vdw zieht Bilanz – Dr. Susanne Schmitt: Der Absturz beim Neubau ist beispiellos!

Die sozialorientierte Wohnungswirtschaft in Niedersachsen und Bremen schwankt zwischen Hoffen und Bangen. „Der Druck auf die Wohnungsgenossenschaften und die kommunalen Wohnungsgesellschaften bleibt in vielerlei Hinsicht groß: beim Neubau bezahlbarer Wohnungen, bei der klimagerechten und sozialverträglichen Sanierung der Bestände, bei der Entwicklung lebenswerter Quartiere und beim Angebot generationengerechter Wohnangebote“, betonte Dr. Susanne Schmitt, Direktorin des Verbandes der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Niedersachsen Bremen (vdw), am Donnerstag in Hannover. 

„Wir erwarten nun von Bund, Ländern und Kommunen umgehend eine klare Schwerpunktsetzung fürs bezahlbare Wohnen, verbindliche kostensenkende Regeln für Neubau und Sanierung sowie eine stabile und zukunftsgerichtete Förderkulisse, die Haushalten mit kleinen und mittleren Einkommen zugutekommt.“

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Die Geschäftszahlen der 180 Mitgliedsunternehmen im vdw zeichnen ein differenziertes Bild: Während die Gesamtinvestitionen im Jahr 2024 deutlich auf knapp 1,3 (2023: 1,2) Milliarden Euro gestiegen sind, deutet sich für das laufende Jahr wieder ein spürbarer Rückgang auf ca. 1,1 Milliarden Euro ab. Die Fertigstellungszahlen bleiben weiter stark rückläufig. Dennoch schätzen die Unternehmen ihre Perspektiven ein wenig positiver ein als in den Vorjahren.

„Dieser zurückhaltende Optimismus stützt sich trotz der vielen Rückschläge der vergangenen Jahre auf die schlagzeilenträchtigen Ankündigungen von Bauturbo, Novellierungen und Investitionsoffensiven. Mal abwarten, was davon am Ende übrigbleibt“, sagte Dr. Schmitt.

Die Geschäftszahlen im Überblick:

Neubau

Ins Neubaugeschäft haben die vdw-Mitglieder im vergangenen Jahr 410 (2023: 463) Millionen Euro investiert; im laufenden Jahr wird nur noch mit rund 364,5 Millionen Euro gerechnet. Die vdw-Chefin hat noch eine andere Vergleichszahl: „2021 waren wir bei fast 700 Millionen Euro für den Neubau. Dieser Absturz ist beispiellos.“

Die Fertigstellungszahlen (Anzahl Wohneinheiten) der vdw-Mitglieder im Überblick:

                                               Niedersachsen                     Bremen                  gesamt
 
 
2022                                             2061                                   416                       2477
 
2023                                             1602                                   241                       1843
 
2024                                             1236                                   244                       1480
 
2025 (geplant)                              952                                   165                       1117
 

 

Auch die Zahl der mit öffentlicher Förderung errichteten Wohnungen durch vdw-Mitglieder ist weiter rückläufig. Die Unternehmen im Land Bremen haben 2024 104 (2023: 152) geförderte Wohnungen fertiggestellt, in Niedersachsen waren es 418 (616). „Hier haben sich unsere Erwartungen nicht erfüllt. Gleichwohl sind die Förderkonditionen durch Bremer Förderbank und NBank mittlerweile optimiert worden, so dass der öffentlich geförderte Wohnungsbau in Zukunft gestärkt werden sollte“, meinte Dr. Susanne Schmitt.

Wohnungsbestand

Weiterhin gilt: Das Land Bremen will bis 2038 CO2-neutral sein, Niedersachsen bis 2040. Die Wohnungswirtschaft muss daher massiv in die energetische Sanierung ihrer Wohnungsbestände investieren.

