Grüne Intelligenz

Die technologische und ökologische Innovation stand zwar am Beginn noch nicht an oberster Stelle, wurde aber schnell zu einer wesentlichen Mission der IBA_Wien. Kurz vor dem großen Präsentationsjahr 2022 wird an den letzten Rädchen justiert und optimiert.
MAIK NOVOTNY

Ob Low-Tech oder High-Tech: Es ist ein spezielles Charakteristikum der Gebäudetechnologie, dass ihre innovative Qualität von außen oft unsichtbar ist, versteckt in der Bausubstanz, in Schächten, in Heizungskellern oder in der Erde. Eine Eigenschaft, die sie – zumindest noch dieses Jahr – mit der IBA_Wien 2022 Neues Soziales Wohnen teilt. Zwar wurden deren Projekte, Kandidaten und Prozesse in den letzten Jahren in vielen Präsentationen der Öffentlichkeit vorgestellt, doch wie viel die IBA auch im Hintergrund bewegt und in Gang gesetzt hat, wird man erst im Präsentationsjahr 2022 im vollem Umfang erkennen.

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Eine erfolgreiche Synthese aus beiden Prozessen kann man schon jetzt im Wiener Donaufeld besuchen. Dort steht, noch alleine zwischen Feldern, Einfamilienhäusern und Gärtnereien, ein dreigeschoßiger Turm aus Holz: das Vivihouse. Es besteht zu 90 Prozent aus nachwachsenden und ökologischen Rohstoffen und wurde von Michael Fürst, Nikolas Kichler und Paul Adrian Schulz als Prototyp für städtischen Selbstbau konzipiert. Dabei durchlief es mehrere Projektphasen: zunächst forschend und entwerfend an der TU Wien, dann als 1:1-Bausystem im niederösterreichischen Pernitz und schließlich vor Ort in Wien, wo die optimierten Bauteile in sechs Sattelschlepper- Ladungen angeliefert wurden und von über 100 Architekturstudierenden und Zimmerern selbst zum Vivihouse montiert wurden.

Ökologische Vorteile

„Unser Ziel war es, ein System zu finden, das einen einfachen Selbstbau für jeden ermöglicht und an viele Orten produziert werden kann“, sagt Nikolas Kichler. Die Grundbausteine, die das Tragwerk aus Holz bilden, sind für sechs Geschoße dimensioniert, um als Wohnhaus, Bürohaus oder mit gemischter Nutzung den Holzbau in den städtischen Maßstab und an städtische Standorte bringen zu können. „In der Orientierungsphase haben wir auch Selbstbau-Vorbilder recherchiert, von den Konzepten Ottokar Uhls aus den 60er-Jahren bis zur heutigen Makerszene.“

Der ökologische Vorteil ist beträchtlich: Nach den Berechnungen der drei Macher könnte Österreich, wenn man bis 2030 alle Neubauten als Vivihouses baut, 50 Prozent seiner CO²-Ziele erreichen. Ermöglicht wurde der Vivihouse-Prototyp auch durch die IBA_Wien, die das Projekt zum Kandidaten machte und in deren Rahmen der wohnfonds_wien das Vorhaben durch Bereitstellung des Grundstücks aktiv unterstützte. Bis zur Weiterentwicklung des Quartiers „An der Schanze“ wird der Holzbau als Infopavillon für das Stadtteilmanagement der Gebietsbetreuung und als Diskussionsort für die Stadtentwicklung dienen.

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Eine Stadtentwicklung, die ebenfalls IBA-Projekt ist. Denn beim Quartier „An der Schanze“ wurde nicht nur die Erdgeschoßnutzung zwischen den Bauplätzen (wie schon beim Projekt Berresgasse) koordiniert, auch die Bauten selbst bieten kluge und einfache technologische Ansätze zur Optimierung des Stadtklimas. So steht der gemeinsame Bauplatz der Neuen Heimat und der EBG, der von den Architekten Delugan Meissl Associated Architects und Rüdiger Lainer + Partner geplant wird, unter dem Motto „Energieeffizienz durch Low-Tech.“ Alle Fassaden werden mit vorgesetzten Pergolen ausgestattet, die zur Verschattung, als Rankhilfe für üppige Begrünung und teilweise als halböffentliche Räume dienen.

Messbare Indikatoren

Wissenschaftlich ganz besonders unterfüttert rankt es bereits jetzt an den Fassaden der Biotope City am Wienerberg empor. Bei diesem IBA-Projekt wurde von vornherein auf Optimierung, Zertifizierung und genaue Berechnung gesetzt – dafür wurde mit dem aus dem Forschungszentrum green4cities hervorgegangenen Start-Ups GREENPASS frühzeitig eine Vorzertifizierung durchgeführt, um die Gebäudestruktur…

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