Ressourcenschonender Leuchtstern

In der Käthe-Dorsch-Gasse in Wien-Penzing errichtet die WBV-GPA die sogenannten Wientalterrassen, die in sozialer, technischer und wirtschaftlicher Hinsicht auf den Parameter des Kreislaufprinzips aufbauen. In einem Jahr sollen die knapp 300 Wohnungen übergeben werden.
WOJCIECH CZAJA

Die junge Mathilde Birk hat, soweit sie zurückdenken kann, einen großen Traum: Sie will Schauspielerin werden und auf der Leinwand so richtig durchstarten. So beginnt der deutsche Spielfilm „Es leuchten die Sterne“, der 1938 erstmals im Kino zu sehen war. In einer Rolle tritt die deutsche Schauspielerin Käthe Dorsch auf, die sich hinter den Kulissen des nicht immer ganz einfachen Filmgeschäfts selbst spielt. Leuchtende Sterne spielen auch im neuen Wohnprojekt der Wohnbauvereinigung für Privatangestellte eine zentrale Rolle.

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Denn genau hier, in der Käthe-Dorsch- Gasse, Bauplatz B, benannt nach der 1957 in Wien verstorbenen Filmschauspielerin, errichtet die WBV-GPA nicht nur 295 geförderte Wohnungen, sondern schafft auch drei große Wientalterrassen mit Blick auf Wiental, Wienerwald und Lainzer Tiergarten untertags – und Millionen glitzernder Stars und Sternchen in der Nacht. „Das Bild ist ein sehr passendes“, sagt Michael Gehbauer, Geschäftsführer der WBV-GPA, „schließlich bezeichnen wir das östlichste Gartendeck im siebenten Stock aufgrund der unverbauten, ungetrübten Sicht auf den Wiener Himmel und in Vorfreude auf die vielen kommenden Feuerwerke als Silvesterterrasse.“

Doch die wahren Vorzüge des Projekts fliegen nicht oben in der Luft, sondern liegen tief verborgen unter der Erde. Über 60 Erdsonden, die bis zu 150 Meter in die Tiefe reichen, wird genug geothermische Energie gewonnen, um damit alle Wohnungen zu beheizen. Mithilfe von Wärmepumpen und Bauteilaktivierung in den massiven Deckenplatten gelangt die Wärme schließlich in die Wohnbereiche.

Unterstützt wird das Niedrigenergiekonzept durch Solarthermie am Dach und ein in Österreich in diesem Maßstab erstmals zur Anwendung kommendes Wärmerückgewinnungssystem, das die Restwärme aus dem Abwasser der gesamten Wohnhausanlage entnimmt und über Wärmetauscher wieder ins Netz zurückspeist. Auf diese Weise kann auf fossile Brennstoffe komplett verzichtet werden.

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Gleichgewicht der Kräfte

„Für uns gemeinnützige Bauträger in Österreich ist dieses System neu“, erklärt Gehbauer, der das Konzept in Zusammenarbeit mit Fachplanern sowie mit Ingenieuren des Austrian Institute of Technology (AIT) entwickelte. „In der Schweiz allerdings sind derartige Abwasser-Wärmerückgewinnungskreisläufe bereits gang und gäbe, wir haben gleich 250 Referenzprojekte dieser Art gefunden.

Einige davon haben wir uns im Rahmen einer Exkursion live angeschaut – und uns bei dieser Gelegenheit mit den verantwortlichen Bauträgern und Genossenschaften über ihre Erfahrungswerte im alltäglichen Betrieb ausgetauscht. Ich freue mich, dass wir jetzt auch in Österreich ein solches Pionierprojekt realisieren können.“ Das physikalische Gleichgewicht der Kräfte sorgt für einen exotischen, im gemeinnützigen Wohnbau selten anzutreffenden Nebeneffekt.

„Wenn die Erdbatterien am Ende des Winters leer und ausgekühlt sind, müssen wir sie für die kommende Saison wieder mit Energie auffüllen“, sagt Architekt Alfred Berger, der gemeinsam mit seiner Partnerin Tiina Parkkinen das Büro Berger+Parkkinen leitet und das Projekt in Kooperation mit Architekt Christoph Lechner (CEHL) geplant und umgesetzt hat. „Daher nutzen wir die Geothermie, um die Wohnungen im Sommer um ein paar Grad zu kühlen. Das ist ein überaus komfortables Angebot, das im geförderten Wohnbau Seltenheitswert hat. In unserem Fall ist das kein Luxus, sondern technische Notwendigkeit, denn anders würde das System nicht funktionieren.“

Das Projekt befindet sich bereits im Rohbau und soll im Herbst 2022 übergeben werden. Das Programm umfasst 196 klassisch geförderte Mietwohnungen mit einem Eigenmittelanteil von 298 Euro pro Quadratmeter und einer monatlichen Miete von 7,97 Euro pro Quadratmeter sowie weitere 99 Smart-Wohnungen, bei denen nicht nur der Grundriss, sondern auch das Portemonnaie noch knapper bemessen ist: 60 Euro Eigenmittelanteil und 7,50 Euro Miete pro Quadratmeter. Hinzu kommen diverse Verbandswohnungen für Alleinerziehende, Garçonnierenverbünde, eine WG für Kinder und Jugendliche, Werkstätten und Büros für den Verein Balance sowie ein Intergenerationen- Zentrum unter dem Namen „All in Penzing“, das vom Kuratorium Wiener Pensionistenwohnheime betrieben wird und die lokale Nachbarschaft zwischen Jung und Alt stärken soll.

Ohne Anstoßfinanzierung der Stadt Wien würde sich so ein Programm im Rahmen des geförderten Wohnbaus finanziell niemals ausgehen.

Michael Gehbauer

Anstoßfinanzierung entscheidend

Eine weitere Besonderheit, erklärt WBVGPA- Chef Michael Gehbauer, ist das gemeinsam mit dem Verein RUSZ (Reparatur- und Servicezentrum) betriebene Reparatur-Café, in dem die Bewohner mit der Reparatur von Haushaltsgeräten vertraut gemacht werden sollen. Weiters wird die WBV-GPA die Haushaltsgeräte in den Waschküchen und in den bereits möblierten Wohneinheiten von RUSZ anmieten. Auf Wunsch soll das nachhaltige Kreislaufwirtschaftskonzept auch auf die Wohnungen übertragen werden…

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