Unzulässigkeit der Klärung einer ortsüblichen Vergleichsmiete durch einen Sachverständigen

Orientierungssatz

Es ist nicht zulässig, vor einem Mieterhöhungsverlangen die ortsübliche Vergleichsmiete durch einen Sachverständigen im Wege des selbständigen Beweisverfahrens klären zu lassen. Es handelt sich nicht nur um eine gerichtlich zu entscheidende Rechtsfrage. Die Mieterseite darf zudem nicht mit den Kostenrisiken eines solchen Verfahrens belastet werden.

Tenor

Der Antrag des Antragstellers vom 14.12.2023 auf Einholung eines Gutachtens im selbständigen Beweisverfahren zur ortsüblichen Vergleichsmiete der von der Antragsgegnerin bewohnten Wohnung, […], 1. OG. Links, […] Hamburg wird insgesamt zurückgewiesen.

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Gründe

1 Der zulässige Antrag ist nicht begründet.

2 Gegenstand eines Gutachtens im selbständigen Beweisverfahren nach § 485 Abs. 2 ZPO kann der Zustand einer Person, der Zustand oder Wert einer Sache, die Ursache eines Personenschadens, Sachschadens oder Sachmangels und der Aufwand für die Beseitigung solcher Schäden und Mängel sein. Als vorweggenommene Beweisaufnahme dient sie wie jede Beweisaufnahme der Aufklärung von Tatsachen aber nicht der Beantwortung von Rechtsfragen (vgl. LG Hanau, Beschluss v. 26.10.2022 zum Az.: 3 T 123/22 bei juris; BGH NJW 2012, 227Rn. 9OLG Hamm NJW 2013, 2980).

3 Bei der Frage nach der Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete handelt es sich letztlich um eine Rechtsfrage, für die das Gericht zwar, soweit die weiteren formellen Voraussetzungen eines Erhöhungsverlangen in hinreichender Weise vorliegen, ein Gutachten in Bezug auf die Anknüpfungstatsachen einholt (vgl. BGH WuM 2023, 281). Es ist jedoch nicht zulässig, vor einem Mieterhöhungsverlangen die ortsübliche Vergleichsmiete durch einen Sachverständigen im Wege des selbständigen Beweisverfahrens klären zu lassen.

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4 Hierfür spricht im Übrigen auch, dass die Begründung eines Miet-erhöhungsverlangen Aufgabe der Vermieterseite ist. Insoweit kann sie nach § 558a Abs. 2 BGB auf den Mietenspiegel, eine Auskunft aus einer Mietdatenbank,  ein mit Gründen versehenes Gutachten eines öffentlich bestellten vereidigten Sachverständigen oder die entsprechenden Entgelte für einzelne vergleichbaren Wohnungen Bezug nehmen.

5 Bei dem hier als Begründung vorgesehenen Mittel eines Gutachtens eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen handelt es sich nicht um ein Gutachten, so wie es ein Gericht im Hinblick auf Anknüpfungstatsachen für die ortsübliche Vergleichsmiete einholt, sondern um ein deutlich weniger aufwendiges Gutachten, welches hinreichend Anknüpfungstatsachen benennt, ohne jedoch eine Art Mietenspiegel – bezogen auf die einzelne Wohnung – zu beinhalten. Es handelt sich um ein Parteigutachten, das der Gutachter auf Grund eines mit dem Vermieter oder dessen Vertreter abgeschlossenen Gutachter-auftrages erstellt hat. Daraus ergibt sich bereits der wesentliche Unterschied zum gerichtlichen Sachverständigengutachten, an das ganz andere Maßstäbe angelegt werden müssen. Das vorprozessuale Gutachten soll dem Mieter genauso wie die Bezugnahme auf den Mietspiegel oder sogar die Benennung von mindestens drei Vergleichswohnungen nur die Informationen liefern, die er benötigt, um die Berechtigung des Anspruchs des Vermieters zu überprüfen (Schmidt-Futterer/Börstinghaus, 16. Aufl. 2024, BGB § 558a Rn. 72). Bis zu dieser Prüfung trägt die Mieterseite auch keinerlei Kostenrisiko in Bezug auf die von der Vermieterseite gewählte Begründungsmöglichkeit.

6 Beim selbständigen Beweisverfahren wiederum sind die Kosten des Beweisverfahrens bei einem nachfolgenden Hauptprozess der unterliegenden Partei aufzuerlegen, § 493 Abs. 1 ZPO. Bei einem Gutachten, so wie es vorliegend begehrt wird, können dies ohne Weiteres auch Kosten von bis zur Höhe von 5.000,00 € sein, deren Umlagemöglichkeit auf die Mieterseite gesetzlich in keiner Weise angelegt ist, soweit es nur um die Begründung einer Mieterhöhungsmöglichkeit geht. Hiernach darf der Antragsteller als Vermieter nicht die ihm gesetzlich obliegende Verpflichtung der Mieterhöhungsbegründung im Wege des selbständigen Beweisverfahrens auf das Gericht abzuwälzen. Insoweit steht es dem Antragsteller nur frei, einen von ihm auszuwählenden Sachverständigen zu beauftragen. Dies entspräche auch der gesetzlich vorgegebenen Verfahrensweise. Nur wenn die Mieterin durch ein solches Gutachten nicht überzeugt werden sollte, bedarf es im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens der Einholung eines Sachverständigengutachtens mit den entsprechenden Kostenrisiken. Demgemäß steht die gesetzliche Regelung des § 558a BGB einer Klärung im Wege eines selbständigen Beweisverfahrens entgegen.

7 Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Streitwertfestsetzung folgt aus dem Interesse des Antragsstellers, so wie es in der Antragsschrift angegeben ist.

AG Hamburg, Beschluss vom 16. Januar 2024 – 49 H 3/23

Quelle: vnw, juris

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