Dazu Dr. Schmitt: „Nur damit die Dimension dieser Aufgabe klar wird: Der mit Abstand größte Teil der rund 400.000 Wohnungen, die unsere Mitglieder managen, stammt von vor der Jahrtausendwende. Die Gebäude sind somit mindestens ein Vierteljahrhundert alt, wurden teilweise schon saniert und müssen aufgrund der jetzt geltenden Vorgaben erneut energetisch optimiert werden.“

Entsprechend lagen die Bestandsinvestitionen für Modernisierung und Instandhaltung im Geschäftsjahr 2024 bei knapp 890 (2023: 727) Millionen Euro – und damit auf Rekordniveau. Im laufenden Jahr deutet sich ein Rückgang auf 742 Millionen Euro an. „Die große Investitionsneigung ist nur eine Seite der Medaille“, schränkt die vdw-Verbandsdirektorin ein, „denn ein großer Teil der Aufwendungen ist nicht auf vermehrte Projekte, sondern auf immer höhere Baupreise sowie Qualitäts- und Anforderungsveränderungen zurückzuführen.“

(**Modernisierung: Verbesserung des Zustands der Mieträume // ***Instandhaltung: Erhalt bzw. Wiederherstellung des vertragsgemäßen Zustands der Mieträume)

Mieten

Die Mieten bleiben trotz eines spürbaren Anstiegs um rund 3,3 Prozent auf einem preisgünstigen Niveau. Im Durchschnitt liegt der Quadratmeterpreis im Verbandsgebiet bei 6,60 (2023: 6,39) Euro (nettokalt). In Niedersachsen sind es 6,60 (6,39) Euro/Quadratmeter, im Land Bremen 6,59 (6,39) Euro/Quadratmeter. Die Steigerungsrate liegt über der allgemeinen Inflation von 2,1 Prozent sowohl in Niedersachsen als auch im Land Bremen.

Gestiegen sind auch die Betriebskosten, die 2024 bei 1,97 (Niedersachsen) bzw. 2,13 (Bremen) Euro/Quadratmeter lagen (2023: 1,84 Euro/Quadratmeter in Niedersachsen; 1,86 Euro/Quadratmeter in Bremen).

Außerdem müssen die Mieter Heizkostenvorauszahlungen in Höhe von 1,84 (Niedersachsen) bzw.1,49 (Bremen) Euro/Quadratmeter leisten (2023: 1,74 Euro/Quadratmeter in Niedersachsen; 1,42 Euro/Quadratmeter in Bremen).

„Die allgemeine Entwicklung der Wohnkosten ist für viele Mieterhaushalte zweifellos belastend. Unsere Mitgliedsunternehmen wollen diesen Trend eindämmen. Deswegen werden weiterhin viele Neubaupläne zurückgestellt, um unsoziale Mieten von bis zu 20 Euro pro Quadratmeter zu vermeiden, und teure Luxussanierungen finden bei uns ohnehin nicht statt. Die Wohnungsunternehmen geben nach Modernisierungsmaßnahmen die investierten Kosten mit Augenmaß weiter. Niemand soll finanziell überfordert werden. Man muss indes bedenken, dass viele Wohnungen vor der Sanierung Mietpreise von fünf Euro pro Quadratmeter oder sogar weniger hatten“, betonte Dr. Susanne Schmitt.

Stimmungslage

Mit der Jahresstatistik wurde die Stimmungslage der vdw-Mitglieder erfragt. Die allgemeine Geschäftslage liegt bei einem Wert von 2,35 (Skala von 1=deutlich zunehmend bis 5=deutlich abnehmend / Vorjahrswert: 2,48), die Investitionserwartung im Neubau bei einem Wert von 2,87 (3,25) und im Bestand bei 2,33 (2,45).

