Wachstumschancengesetz – Wenige Chancen für Immobilienunterneh­men?!

von Prof. Dr. Oliver Middendorf und Mike Rickermann

Das Wachstumschancengesetz soll Unternehmen dabei helfen, die ökonomischen Folgen der Corona-Pandemie und des Ukrainekriegs sowie umfangreiche Herausforderungen wie Nachhaltigkeit, Digitalisierung und den demografischen Wandel zu bewältigen. Das Gesetz soll die Rahmenbedingungen für mehr Wachstum, Investitionen und Innovationen verbessern, ohne zusätzlichen Preisdruck zu erzeugen. Doch schafft es das? Insbesondere für Immobilienunternehmen wirken sich einige der Änderungen sogar nachteilig aus und lassen die Frage aufkommen, ob es sich in diesem Bereich eher um ein Wachstums“verhinderungs“gesetz handelt. Doch die Unternehmen der Immobilienbranche können vor dem Inkrafttreten des Gesetzes noch einiges tun, um unangenehme Auswirkungen zu mindern.

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Verschärfung beim steuerlichen Zinsausgabenabzug: Zinsschranke

Bereits jetzt werden die maximal für steuerliche Zwecke abzugsfähigen Zinsaufwendungen durch die Zinsschranke eingeschränkt: Soweit die Zinsaufwendungen den Zinsertrag übersteigen (sogenannter Nettozinsaufwand) ist dieser Nettozinsaufwand eines Betriebs grundsätzlich nur in Höhe von 30 Prozent des steuerlichen EBITDA abzugsfähig.

Von dieser Zinsausgabenbeschränkung gibt es jedoch drei Ausnahmen:

  • die Regelung einer Freigrenze von drei Millionen Euro
  • die sogenannte Stand-alone-Klausel
  • den sogenannten Eigenkapital-Quoten-Escape.

Das Wachstumschancengesetz schränkt sämtliche Ausnahmeregelungen erheblich ein, wodurch die Beschränkung des steuerlichen Zinsausgabenabzugs zum Regelfall wird. Bestehende Finanzierungsstrukturen sollten deshalb dringend überprüft werden.

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Freigrenze

Sofern der Nettozinsaufwand eines Betriebs die Freigrenze von drei Millionen Euro nicht übersteigt, ergibt sich keine Beschränkung des Zinsausgabenabzugs. Dies hat bisher in den allermeisten Fällen dazu geführt, dass sich – auch bedingt durch die Niedrigzinsphase – praktisch keine Zinsausgabenabzugsbeschränkung ergeben hat. Gerade in Immobilienkonzernen werden Objekte oftmals in separaten Gesellschaften (PropCo) gehalten. Bisher konnte grundsätzlich jede Gesellschaft die Freigrenze für ihren Betrieb beanspruchen.

Durch die Einführung einer sogenannten Anti-Fragmentierungsregelung sollen künftig mehrere PropCos einer Unternehmensgruppe in einen Betrieb zusammengefasst und die Freigrenze von drei Millionen Euro nur noch einmal gewährt werden. Dadurch wird die Begrenzung des steuerlichen Zinsabzugs im Immobilienkonzern zum Regelfall. 

Stand-Alone-Klausel

Die Beibehaltung des vollständigen Zinsausgabenabzugs nach der neugefassten sogenannten Stand-alone-Klausel dürfte in Immobilienstrukturen in der Regel kaum Bedeutung erlangen. Die Ausnahme greift bereits dann nicht, wenn (mindestens) ein Gesellschafter eine Beteiligung von mindestens 25 Prozent an der Gesellschaft hält, die den Zinsausgabenabzug beanspruchen möchte. Unter anderem auch typische Joint Venture Strukturen fallen damit beispielsweise in der Regel aus dem Anwendungsbereich dieser Ausnahmeregelung raus. 

