten verlief der Nachmittag im historischen Studio 3 des RadioKulturhauses.
— GISELA GARY


Das Architekturjuwel aus den 30er-Jahren, geplant von Clemens Holzmeister, wird zum Hotel und die oberen Stockwerke werden Wohnungen. Doch das 81. Symposium von WohnenPlus, in Kooperation mit Der Standard, fand noch im „alten“ RadioKulturhaus, im Studio 3, statt. Der Andrang zum Symposium war überwältigend, das Thema „Strategien aus der Wohnbaukrise – Wege zu leistbarem Wohnen“ traf offensichtlich den Nerv aller Bauschaffenden. Die Wohnbaukrise in Österreich spitzt sich zu. Nicht nur Bauträger sind auf der Suche nach praktikablen Strategien, um leistbares Wohnen zu ermöglichen.
Gabriel Felbermayr, Direktor des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung, präsentierte seine Visionen in seiner Keynote: „Die aktuelle Wirtschaftslage ist vor allem für die Bauwirtschaft eine massive Herausforderung, die sehr hohe Inflation wirkt sich natürlich ebenso auf die Wettbewerbsfähigkeit aus. Der prognostizierte rund sechs Milliarden hohe Konsolidierungsbedarf trägt seines dazu bei.“ Felbermayr ist davon überzeugt, dass es durch das Sparpaket ein weiteres Rezessionsjahr geben wird – umso mehr steigt die Bedeutung, den Wohnbau anzukurbeln: „Damit meine ich Anreize, die das Investieren forcieren. Die Situation am Bau verbessert sich langsam. Eine Dämpfung der Baukosten wird jedoch nur mit Deregulierungsmaßnahmen gelingen. Österreich benötigt zudem politische Leitplanken für die Wärmewende.“
Viele Fragen, seine Einschätzungen betreffend, wie auch eine spannende Diskussion folgten. Amila Širbegović, Referat für strategische Projekte und Internationales, MA 50, plädierte für ein Forcieren des geförderten Wohnbaus – als einzige Chance. Michael Gehbauer, Geschäftsführer wbv-gpa, betonte, dass die Finanzierungsfragen im Regierungsprogramm offengeblieben sind – eine große Unsicherheit für Bauträger: „Der Mietpreisdeckel bedeutet, dass der leistbare Wohnbau noch stärker unter Druck kommt.“


„Wir brauchen Anreize, die Investitionen forcieren.“
Gabriel Felbermayr, Direktor Wifo
Ein Stichwort für Martin Clemens Weber, Leiter Stabsstelle Immobilien der Erste Bank Österreich: „Natürlich, man hätte das auch anders regeln können wie z. B. mit einem Bonus-Malus- System, das auf Hauseigentümer:innen sanften Druck ausübt. Aber ab 2028 zwingt die EU-Gebäuderichtlinie alle zum Sanieren – und das wird ohne Geld nicht gelingen.“
Für den Präsidenten der Bundeskammer der Ziviltechniker:innen, Daniel Fügenschuh, zeigt das Regierungsprogramm kaum Innovationen: „Das 2,5-Hektar-Bodenziel stand bereits im alten Programm – und nichts ist passiert, ebenso der Plan, pro Jahr drei Prozent zu sanieren oder das Thema Baulandmobilisierung.“


„Es ist 5 vor 12“
Einig waren sich Josef Muchitsch und Gerald Gollenz darin, dass es 5 vor 12 ist und nicht mehr viel Zeit ist für rasch wirkende Maßnahmen. Der Mietpreisdeckel stand im Zentrum der politischen Debatte, die Kritikpunkte waren jedoch unterschiedlich. Während Josef Muchitsch diesen für die Mieter: innen positiv findet, räumte er zugleich ein, dass der Föderalismus eine massive Bremse für rasch umgesetzte Bauprojekte ist.
Gerald Gollenz kann an der Mietpreisbremse nichts Gutes für die Wirtschaft finden: „Wir brauchen einen Turbo – der startet jedoch nicht, wenn den Eigentümer:innen Geld entzogen wird. Ebenso brauchen wir dringend Sanierungsmaßnahmen – Eigentümer:innen brauchen eine Plansicherheit und da hilft die Mietenbefristung.“ Beide betonen die dringende Notwendigkeit der Reduktion der Normen. Auch der Wunsch nach einem Bautenministerium wurde geäußert – „jetzt haben wir wenigsten das Thema Wohnen in einem Ministerium angesiedelt“, so Muchitsch. Dazu Gollenz: „Ja, aber es wird immer nur an Schräubchen gedreht und nicht am großen Ganzen.“
Um- vor Neubau
Amila Širbegović versuchte es positiv: „Zumindest ist die Initiative Housingfirst im Regierungsprogramm und auch das Thema Nachhaltigkeit mit den beiden Säulen Ökologie und Soziales. Die Befristung von Mietverträgen auf fünf Jahre hätte ich persönlich gerne draußen gehabt. Für die Sanierung brauchen wir sicher mehr Förderungen, Wohnen muss leistbar bleiben.“ Gehbauer meinte, den Wohnbedarf könne man nur mit dem Neubau lösen – die Sanierung ist sicher der Schlüssel für Nachhaltigkeit und Werterhaltung: „Aber aktuell können wir ja kaum Rücklagen bilden.“
Fügenschuh will lieber um- vor neu bauen. In puncto Ökologie setzt er sich für eine ehrliche, transparente und auf Lebenszyklus ausgerichtete CO₂-Berechnung ein. Aber auch der Leerstand wie auch Ausnahmen für den Bestand, müssen angegangen werden.
Felbermayr will die Leistbarkeit viel breiter sehen: „Inklusive Ökosystem und Finanzierung. Wenn die Nachfrage steigt, sinken die Mieten.“ Eine Idee, wie Österreich zu mehr Angebot kommt, hat er: „Eine Bodenwertsteuer, orientiert am Verkehrswert des Grundstücks, würde eine Senkung der Grunderwerbsteuer ermöglichen.“ Seine Idee führte zu einem Schlagabtausch mit dem Publikum.