Welche Einsparmöglichkeiten gibt es rund ums Gebäude?

Ein Beitrag zur Versachlichung von Dr. Franz Schröder und Simon Möller – der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, hatte unlängst vorgeschlagen, Vermieter von der Pflicht zu befreien, in ihren Wohnungen eine Mindesttemperatur von 20 Grad zu ermöglichen. Mit dieser Maßnahme sollte der drohenden Gasknappheit entgegengewirkt werden. In der darauffolgenden Diskussion erhitzten sich die Gemüter schneller als eine Gasheizung im Hochwinter. Deshalb sollen hier vorhandene Daten rund um das Heizverhalten der Bürgerinnen und Bürger differenzierter interpretiert werden, um die Debatte zu versachlichen.

Bereits im Jahr 2014 hatte der Messdienstleister BRUNATA-METRONA erstmals in einer Statistik 1 die Temperaturdaten von hunderttausenden Wohnungen aus dem ganzen Bundesgebiet ausgewertet. Diese – wie auch zwei Folgestatistiken 2, 3 aus dem Jahr 2018 – verdeutlichen, dass es kein gangbarer Weg ist, unterschiedslos jedem Wohnungsnutzer nahezulegen, seine Heizung sukzessive weiter zu drosseln. Das individuelle Heizverhalten hängt nämlich von vielen unterschiedlichen Faktoren ab.

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In der Mehrzahl der Mietwohnungen liegt die mittlere Raumtemperatur unter 20°C

Zunächst einmal ist es ein Irrglaube, dass in deutschen Mietwohnungen typische Raumtemperaturen über 20°C herrschen. In der Mehrzahl von etwa 20 Millionen Haushalten in Mehrfamiliengebäuden herrschen mittlere Raumtemperaturen von unter 20°C vor. Die Mehrheit der Mietenden geht bereits – teilweise auch notgedrungen finanziell – mit Heizenergie durchaus sparsam und vorbildlich um. Dies kann sicherlich als Erfolg der in Deutschland mittlerweile fest etablierten verbrauchsabhängigen Heizkostenabrechnung verbucht werden.

Über die Gesamtheit des Gebäudebestandes hinweg lässt sich sagen: je neuer das Gebäude, desto wärmer die durchschnittliche Raumtemperatur. Während in Altbauten mit einem Heizenergieeinsatz über 100 kWh/m2a oft sehr bewusst geheizt wird, scheinen Bewohnerinnen und Bewohner von Neubauten auf den ersten Blick ein weniger ausgeprägtes Energiebewusstsein zu haben. Dort stagniert der Heizenergieeinsatz fast immer über 50 kWh/m2a – auch wenn der Baustandard niedrigere Werte erwarten ließe.

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Temperaturveränderungen passieren sehr langsam oder gar nicht

Bei näherer Betrachtung zeigt sich: Der Hauptgrund für die ganzjährig höheren Temperaturen liegt im Gebäude selber. „Moderne Wohnungen speichern aufgrund der guten Isolation der Außenhülle viel Energie, das sorgt für ein sehr gleichmäßiges Temperaturniveau“, erklärt der Studienverantwortliche Dr. Franz Schröder, Data Scientist bei METRONA Union.

Echte Kälte- oder Kontrastwärmeerlebnisse kommen praktisch nicht mehr vor, Temperaturveränderungen passieren sehr langsam oder gar nicht. Um eine spürbare Abkühlung zu erreichen, muss sehr viel thermische Energie, die in Wänden und innerer Bausubstanz gespeichert ist, abgelüftet werden.“ Das führt dazu, dass die Bewohnenden gerne die Fenster gekippt lassen, um durch den Luftzug ein Gefühl von Frische zu bekommen. Dadurch wird unmerklich viel Energie zum Fenster hinaus entlassen.

Dabei handelt es sich um den sogenannten Rebound-Effekt. Im Bewusstsein, in einem energieeffizienten Gebäude zu leben, „gönnen“ sich die Bewohnenden längere Lüftungsphasen und verhindern so die möglichen Einsparungen mindestens teilweise. Für moderne Gebäudeklassen konnte die Studie – auch im Hochwinter – dauerhafte Fensteröffnungsraten von über 10% nachweisen.

Umgang mit Temperaturen auch Gewöhnungssache

In modernen Gebäuden steckt also das Potenzial, nicht die Garantie, für substanzielle Einsparungen. Schröder verweist darauf, dass es in Niedrigenergiegebäuden bei einem Komplettausfall der Heizungsanlage mehrere Tage dauert, bis die mittlere Gebäudetemperatur tatsächlich unter 20°C sinkt. Und noch ein weiterer Aspekt ist in diesem Zusammenhang wichtig, wie Simon Möller anmerkt. Der Soziologe der Ludwig-Maximilians- Universität in München untersucht, welche Faktoren das menschliche Heizverhalten beeinflussen.

Er betont: „Zu einem gewissen Grad ist der Umgang mit Temperaturen auch Gewöhnungssache. Die Temperaturpräferenzen sind zum Teil ‚gelernt‘. Das gilt zum Beispiel für den Wunsch, im Winter bei kalten Raumtemperaturen schlafen zu wollen und dafür Wärme aus einem gut gedämmten Gebäude hinauszulüften – eine energieintensive Routine, die aber für die Schlafqualität nicht unbedingt notwendig ist.“

Einer ist schon bei 18 Grad Wohnungstemperatur glücklich

Möller gibt zusätzlich zu bedenken: „In Mehrfamilienhäusern hat die Wirksamkeit eines Sparappells Grenzen, denn teilweise arbeiten die Mieter – unabsichtlich – sogar gegeneinander. Einer ist schon bei 18 Grad Wohnungstemperatur glücklich und muss unter Umständen gar nicht heizen, da seine Wohnung von der Nachbarin mitgewärmt wird…

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