PV-Strom könnte fossile Energieträger in Deutschland ersetzen

PV-Anlagen auf den Dächern von Logistik- und Industrieimmobilien könnten ein Meilenstein auf dem Weg zur Energiewende sein. Potenziell stehen hierzulande so viele Dachflächen für die Produktion von Solarstrom zur Verfügung, dass sie problemlos die Leistung von beispielsweise 36 hypothetischen Kernkraftwerken (1 GW) oder 121 Gas- bzw. Kohlekraftwerken (300 MW) ersetzen könnten. Eine enorme Chance, die bislang noch viel zu wenig genutzt wird. Aktuell sind im Schnitt nicht einmal zehn Prozent der Dächer von Gewerbegebäuden in Deutschland mit entsprechenden Anlagen ausgestattet.

Dabei sind PV-Anlagen auch aus wirtschaftlicher Sicht lukrativ: Für professionelle Betreiber großer Anlagen rechnen sich Dachflächen ab 5.000 Quadratmetern. Dass die Resonanz von Projektentwicklern, Finanzierern und Eigentümer bislang noch verhalten ist, basiert nicht auf Desinteresse, sondern ist auf eine Vielzahl von Hürden zurückzuführen, die es schnellstmöglich zu beseitigen gilt.

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Das sind die Ergebnisse des Online-Panels „PV-Potenzial von Dachflächen: Wird die Logistikbranche einen erheblichen Beitrag zur Energiewende leisten?“, an dem Tobias Kassner, Head of Research, GARBE Industrial Real Estate, Dr. Manuel Schrapers, Geschäftsführer, Metroplan; Moritz Wickert, Geschäftsführer, GARBE Renewable Energy sowie Inka Klinger, Head of Project Finance, Hamburg Commercial Bank teilnahmen.

Aktuell sind weniger als zehn Prozent der Dächer von Logistik- und Industrieimmobilien mit PV-Anlagen ausgestattet

Solarenergie zählt zu den wichtigsten regenerativen Energiequellen und ist damit ein relevanter Baustein auf dem Weg zur Energiewende. Die Photovoltaik-Strategie des Bundes sieht bis 2030 eine Leistung von 215 Gigawatt (GW) allein aus Sonnenenergie vor. Aktuell kommen zu den 60 GW im Jahr 2022 jährlich rund sieben Gigawatt aus neuen PV-Anlagen hinzu – viel zu wenig, um das Ziel einer kompletten Umstellung der Stromversorgung zu erreichen. Vielmehr müsste der Zuwachs um das Dreifache auf rund 22 GW steigen. Das entspräche der rechnerischen Leistung von rund 22 Kernkraftwerken (1 GW).

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Ein ehrgeiziges Unterfangen, aber durchaus zu bewerkstelligen. Denn hierzulande verfügen wir über ein kommerziell nutzbares Potenzial von 362,8 Mio. Quadratmetern Dachfläche von Industrie- und Gewerbeliegenschaften ab 5.000 Quadratmetern, auf denen über 36 Gigawatt Strom durch PV-Anlagen erzielt werden könnten, so eine aktuelle Analyse von Garbe Industrial Real Estate.

Tobias Kassner, Head of Research, GARBE Industrial Real Estate, ist überzeugt: „Unsere Berechnungen haben ergeben, dass PV-Anlagen auf Logistik- und Industrieimmobilien weitgehend fossile Energieträger ersetzen könnten. Konkret wären das beispielsweise die Leistung von 36 hypothetischen Kernkraftwerken (1 GW) bzw. 121 Gas- bzw. Kohlekraftwerken (300 MW).“ Photovoltaikanlagen tragen damit zu einem großen Teil dazu bei aus der fossilen Verstromung auszusteigen.

Mit den großen Dachflächen von Logistik- und Industriegebäuden steht in Deutschland ein kommerziell nutzbares Dachflächenpotenzial von 362,8 Mio. Quadratmeter zur Verfügung, auf denen mehrere Gigawatt Strom durch PV-Anlagen erzielt werden können. Aktuell sind weniger als 10 Prozent der Dächer mit PV-Modulen ausgestattet. Neue Hallen werden nicht standardmäßig mit PV-Modulen versehen, obwohl jedes Jahr 5 bis 6 Mio. Quadratmeter neue Dachflächen hinzukommen.