Eigenkapital-Quoten-Escape

Eine Ausnahme von der Zinsausgabenabzugsbeschränkung kann sich für Betriebe ergeben, die zu einem Konzern gehören, sofern sie den sogenannten Eigenkapitalvergleich bestehen. Dies gelingt, wenn die Eigenkapitalquote des Betriebs nicht geringer als die Eigenkapitalquote des Konzerns ist, wobei eine Unterschreitung um bis zu zwei Prozentpunkte noch unschädlich ist.

Verschärfungen ergeben sich aus dem Wachstumschancengesetz beispielsweise daraus, dass der Betrieb – anders als bisher – tatsächlich in einem Konzernabschluss konsolidiert werden muss. Zudem ist für konzernzugehörige Kapitalgesellschaften – trotz Bestehens des Eigenkapitalvergleichs – nur der beschränkte Zinsausgabenabzug erlaubt, wenn die Voraussetzungen nach § 8a Abs. 3 KStG nicht erfüllt werden können (sogenannte schädliche Gesellschafter-Fremdfinanzierung).

Gleichzeitig zu den Beschränkungen der Ausnahmeregelungen werden die von der Zinsschranke erfassten Aufwendungen erweitert. Neben dem klassischen Zins sollen auch wirtschaftlich gleichwertige Aufwendungen (bspw. Bereitstellungszinsen) sowie sonstige Aufwendungen im Zusammenhang mit der Beschaffung von Fremdkapital (bspw. Kreditvermittlungsgebühren) im Rahmen der Ausgabenabzugsbeschränkung berücksichtigt werden. 

Neu ab 2024: Zinshöhenschranke

Mit der sogenannten Zinshöhenschranke soll ab dem 1. Januar 2024 eine neue Regelung geschaffen werden, die ebenfalls auf die Beschränkung des steuerlichen Zinsausgabenabzugs abzielt. In den Anwendungsbereich fallen insbesondere Geschäftsbeziehungen zwischen Konzernunternehmen, wobei Beteiligungsquoten von 25 Prozent oder mehr bereits ausreichend sind.

Grundsätzlich sollen, von individuellen Ausnahmefällen einmal abgesehen, zukünftig nur Zinssätze bis zu zwei Prozentpunkte über dem Basiszins gemäß § 247 BGB abziehbar sein. Aktuell beträgt dieser Basiszins 3,12 Prozent, sodass sich dadurch ein Höchstsatz in Höhe von 5,12 Prozent ergeben würde.

Darüber hinaus wird dem Steuerpflichtigen (Darlehensnehmer) die Möglichkeit eröffnet nachzuweisen, dass sowohl der Gläubiger (Darlehensgeber) als auch – im Falle von Unternehmensgruppen – die oberste Muttergesellschaft das Kapital bei sonst gleichen Umständen nur zu einem über dem Höchstsatz liegenden Zinssatz hätten erhalten können. Gelingt dieser Nachweis, dann ist als Höchstsatz dieser nachgewiesene Zinssatz anzuwenden, der im günstigsten Fall hätte erzielt werden können.

Die Einführung einer Zinshöhenschranke verschärft die steuerlichen Rahmenbedingungen für konzerninterne Finanzierungsbeziehungen in Deutschland weiter. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass auch Darlehen zwischen inländischen Gesellschaften einer Unternehmensgruppe erfasst werden.

Im Einzelfall werden Zinserträge in Deutschland somit voll versteuert, während Zinsaufwendungen nicht abgezogen werden können.

Insbesondere Finanzierungen über „substanzlose“ Joint-Venture-Gesellschaften oder über Zwischenholdings sollten vor diesem Hintergrund überprüft werden.

Neu ab 2024: Wegfall von Steuerbefreiungen bei der Grunderwerbsteuer

Ebenfalls zum 1.Januar 2024 treten wesentliche Teile des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) in Kraft. Durch das MoPeG wird bei (rechtsfähigen) Personengesellschaften der bisher geltende Begriff des Gesamthandsvermögens durch das originäre Gesellschaftsvermögen ersetzt. Damit ist – entsprechend der BGH-Rechtsprechung – gesellschaftsrechtlich zum Ausdruck gebracht, dass die Personengesellschaft selbst Trägerin der dem Gesellschaftsvermögen zugehörigen Rechte und Pflichten ist.

