Zuhause im Fünf-Sterne-Dorf

Die Wohnanlage Maierhof in Bludenz der Wohnbauselbsthilfe Vorarlberg verbindet ländliche Struktur mit flächensparender Bebauungsdichte.
— MAIK NOVOTNY

Ein Knotenpunkt des alpinen Verkehrs war hier schon immer: „5-Täler-Stern“ nennt man das Tal östlich von Bludenz an der Stelle, wo es sich Richtung Arlberg und Montafon verzweigt. Autobahn, Landesstraße und Fernbahn schlingen sich durch- und übereinander. Von Abgeschiedenheit ist hier eher nicht die Rede. Doch die ländliche Stille ist nur ein paar Schritte entfernt – im sogenannten Brunnerfeld. Eine kleine Zufahrtsstraße, ein paar Kurven, dann steht man vor dem Satteldach des Zürcherhauses, das seit Jahrhunderten aus dem Talboden ragt, die ältesten Mauern aus dem 13. Jahrhundert.

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Noch ein, zwei schmale Straßen und Winkel weiter, und man steht vor einem kleinen Dorfplatz. Mauer, Bank, Linde, alles dabei. Doch der Dorfplatz ist gerade drei Jahre alt, die Mauer aus Sichtbeton, die Linde noch zart und jung. Dahinter eine Fassade aus Holz: Die Wohnanlage Maierhof, fertiggestellt 2019.

Dorfanger mit Wildblumen

Ohne vom Individualverkehr belästigt zu werden, spaziert man weiter, quer über den Dorfplatz und hinein in den Dorfanger. Eine große grüne Wiese ohne Zäune, Hecken, Sichtschutz und überbordendes Freizeitzubehör wie die omnipräsenten Trampoline. Stattdessen diskrete Steifen mit Wildblumen, die die Grenze zwischen öffentlich und privat andeuten, und spielende Kinder ohne Grenzen. Alles hier ist eindeutig neu, aber die Typologie ist vertraut und instinktiv begreifbar.

Begonnen hatte alles mit einer Bebauungsstudie 2014, als ein Investor mit Vorliebe für schwierige Bauaufgaben das dreieckige, 8.500 Quadratmeter große Grundstück entdeckte. Die Vorteile: unverbaubare Wiese und Wald unmittelbar daneben, aber eine sensible, über Jahrhunderte gewachsene Nachbarschaft auf der anderen Seite.

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feld72, links Richard Scheich, plante das „Dorf“

Lebhafte Diskussion

Mit den Wiener Architekten feld72, dem gemeinnützigen Bauträger Vorarlberger Wohnbauselbsthilfe und der Stadt Bludenz wurden gemeinsam Parameter und Ziele diskutiert und definiert: Durchlässigkeit, Durchwegung, gemeinschaftliche Freiräume. Ein Partizipationsprozess mit den Anwohnern vor Ort diente dazu, die harmonische Einfügung eines neuen Wohnbaus in den Bestand zu erleichtern. „Es war eine lebhafte Diskussion im Gestaltungsbeirat“, erinnert sich Thorsten Diekmann, Abteilungsleiter der Stadtplanung Bludenz. „Wir haben dann deutlich gemacht, dass es kein anonymer Block wird, sondern eine Bereicherung.“ Und naturgemäß auch ein Beitrag zum flächensparenden Bauen in einer Region, wo noch immer das Einfamilienhaus dominiert.

Das Konzept, das sieht man, ist aufgegangen. Acht dreigeschoßige Baukörper, im Volumen am Zürcherhaus orientiert, alle unterschiedlich, alle zueinander gedreht und variiert, um ein typisch vorarlbergerisches Haufendorf zu simulieren. Quartiersplatz, Brunnen, Mauer und Anger als dorftypische Elemente. Die 67 Wohnungen von 37 bis 91 Quadratmeter – ein Drittel davon Eigentum, der Rest Miete und Mietkauf – sind alle mit Loggien ausgestattet. Die einheitliche Holzfassade sorgt für Ländle-Wiedererkennungswert, das Innere der Häuser ist eine Kombination aus Stahlbeton und Hybridbauweise. Der Innenhof – auch eine Besonderheit – wird gemeinsam von der Stadt und der Wohnbauselbsthilfe verwaltet. Ein echtes Stück öffentlicher Raum.

Anger für alle: Auf private Freiräume wurde zugunsten von Großzügigkeit verzichtet, die Wohnungen bekamen dafür Loggien

Kontext und Dichte

„Es war die große Frage, wie man den Kontext und die hohe Dichte unter ein Dach bringt“, erklärt Architekt Richard Scheich von feld72. „Die Idee war, Nähe und Weite zu schaffen zwischen den Häusern. Das impliziert die Form eines Dorfes – Gasse und Anger.“ Ein Vorteil, so Scheich, war, die Förderung des Landes Vorarlberg für den Holzbau. Das erlaubte auch spielerische Details, wie die Neuinterpretation von Faschen um die Fenster – eben in Holz, anstatt in Putz…

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