Abgefragt wurden auch der Geschäftslage-Index (Wie beurteilen Sie die gegenwärtige Geschäftslage Ihres Unternehmens?) und der Geschäftserwartungs-Index (Wie wird sich Ihrer Einschätzung nach die Geschäftslage Ihres Unternehmens innerhalb der nächsten 2 bis 3 Jahre entwickeln?). Beide Indizes verzeichnen auf niedrigem Niveau eine leichte Aufwärtstendenz. Dr. Schmitt: „Eine Trendwende lässt sich daraus nicht ableiten. Die Branche verharrt zwischen Hoffen und Bangen.“

Bezahlbar – Sozial – Klimagerecht

Die Aufbruchstimmung der Jahre 2019 bis 2022 ist längst verpufft. Der Anspruch der sozialorientierten Wohnungsunternehmen im vdw-Verbandsgebiet, bezahlbaren und klimagerechten Wohnraum insbesondere für Haushalte mit kleinen und mittleren Einkommen zur Verfügung zu stellen, ist unter den gegebenen Bedingungen kaum noch aufrechtzuerhalten.  Zu sperrig sind die gesetzlichen und technischen Anforderungen, zu hoch sind die Baukosten, zu teuer ist das Bauland.

Um die Probleme am Wohnungsmarkt zu lösen, hat der vdw hat mit den Landesregierungen in Hannover und Bremen in den zurückliegenden Monaten an wichtigen Stellschrauben gedreht. Die mit fachlicher Unterstützung des vdw entstandene neue Niedersächsische Bauordnung hat bundesweit Vorbildcharakter. Und in Bremen hat die gemeinsame Arbeit am sogenannten „Bremer Weg“ begonnen, der ebenfalls Lösungen zur Senkung von Baukosten und zur Vereinfachung von Genehmigungsverfahren aufzeigen soll.

Was ist jetzt zu tun?

Förderung

Verbandsdirektorin Dr. Schmitt: „Wir benötigen in Niedersachsen eine neue Förderstruktur. Um Wohnungen nicht nur im unteren Mietpreissegment zu errichten, sondern in gleicher Weise das Angebot für die arbeitende Mitte auszuweiten, muss ein dritter Förderweg eingerichtet werden. Damit könnten neue Wohnungen zu einem geregelten Mietpreis von acht bis zwölf Euro pro Quadratmeter ermöglicht werden. Außerdem besteht mit der Investitionsoffensive des Landes (plus 200 Millionen Euro) die Chance, im bestehenden zweiten Förderweg einen Tilgungszuschuss für Investoren zu gewähren.“

Eine Wette auf die Zukunft

Übrigens: Seitens des Bundes sind von 2026 bis 2029 insgesamt 20 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau vorgesehen. Außerdem wird die Städtebauförderung im gleichen Zeitraum mit insgesamt rund 5,2 Milliarden Euro gestärkt. „Grundsätzlich gute Voraussetzungen für die Stärkung des Wohnungssektors. Aber noch ist dies alles eine Wette auf die Zukunft.“

Klimaschutz

Der vdw ist der Initiative „Praxispfad CO2-Reduktion im Gebäudesektor“ beigetreten, die auf die Reduktion von Treibhausgasen im Gebäudebereich fokussiert statt auf die Erreichung von Energieeffizienzvorgaben. „Mit diesem Paradigmenwechsel wird der Weg geebnet, überteuerte Maßnahmen an Gebäuden zu vermeiden und stattdessen die Klimaziele sozialverträglich zu erreichen“, betonte Dr. Schmitt. Um bei dieser Mammutaufgabe weder Vermieter noch Mieter finanziell zu überfordern, bedürfe es einer verlässlichen öffentlichen Förderung. „Das hat auch etwas mit Vertrauen zu tun.“

Bauen wieder einfacher machen

„Mehr Gebäudetyp E wagen!“ So lautet seit langem eine zentrale Forderung des vdw. „Wir müssen endlich einfach, effektiv und effizient bauen“, betonte Dr. Schmitt. Dafür müssen etablierte Baustandards z.B. beim Brandschutz, Schallschutz und der Barrierefreiheit sinnvoll und vor allem rechtssicher reduziert werden.

