Zukunftsfitte Lösungen

Die österreichische Zementindustrie tüftelt emsig am Einsatzpotenzial neuer klimafreundlicher Komposit-Zemente in der Baupraxis. Erste Praxisbeispiele mit dem CEM II/C zeigen: Er funktioniert, kostet nicht mehr und reduziert die CO²-Emissionen gewaltig – und die Bauherren sind begeistert.

Die österreichische wie auch die europäische Zementindustrie haben sich das ambitionierte Ziel gesetzt, bis 2050 die Klimaneutralität entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu erreichen. Baustoffe wie Zement spielen eine Schlüsselrolle für den Klimaund Umweltschutz. Die Vereinigung der Österreichischen Zementindustrie, VÖZ, entwickelte gemeinsam mit der Smart Minerals GmbH die CEM II/C-Zemente. Im Zentrum standen dabei die industrielle Herstellung sowie die praktische Anwendbarkeit von Zementen mit deutlich geringeren Klinkergehalten. „Mit unseren CEM II/CZementen tragen wir entscheidend zur Dekarbonisierung der gesamten Wertschöpfungskette des Bauens und zur Erreichung der Klimaziele bei“, ist Stefan Krispel, Geschäftsführer der Smart Minerals GmbH, überzeugt.

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Ein wesentlicher Faktor ist die Sicherstellung der Leistungsfähigkeit der neuen Zemente sowie die Festigkeitsentwicklung der damit hergestellten Betone. Dabei geht es aber ebenso um die Optimierung der Mahlprozesse einzelner Zementbestandteile, die Verarbeitbarkeit des Frischbetons, Erstarrungsverhalten wie auch die Dauerhaftigkeit der Bauwerke.

Bei einer Reduktion des Klinkerfaktors von derzeit 69,6 auf 50 Prozent spricht Krispel von einer Einsparung der CO₂-Emissionen von 790.000 Tonnen pro Jahr. Alpacem, Baumit, Leube, Holcim und Rohrdorfer bieten bereits CEM II/C-Zemente am Markt an. Die 15 Zemente verfügen über eine Bautechnische Zulassung (BTZ) des Österreichischen Instituts für Bautechnik (OIB). Für diese Zulassungen wurden in einem mehrjährigen, seitens der FFG geförderten Branchenforschungsvorhaben umfangreiche Untersuchungen und Nachweise mit Schwerpunkt auf die Dauerhaftigkeit durchgeführt.

Praxistauglich und kostengünstig

Der gemeinnützige Bauträger Salzburg Wohnbau steht für kreislauffähiges Bauen. Roland Wernik, Geschäftsführer Salzburg Wohnbau, setzte bereits früh auf Recycling und zukunftsfitte Lösungen. Da kam dem innovativen Bauträger aus Salzburgs das Konzept des CEM II/C gerade recht, um den klimafreundlichen Zement in Kombination mit Recyclingbeton anzuwenden.

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Prokurist Thomas Maierhofer von der Salzburg Wohnbau beschreibt den Prozess: „Neun von zehn verfügbaren Grundstücken sind mittlerweile bebaut. Die Altgebäude haben noch eine gewisse Leistungsfähigkeit – der Bestand dient uns als Rohstofflager. Wir starteten mit dem Projekt Volksschule Anif, einer hochmodernen Bildungseinrichtung geplant von gritsch.haselwanter architekten ZT, unserem ersten Kommunalbau, der mit Recyclingbeton nach dem Motto ,aus der alten Schule bauen wir eine neue Schule‘ errichtet wurde. Seitdem lautet unser Grundsatz: Wir halten alle Baumaterialien im Kreislauf – denn das macht uns unabhängiger.“

Bei der Volksschule Anif kamen 1.067 Kubikmeter Recyclingbeton zum Einsatz – insgesamt rund 32 Prozent des gesamten Ortbetons. Der Recyclinganteil des gelieferten Betons betrug laut Salzburg Wohnbau 38 Prozent, das stellt die maximale normative Beigabemenge dar.

Bei einem weiteren Schulbauprojekt, der Volksschule Adnet, einer Sanierung und Erweiterung mit größtmöglichem Bestandserhalt und in Hybridbauweise, geplant von Huber- Theissl Architekten, bezeichnet Maierhofer die Anwendung des Recyclingbetons bereits als Serienprodukt. Die Fertigstellung ist für 2025 geplant.

