Wege zur Transformation im Bestand

Um die Klimaziele zu erreichen, müssen wir einerseits die Energieeffizienz steigern und andererseits zu erneuerbaren Energiequellen wechseln. Dabei gilt es sicherzustellen, dass einkommensschwache Haushalte nicht durch steigende Energiekosten oder Mietpreise belastet werden, kulturelles Erbe bewahrt und die Öffentlichkeit sensibilisiert wird.
LINDA PEZZEI

Die Verbesserung der Gebäudedämmung und der Einsatz energieeffizienter Heizungs- und Kühlsysteme sind effektive Maßnahmen zur Reduzierung des Energieverbrauchs im Bestand. Die Integration erneuerbarer Energiequellen wie Solar- und Windenergie stellen dabei ebenso wirksame Ergänzungen dar wie die Umstellung auf kohlenstoffarme oder emissionsfreie Alternativen wie Wärmepumpen, Geothermie oder Elektroheizungen.

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Einen innovativen Beitrag zur bis 2040 angestrebten Energiewende soll künftig auch eine Energiegemeinschaft im Grätzl Miesbachgasse – Leopoldsgasse – Malzgasse – Obere Augartenstraße im 2. Wiener Bezirk leisten. Die Sozialbau AG arbeitet in diesem Zusammenhang an einer Kooperation mehrerer Liegenschaftseigentümer, um ein aus Erdwärmesonden, Photovoltaik und Wärmepumpen bestehendes sogenanntes Anergienetz zu errichten. „Klimaschutz und Sanierung sind mit Sicherheit kein Widerspruch. Die thermisch-energetische Sanierung der Wohnungsbestände ist vielmehr der wirksamste Hebel zur Dekarbonisierung des Wohngebäudebestands.

Anzusetzen gilt es bei der Zentralisierung der fossilen Einzelgasthermen, derer es allein in Wien noch rund 400.000 Stück gibt. Durch Errichtung einer Energiezentrale am Dach lässt sich die Wärmeversorgung bündeln und damit auf ein erneuerbares Energiesystem umstellen. Aus unserer Sicht ist darüber hinaus auch die Temperierung der Wohngebäude von zentraler Bedeutung für das Stadtklima und um der Problematik Urban Heat entgegenzuwirken“, ist Ernst Bach, Vorstandsvorsitzender und Direktor für Bestandsmanagement bei der Sozialbau AG, überzeugt.

Sanierung des Bestands mit Bauteilaktivierung in den Fassaden: Die Sozialbau AG verlegt zum Kühlen und Heizen Wasserschläuche. Foto: Sozialbau

Die Sozialbau AG verlegt derzeit in den Fassaden von Bestandsbauten – analog einer Fußbodenheizung – Wasserschläuche, die im Sommer mit einer PV-Anlage-betriebenen Wärmepumpe Wohnräume herabkühlt und die überschüssige Wärme aus der Fassade über Erdsonden abführt oder zwischenspeichert. Im Winter lässt sich der Heizaufwand dank der Wärmerückgewinnung über die Fassade um bis zu 25 Prozent reduzieren. Damit werden energiefressende Klimaanlagen überflüssig und die Kunden bekommen mehr Wohnkomfort zu niedrigeren Kosten.

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In Kapfenberg konnten der Bauträger Gem. Wohn- und Siedlungsgenossenschaft Ennstal reg. Gen.m.b.H Liezen und die Stadtwerke Kapfenberg gemeinsam mit Nussmüller Architekten hingegen im Rahmen des Demonstrationsprojekts des Forschungs- und Technologieprogramms „Haus der Zukunft“ erstmals in Österreich ein Mehrfamilienhaus mit einem eigens entwickelten, vorgefertigten Fassadensystem zum Plus-Energie-Gebäude sanieren.

Klimaschutz und Sanierung

Die Sanierung von Bestandsbauten spielt eine entscheidende Rolle für den Klimaschutz. Aufgrund von Vorschriften und spezieller erforderlicher Techniken kann die Ertüchtigung von historischen oder denkmalgeschützten Gebäuden eine besondere Herausforderung darstellen. Damit sich aber gerade diese Gebäude mit modernen Sanierungsansätzen energieeffizienter gestaltet lassen, bedarf es einer breiten Sensibilisierung der Öffentlichkeit, was die Vorteile angeht, um das Engagement für Klimaschutzmaßnahmen im Gebäudesektor weiter zu stärken. Eine ebenso große Rolle spielen finanzielle Anreize und öffentliche Förderungen.

Eckpunkte des Erneuerbaren-Wärme-Gesetz (EWG)
- Ab 2023: kaputte Öl- und Kohleheizungen dürfen nur noch durch klimafreundliche Heizsysteme ersetzt werden
- Ab 2025: Verbindliche Stilllegung von Ölheizungen, die älter als Baujahr 1980 sind
- Bis 2035: Stilllegung aller alten Kohle- und Ölheizungen
- Bis 2040: Stilllegung aller fossil betriebener Gasheizungen
- Für dezentral beheizte einzelne Nutzungseinheiten wie Wohnungen soll der Anschluss an ein klimafreundliches zentrales Wärmeversorgungssystem ermöglicht werden.

Die geförderte Sanierung eines Projekts im 15. Wiener Bezirk zeigt, wie ein 158 Jahre altes Gründerzeithaus auf eine zentrale Erdwärmeversorgung umgestellt werden kann. Vor der Sanierung wurde das von Trimmel Wall Architekten betreute Projekt in der Zwölfergasse mit Erdgas beheizt, nun sorgt eine Wärmepumpe inklusive Photovoltaik- Unterstützung für die Heizung und Kühlung. Um die Wohnungen über Fußbodenheizung mit Wärme zu versorgen, wurden im engen Innenhof mit einem Bohrgerät vier Erdwärmesonden mit 100 bis 150 Metern Tiefe gesetzt sowie erstmals in Wien zusätzlich notwendige Tiefenbohrungen im öffentlichen Gut ausgeführt.

Soziale Komponenten der Sanierung

Beim Thema Klimaschutz und Sanierung gilt es aber auch, soziale Aspekte zu berücksichtigen. Unter dem Motto „Klimadörfl“ möchten die Bewohner des Kahlenbergerdorfs so in einem neu gegründeten Verein gemeinsam den Umstieg von fossilen auf erneuerbare Energieträger zur Wärmeversorgung ihrer Gebäude schaffen. Zusammen mit den Gebäudeeigentümern wurden mit Expertenunterstützung der Transformationsfahrplan sowie ein Geschäftsund Organisationsmodell selbst entwickelt.

Mutiges Konzept: Ein Gründerzeithaus im 15. Bezirk in Wien wird saniert und zukunftsfit umgebaut – mit Geothermie. Abbildung: Trimmel Wall Architekten

Das Projekt ZxB will hingegen neue Wege zur Sanierung von Zinshäusern aufzeigen, die gleichermaßen die soziale wie die wirtschaftliche und ökologische Dimension miteinbeziehen. In zwei Demonstrationsprojekten wird derzeit getestet, welche Potenziale in der Verschränkung von Zinshaus und Baugruppe liegen. Das Ergebnis dieser experimentellen Entwicklung soll ein neuer Stadtbaustein sein, der in der Bestandsstadt als Innovator wirkt und ganzheitliche Sanierungen ermöglicht.

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