Wohnquartier Kunstwerkerschule Essen – Für Generationen geplant

In Essen-Bergerhausen soll ein zukunftsfähiges Wohnquartier mit Pioniercharakter entstehen. Dafür soll die alte Kunstwerkerschule aus dem Jahr 1916 behutsam saniert und um innovative Wohnbauten ergänzt werden. Das Designkonzept des Planungs- und Beratungsbüros Arup zeigt, wie kreislauffähiges und inklusives Bauen gelingen kann.

Die Transformation der Schule symbolisiert die Förderung des Gemeinwohls und dient als Motor für gesundheitsförderndes Leben. Das großzügige Gelände bietet Raum, städtische Zielsetzungen, insbesondere die Förderung alternativer Wohnformen und das Zusammenleben mehrerer Generationen, umzusetzen.

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Das Quartier als gebaute und gelebte Inklusion

Mit dem neuen Quartier wird Inklusion ganzheitlich umgesetzt. Das Konzept sieht bezahlbaren und barrierefreien Wohnraum für Menschen mit unterschiedlichem Unterstützungsbedarf vor. Es bietet dank seiner flexiblen Gebäudeplanung vielfältige Wohnformate: Wohnen auf Zeit, Leben und Wohnen in der Gemeinschaft, als Familie oder Paar, mit mehreren Generationen oder als Single. Gemeinsam genutzte Räume sollen zudem auch die nachbarschaftlichen Bindungen stärken.

Der Erhalt der ehemaligen Kunstwerkerschule und die Integration neuer Gebäude entsprechen dabei einem erweiterten Verständnis von Inklusion, bei dem das Bestehende nicht verdrängt wird, sondern durch die Ergänzung mit neuen Baustrukturen eine Aufwertung erfährt. Das „Alte“ wird nicht durch das „Neue“ ersetzt, sondern durchdacht um neue Gebäudeeinheiten ergänzt. Vorrangiges Ziel ist es, ein inklusives, innovatives und zukunftsorientiertes Wohnraumkonzept zu schaffen, das sowohl ökologisch wie ökonomisch nachhaltig ist.

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Auftraggeber des Konzeptes ist der Essener EMMA & WIR e.V., ein Verein, der sich auf Inklusion spezialisiert hat. Gefördert wird das Projekt von dem Aktion Mensch e.V., der für das Areal ein Kaufangebot eingereicht hat, um mit diesem Vorhaben in der Stadt Essen ein Zuhause mit Zukunft zu schaffen.

Kunstwerkerschule: ein machbares und tragfähiges Konzept

Die Stadt Essen hat sowohl signifikanten Bedarf an barrierefreiem Wohnraum für Menschen mit Unterstützungsbedarf als auch an Wohnungen für Menschen unterschiedlichen Alters mit geringen finanziellen Möglichkeiten und individuellen Bedürfnissen. Mit dem Leitbild der Inklusion zielt der Entwurf auf ein ausgewogenes Verhältnis von geförderten und frei finanzierten Wohnformen ab und stärkt mit seiner sozialen Mischung die Stadtgemeinschaft.

Mit dem neuen Wohnquartier entstehen auf einem Grundstück von rund 3.400 Quadratmeter insgesamt 14 Wohnungen für gemischte Wohnformen auf rund 1.350 Quadratmetern zuzüglich einer nachbarschaftlich nutzbaren Fläche mit etwa 450 Quadratmetern: ein zukunftsfähiger Ort für Begegnung, der Menschen und Gebäude verbindet.

Arup hat in Zusammenarbeit mit dem Essener Start-up Futur2K in einer Machbarkeitsstudie nachgewiesen, dass das Projekt ökologisch sinnvoll und ökonomisch tragfähig ist.

Das inklusives Wohnquartier Kunstwerkerschule kann als soziales und ökologisches Modellprojekt über die Essener Stadtgrenzen hinaus ein Zeichen für eine inklusive, resiliente und regenerative Quartiersentwicklung stehen. Bild: Arup

Bauen und Leben in Kreisläufen

Um dem Anspruch an ressourcenschonendes Bauen gerecht zu werden, wird auf das ADPT-Baukastensystem für kreislauffähige und adaptive Gebäude gesetzt, das von Futur2K und Arup gemeinsam entwickelt wurde.

Für zukunftsfähiges Leben müssen bestehende Ressourcen genutzt werden. Dies gelingt über die Prinzipien des zirkulären Bauens, die Wiederverwendung von Bauteilen vor Abriss stellen und somit über reduzierten Materialeinsatz CO2 und Abfall reduzieren.

Im Fokus des Konzepts steht die Revitalisierung und erneute Nutzung von Gebäudeteilen. Dieser Gedanke beginnt beim Erhalt der ehemaligen Kunstwerkerschule und setzt sich in den Erweiterungsbauten mittels zirkulärer Bauweise fort. Die Substanz der Kunstwerkerschule soll schonend saniert und energetisch ertüchtigt werden, das historische Gebäude bleibt dem neuen Quartier somit als zentraler Ort erhalten und wird um vier Wohngebäude erweitert. Für eine resiliente Stadtgestaltung ist für die Wohnungen ein vielfältiges Balkon- und Terrassensystem mit Gründächern sowie eine naturnahe Freiraumgestaltung vorgesehen.

Die Kunstwerkerschule Essen zeigt konkret, wie kreislauffähiges Bauen gelingen kann und schlägt eine enkeltaugliche Bauweise vor. Das Bestandsgebäude soll erhalten und die einzelnen Bauteile der Neubauten entsprechend individuellen Lebensphasen ausgetauscht und immer wieder erneuert werden können. So wird jedes Haus zu einem regenerativen Gebäude, das sich den Bedürfnissen der Bewohner anpasst und nie zu Abfall wird.

Bewusst sollen sich die flexiblen Neubauten der Topografie des Geländes anpassen, der Höhenausgleich erfolgt über das Staffeln der Gebäudeteile, deren Fundamente als geschraubte oder betonierte Einzelfundamente minimal in den Untergrund eingreifen. So kann auf großflächige Versiegelung verzichtet werden. Ebenso wird mit dem Konzept der wertvolle historische Baumbestand erhalten, was für Biodiversität und ein gesundes Mikroklima in der Stadt sorgt.

Für Menschen gemacht: flexibles Bauen mit System

Die Neubauten werden mit dem ADPT-Baukastensystem modular entworfen und für die Modulfertigung in Holzbauweise optimiert. Durch den Systembaukasten mit standardisierten Elementen ist sowohl eine Anpassung während der Konzeption als auch im bewohnten Zustand möglich. ADPT schafft eine flexible und bedürfnisorientierte Lösung, die den individuellen Anforderungen der Bewohner gerecht wird. Der innovative Ansatz ermöglicht es, Wohnraum z.B. durch flexible Grundrissänderungen an sich verändernde Bedürfnisse anzupassen und somit zu einem selbstbestimmten Leben der Bewohner beizutragen. Eine minimalinvasive Bauweise, die es ermöglicht, dass sich auch größere Gebäudestrukturen in natürliche Habitate einfügen.

„Das inklusive Wohnquartier Kunstwerkerschule bietet als soziales und ökologisches Modellprojekt die Möglichkeit, über die Stadtgrenzen hinaus ein Zeichen für eine inklusive, resiliente und regenerative Gegenwart zu setzen“, so Claudia Eissing-Kister, projektverantwortliche Architektin bei Arup.

Cinthia Buchheister 

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