Für den gesamten Bestand an Gebäuden ist ein Um- und Neubau nach den Entwürfen der neuen Quartierskonzepte angesagt. Deren definierende Merkmale sind die flexible und gemischte Nutzung der Gebäude und die bewusste Lokalisierung des Energiesystems.
Diese Energie-Cluster aktivieren alle Potenziale von Erneuerbaren und Energieproduktivität. Besondere Bedeutung kommt den anfangs erwähnten Anergienetzen zu, den neuen Netzen für Wärme und Kühlen, die mit Tiefenbohrungen auf die Geothermie zugreifen. Ähnliche Anstrengungen sind für den Um- und Neubau der Produktion zu starten. Neue Prozesse sollen Stahl emissionsfrei erzeugen lassen. Zement könnte sogar eine Senke für CO₂-Emissionen werden. Entscheidend wird die Verfügbarkeit von Wasserstoff werden.
Die skizzierten Innovationen bei Bauten und Industrie haben aber auch eine hohe Relevanz für die Klimapolitik. Gut 80 Prozent unserer Zeit verbringen wir in Gebäuden oder bei der Nutzung der Infrastruktur auf dem Weg zwischen Gebäuden. Eine solche Rechnung weist gut die Hälfte der österreichischen Treibhausgasemissionen den Gebäuden zu. Ein weiteres Viertel stammt von der emissionsintensiven Industrie. Somit müssten diese beiden Bereiche den Schwerpunkt jeder Klimapolitik mit entsprechenden Zielsetzungen bilden.
Die politische Praxis sieht anders aus. Am konkretesten sind die Pläne, bis 2030 Elektrizität bilanziell nur aus Erneuerbaren bereitzustellen. Dafür müsste aber in der verbleibenden Zeit jede fünfte Minute eine PV-Anlage, jeden zweiten Tag eine Windturbine und jedes zweite Jahr ein Wasserkraftwerk von der Dimension der zuletzt gebauten Donaustufe entstehen. Elektrizität macht jedoch nur ein Fünftel des aktuellen Energieverbrauchs in Österreich aus, der wiederum bis 2030 um mindestens ein Viertel abzusenken wäre, wenn das im Regierungsprogramm festgehaltene Ziel von Klimaneutralität bis 2040 erreichbar bleiben soll.
Die österreichische Klimapolitik steht mit ihrer mangelnden Glaubwürdigkeit der Ziele nicht allein da. Es wäre großzügig, die diesjährige Weltklimakonferenz in Sharm-el-Sheik nur als unbefriedigend einzuschätzen. Auf der Strecke blieben zentrale Konferenzinhalte, wie die nur sehr zögerlich gestarteten neuen Finanzierungsinstrumente für die vom Klimawandel am härtesten betroffenen Staaten und ambitioniertere Reduktionsziele bei den Treibhausgasen angesichts der Fakten zum Klimawandel. Ins Wanken geriet im Verhandlungsmarathon sogar die im Pariser Klimavertrag enthaltene Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs auf 1,5 Grad.
Sichtbare Weichenstellungen
bedeutet das nicht das Ende der im Rahmen der Uno geführten Klimapolitik. Es gibt aber viele Gründe, ergänzend dazu die mit Energie und Klima verbundene Politik neu zu vermessen. Ein daraus entstehendes Narrativ postuliert nicht die eher abstrakten und deshalb schwer kommunizierbaren Ziele, wie Treibhausgasneutralität bis 2040, sondern sehr sichtbare Weichenstellungen, die unseren Wirtschafts- und Lebensstil gegenüber Krisen und Wohlstandsverlusten resistenter machen.
Ohne diese Neuvermessung unseres Umgangs mit Energie bleiben wir weiter den Schocks durch Energiepreise und Energieknappheit ausgesetzt. Ohne diese als radikal erscheinenden Transformationen sind auch die Ziele für die Klimapolitik nicht erreichbar. Das bisherige, auf Kuschelkurs und Kaskoversicherung basierende Krisenmanagement mit extremen Kosten, aber nur mangelhafter Treffsicherheit sollte ausreichend ein Reset beim Umgang mit Energie und Klima motivieren.