Da im Grunderwerbsteuerrecht vorgesehene Begünstigungen teilweise auf den Begriff des Gesamthandsvermögen abstellen, ist umstritten, ob das MoPeG Einfluss auf die Anwendbarkeit dieser grunderwerbsteuerlicher Befreiungsvorschriften hat. Dies gilt im Besonderen für die äußerst praxisrelevanten Vergünstigungsvorschriften der §§ 5, 6 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG). Diese erfassen insbesondere Grundstücksübertragungen von einem Gesellschafter auf eine Personengesellschaft bzw. von einer Personengesellschaft auf einen Gesellschafter.

Da die weiteren Entwicklungen in der Grunderwerbsteuer aktuell unklar sind, sollte von den Immobilienunternehmen überlegt werden, entsprechende ohnehin geplante Übertragungen noch in diesem Jahr vorzunehmen, um die Inanspruchnahme der Begünstigungsvorschriften zu sichern.

Verbesserte Abschreibungsbedingungen für Wohngebäude

Für Wohnzwecke dienende Gebäude, mit deren Herstellung in der Zeit vom 30. September 2023 bis 30. September 2029 begonnen wird, ist die Einführung einer degressiven AfA mit einem unveränderlichen Prozentsatz in Höhe von 6 Prozent vom jeweiligen Buchwert (Restwert) zur Förderung des Wohnungsbaus vorgesehen. Das gilt auch für im Jahr der Fertigstellung angeschaffte Wohngebäude, wenn die Anschaffung auf Grund eines in diesem Zeitraum rechtswirksam abgeschlossenen Vertrags erfolgt.

Fazit

Aus Sicht von Immobilienunternehmen sind die Reformvorschläge des Wachstumschancengesetzes insgesamt nicht zu begrüßen. Sowohl die beabsichtigte Anpassung der Zinsschranke bzw. die Einführung der Zinshöhenschranke wie auch der Wegfall der grunderwerbsteuerlichen Befreiungsvorschriften bei Übertragung von Grundbesitz von/auf Personengesellschaften sind für Immobilienunternehmen nachteilig.

Aufgrund des hohen Finanzbedarfs und der damit verbundenen hohen Fremdfinanzierung fällt der Zinsaufwand typischerweise hoch aus. Die in letzter Zeit stark ansteigenden Zinsen sind für Immobilienunternehmen ohnehin schon zur Belastung geworden. Durch das Wachstumschancengesetz besteht nun das Risiko, dass Immobilienunternehmen für Zinsaufwendungen der Betriebsausgabenabzug untersagt wird. Es bleibt zu hoffen, dass im weiteren Gesetzgebungsverfahren der Regierungsentwurf überarbeitet und die geplanten Verschärfungen noch etwas abgemildert werden.

Dennoch sollten insbesondere bestehende Finanzierungsstrukturen bereits jetzt analysiert werden sowie etwaige ohnehin geplante und nach dem Grunderwerbsteuergesetz begünstigte Grundstücksübertragungen noch in diesem Jahr umgesetzt werden.

Prof. Dr. Oliver Middendorf ist Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und seit 2011 Partner der Bielefelder Gesellschaft HLB Stückmann. Neben der Immobilienberatung gehören das Internationale Steuerrecht sowie Gestaltungs- und Transaktionsberatung zu seinen beruflichen Schwerpunkten. Zudem hält Middendorf Vorlesungen an der FH Bielefeld und der Universität Paderborn und setzt sich darüber hinaus für die Förderung junger Talente seiner Branche ein. Foto: Sandra Kreuzer

Mike Rickermann, Steuerberater und seit 2021 Partner der Bielefelder Kanzlei HLB Stückmann, ist insbesondere im Bereich der steuerlichen Beratung bei Immobilientransaktionen sowie in der gestaltenden Transaktions- und Reorganisationsberatung tätig. Zudem zählt die steuerliche Beratung von vermögensverwaltenden Gesellschaften, Privatpersonen und Family Offices zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten. Foto: Sandra Kreuzer

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