Abweichungen von DIN-Normen dürfen kein Mangel mehr sein. Zudem müssen für nachweislich mehrfach errichtete, baugleiche Gebäude Typengenehmigungen ermöglicht werden, um Genehmigungsprozesse zu beschleunigen. Außerdem fordert der vdw die Förderung von Holz und weiterer alternativer Baustoffe. Doch bislang ist der standardisierte Bau von Mehrfamilienhäusern in Deutschland hinter den hohen Erwartungen zurückgeblieben.

Dazu die Verbandsdirektorin: „Einige unserer Mitglieder haben Projekte realisiert und sind mit den erzielten Ergebnissen, sowie in bautechnischer als auch in betriebswirtschaftlicher Hinsicht, sehr zufrieden. Ich wünsche mir natürlich eine deutlich größere Anzahl von Neubauvorhaben dieser Art.“

Wohnkosten

Die Mieten in Deutschland – auch in Niedersachsen und Bremen – steigen. Daraus ergibt sich eines der gravierenden sozialen Probleme unserer Zeit. Haushalte mit kleinen und mittleren Einkommen sind besonders betroffen. Oft sind es Familien, Alleinerziehende, Senioren, Auszubildende und Studierende, die gerade in urbanen Bereichen keinen passenden Wohnraum mehr finden und zunehmend auf Transferleistungen angewiesen sind. Aber auch Haushalte aus der Mitte unserer Gesellschaft mit einem geregelten Einkommen, geraten angesichts hoher Wohnkosten an ihre finanziellen Grenzen.

Im Neubau, das haben die vergangenen Jahre gezeigt, ist dieses Dilemma nur noch mit öffentlicher Förderung zu lösen. Selbst die vdw-Mitgliedsunternehmen berichten, dass Mietpreise von mehr als 18 Euro pro Quadratmeter nötig wären, um die hohen Baukosten decken zu können – selbst wenn auf eine eigene Rendite verzichtet wird. Und mit der Miete ist es nicht getan. Zu den Wohnkosten gehören auch Abgaben für Steuern, Versicherungen, Energie und Müllabfuhr, auf die die Wohnungswirtschaft keinen Einfluss hat. „Nicht nur Vermieter, auch Bauwirtschaft, Energieversorger, Länder und Kommunen tragen dazu bei, dass Wohnen immer teurer wird“, sagte Dr. Susanne Schmitt.

Ausblick

Dr. Schmitt: „Wir haben vier zentrale Forderungen, um das soziale Wohnen wieder zu stärken:

  • Die Entwicklung des Wohnungsbestands muss in den politischen Fokus rücken. Es gibt ungenutzte Potenziale für mehr bezahlbaren Wohnraum z.B. in Dachgeschossen. Auch Nachverdichtungen und Ersatzneubauten können Quartiere aufwerten, neue Wohnqualitäten schaffen und bei der Erreichung der Klimaziele unterstützen. Eine gezielte Förderung ist unabdingbar.
  • Kommunales Bauland muss vordringlich und kostengünstig dem sozialen Wohnungsbau zur Verfügung gestellt werden. Auch die Innenentwicklung von Städten und Gemeinden kann mit innovativen Wohnangeboten gestärkt werden.
  • Bürokratische Hürden und zu hohe Standards fürs Bauen und Sanieren müssen konsequent abgebaut werden. Die Digitalisierung kann Genehmigungsprozesse beschleunigen, Planungsschleifen verhindern und für mehr Transparenz sorgen.
  • Steueranreize sind dringend erforderlich. Die Grunderwerbsteuer sollte auf 3,5 Prozent und der Mehrwertsteuersatz für preisgebundenen Wohnraum auf 7 Prozent abgesenkt werden.

Der vdw Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Niedersachsen Bremen vertritt die Interessen von 180 Wohnungsunternehmen. In ihren rund 400.000 Wohnungen leben fast eine Million Menschen. In Niedersachsen gehört jede fünfte Mietwohnung zum Bestand der vdw-Mitgliedsunternehmen, im Land Bremen liegt der Anteil sogar bei mehr als 40 Prozent. Die vdw-Mitgliedsunternehmen sind somit die wichtigsten Anbieter von Mietwohnungen in den beiden Ländern.

Carsten Ens

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