CO²-Emissionen reduziert

In Adnet ist die Verwendung von Leube GreenTech/Kombi Zement CEM II/C ein wesentlicher Teil des Bauprojekts. In Kombination mit dem Einsatz von Recyclingbeton können so die CO₂- Emissionen beim Bau um rund 35 Tonnen reduziert werden. Deisl-Beton stellt den Transportbeton in der nahe gelegenen Mischanlage Hallein her, Leube liefert dafür den „grünen Zement“.

Clemens Deisl, Geschäftsführer von Deisl-Beton, berichtet über die bisherigen Erfahrungen mit der Verarbeitung: „Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die innovativen Betone mit rezyklierten Gesteinskörnungen und CEM II/C alle Anforderungen und Kriterien der einschlägigen ÖNORMEN erfüllen und qualitativ gleichwertig zu den herkömmlichen Betonen sind. Durch Feinabstimmung der Betonzusammensetzung ließ sich zudem die Verarbeitbarkeit optimieren, sodass in der praktischen Anwendung der Betoneinbau wie gewohnt erfolgen kann.“

Leube-Geschäftsführer Heimo Berger freut sich über dieses richtungsweisende Schulprojekt in Adnet: „Die Nachfrage nach ökologischen Baustoffen steigt – und wir sind in Österreich der erste Zementhersteller, der die Zulassung für einen ‚grünen Zement‘ erhalten hat. Mit durchschnittlich 500 Kilogramm CO₂ pro Tonne zählen Zemente seit Jahren zu jenen mit den geringsten Kohlendioxid- Emissionen weltweit.“

Nach einer intensiven Entwicklungsphase und zahllosen Versuchsreihen konnten mit dem neuen CEM II/C von Leube die Emissionen nochmals um 25 Prozent reduziert werden. Und das in gleichbleibend hoher Qualität und Funktionalität. „Mit dieser signifikanten CO₂- Reduktion sind wir wegweisend bei nachhaltiger Architektur und ökologischem Bauen“, so Berger.

Die Volksschule Adnet, eine Sanierung und Erweiterung, wird mit CEM II/C und Recyclingbeton errichtet.

Und wie sieht es mit den Kosten aus? „All unsere Aktivitäten im Sinne der Kreislaufwirtschaft stehen unter dem Aspekt der Kostenneutralität. Damit liegen wir keinen Cent über den bisherigen, konventionellen Bauweisen, weder in Anif noch in Adnet“, so Maierhofer. „Die natürlichen Rohstoffe werden im Preis noch weiter steigen, sodass der Rückbau und die Gewinnung von Sekundärrohstoffen zunehmend attraktiver werden.“ Und schon ist das nächste Projekt mit Einsatz von CEM II/C im Entstehen: eine Wohnhausanlage in Golling mit 36 Wohneinheiten.

klimaaktiv-Gold-Zertifizierung

Ein weiteres Vorzeigeprojekt wird im Herbst 2024 fertig: Mit dem Schulkomplex Reininghaus, mit einer AHS mit 38 Klassen und mit 20 Klassen der Volksschule, entsteht in Graz der größte neu gebaute Schulkomplex seit Jahrzehnten. Die Volksschule wurde nach den Plänen von 3plus Architekten mit dem CEM II/C von Holcim gebaut, das Grazer Pilotprojekt in puncto klimafreundliche und nachhaltige Baustandards wird von der Stadt Graz als Bauherr errichtet.

Die Volksschule Reininghaus gilt als Schule der Zukunft, nachhaltig in der Errichtung und im Betrieb.

Die BIG lobte den EU-weiten Architekturwettbewerb dafür aus und verkaufte anschließend den Grund an die Stadt Graz. Alexander Passer von der TU Graz begleitet das Projekt und ist aktuell dabei, die CO₂- Emissionen-Ersparnis durch den Einsatz von CO₂-reduziertem Zement zu berechnen. Das IBO erstellte die Bauökologieberechnung. „Bereits in der Ausschreibung wurde die nachhaltige Bauweise verlangt. Die Baufirma Granit war sehr engagiert und bemüht, die Sichtbetonflächen perfekt herzustellen, es war allerdings auch für die Ausführenden eine Premiere, mit dem CEM II/C zu arbeiten“, erklärt Thomas Heil von 3plus Architekten.

Insgesamt wurden 4.500 Kubikmeter Beton verbaut, davon 1.600 Kubikmeter CEM II/C. Geheizt wird mit Fernwärme, die Photovoltaikanlage versorgt die Schule mit Strom. Das Gebäude erhielt eine klimaaktiv-Gold-Zertifizierung, mit 909 von 1.000 Punkten.

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