Rund 32.500 potenzielle Logistik- und Industrieimmobilien hat GARBE im Rahmen einer Untersuchung ausfindig gemacht. Allerdings eignen sich nicht alle dieser Immobilien für die Erzeugung von Solarstrom. Der häufigste Grund ist der schlechte bauliche Zustand. Deshalb hält man bei GARBE auch den Idealfall von 36,6 zusätzlichen Gigawatt für unwahrscheinlich. „Aber 80 Prozent der Dächer nutzbar zu machen, wäre schon erstrebenswert“, sagt Kassner. „Das entspräche einer Kapazität von 29 Gigawatt bei Investitionskosten von 24,6 Milliarden Euro.“

Rund 40 bis 50 Prozent der Dachflächen von Bestandsobjekten werden zurzeit nicht genutzt, weil beispielsweise veraltete Stromverteilnetze zu ungewisser Stromabnahme und mangelnder Planbarkeit führen. Das vorrangige Ziel in naher Zukunft: Nutzbare Dachflächen auf 65 bis 80 Prozent steigern. „Eine wichtige Maßnahme wäre die Mindestvergütung für den Investor zu sichern“, so Kassner.

Bestandsflächen nutzbar zu machen, ist aus Sicht von Dr. Manuel Schrapers, Geschäftsführer von Metroplan, eine enorme Herausforderung. „Bei Bestandsimmobilien ist neben Alter und Zustand des Objekts oftmals die entscheidende Frage, ob die Statik überhaupt eine PV-Anlage tragen kann“, sagt der Werks- und Logistikfachmann. Bei Produktionsimmobilien erschwerten Aufbauten wie beispielsweise Lüftungsanlage einerseits die Installation, andererseits könnte der Schattenwurf später die Sonnenausbeute reduzieren. Bei aktuellen Projektentwicklungen würden zukünftige Bauherren hingegen bereits Lastreserven für die Zukunft einplanen, was spätere Installationen sehr viel leichter mache.

Zahlreiche Hürden behindern allerdings Projektentwickler, Finanzierer und Eigentümer beim schnelleren Ausbau von Solarstrom

Bei GARBE seien PV-Anlagen bei Neubauprojekten inzwischen Standard, erklärte Moritz Wickert, Geschäftsführer von GARBE Renewable Energy. Aber bei Bestandsimmobilien stünde bisweilen erst einmal eine Dachsanierung an. „Als Errichter von Anlagen muss man nicht nur den Dachzustand begutachten lassen, sondern auch die Dachstatik dahingehend prüfen, ob sie die Installation einer Anlage mit einer Laufzeit von durchaus mehr als 20 Jahren überhaupt zulässt“, so Wickert.

Auch in Zusammenhang mit den Mietern ergäben sich zu klärende Aspekte. „Im Neubau wird die Immobilie inklusive PV-Anlage angemietet; im Bestand muss man mit dem Mieter aushandeln, dass man die Dachfläche nutzen und den erzeugten Strom ggf. an den Mieter verkaufen darf“, erklärt Wickert.

Für Banken sei ein vorhandener Netzzugang bei der Prüfung von Projektfinanzierungen entscheidend

In vielen Fällen wird der erzeugte Strom nicht in der Immobilie selbst verbraucht, sondern weitergeleitet – zumindest theoretisch. Denn häufig stellt sich die Frage, wo der Strom eingespeist werden kann. Für Banken sei ein vorhandener Netzzugang bei der Prüfung von Projektfinanzierungen entscheidend.

Um die in 2023 gebauten etwa 9.000 Megawattpeak auf die künftig geplanten 22.000 Megawattpeak pro Jahr auszuweiten, ist ein beschleunigter Netzausbau dringend erforderlich“, sagt Inka Klinger, Head of Project Finance bei der Hamburg Commercial Bank. „Wenn die Netze an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen, drückt das auf die Strompreise und kann vermehrt zu negativen Marktpreisen führen.“

Banken setzen bei ihren Finanzierungen in der Regel auf dingliche Sicherheiten, die sich je nach Eigentümerstruktur unterscheiden. Hier kommen verschiedene Formen wie Grundschulden, Dienstbarkeiten oder auch Nießbrauch zum Einsatz als auch die Abtretungen der Rechte aus sämtlichen relevanten Projektverträgen“, so Inka Klinger. Von grundlegender Bedeutung für die Finanzierer sei zudem, dass die Rechte zur Errichtung, zum Betrieb und zur Wartung der Anlagen sowie der Zugang zur Anlage sichergestellt sind.

Zur aktuellen Marktsituation sagt Klinger: „Die deutlich gestiegenen Zinsen drücken auf die Renditen. Für Investoren sind inzwischen verstärkt alternative Anlagen interessant, die ihren Renditeansprüchen entsprechen, aber weniger Projektrisiken mit sich bringen“.

Susanne Edelmann      

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