Erneuerbare-Wärme-Gesetz, EWG – Top oder Flop?

Dir. Dipl.-Ing. Herwig Pernsteiner ist Vorstandsvorsitzender der ISG und Obmann-Stellvertreter des Verbands Gemeinnütziger Bauvereinigungen.

Ob etwas gut oder schlecht ist, hängt von Vorlieben, Einstellungen oder Zugängen ab. Der jeweilige Anspruch bedingt die qualitative Beurteilung einer Thematik. Ob nunmehr das im Vorfeld viel diskutierte Erneuerbare-Wärme-Gesetz in der letztendlich beschlossenen Form als Top oder Flop zu bezeichnen ist, hängt einzig vom individuell unterschiedlichen Bewertungsmaßstab ab.

Dir. Dipl.-Ing. Herwig Pernsteiner

Das EWG wurde im Dezember 2023 vom Nationalrat beschlossen und beinhaltet, dass künftig keine Heizungen respektive Anlagen zur Wärmebereitstellung, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden können, in Neubauten mehr errichtet werden dürfen. Ebenso verboten ist die Errichtung von Wärmebereitstellungsanlagen zum Anschluss an Fernwärme, die nicht qualitätsgesichert sind.

- Anzeige -

Während das seit 2020 bestehende Ölkesseleinbauverbot auf zentrale Anlagen abzielt, soll nunmehr für Neubauten ein Einbauverbot für sämtliche Anlagen, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden können – also etwa auch für dezentrale Gasheizungen – gelten. Damit soll sichergestellt werden, dass der Bestand an potenziell mit fossilen Brennstoffen betriebenen Anlagen nicht weiter anwächst.

Für den Umstieg auf klimafreundliche Heizungen und die Förderung thermischer Sanierungen wird es zusätzlich einen Zweckzuschuss an die Länder für die Jahre 2024 und 2025 im Ausmaß von maximal 50 Millionen Euro geben. Die Länder sollen damit den Umstieg auf klimafreundliche Heizungen im Sinne des Umweltförderungsgesetzes unterstützen und so zur Dekarbonisierung des Gebäudesektors beitragen.

Sohin sind viele, während der Gesetzwerdung in Diskussion stehende inhaltliche Punkte herausgenommen worden. Das minimiert einerseits den Widerstand gegen dieses Gesetz, entfernt uns andererseits aber von den Zielen der Dekarbonisierung. Der jeweilige Anspruch bedingt die Bewertung, ob das gut oder schlecht ist.

- Anzeige -

Qualität ist die Erfüllung der Erwartung, wie wir wissen. Hoffen wir auf warme Winter.


Dipl.-Ing. Peter Bauer ist Mitgründer von werkraum Ingenieure ZT GmbH, Vizepräsident der Kammer der Architekt: innen und Ziviltechniker: innen Wien, NÖ, Burgenland, und Professor am Institut für Tragwerksplanung und Ingenieurholzbau an der TU Wien.

Ich bedauere sehr, dass das EWG in der geplanten Form in letzter Sekunde gescheitert ist, weil man sich gescheut hat, die rechtlichen Implikationen aufzuarbeiten. Es gibt derzeit nur Ankündigungen von Förderprogrammen, aber noch keine verbindlichen Zusagen. Letztlich wird die Energietransformation durch diese Freiwilligkeit möglicherweise scheitern, weil die Töpfe einfach zu klein sind.

Dipl.-Ing. Peter Bauer

Man müsste wirklich belastbare Förderzusagen bekommen, denn es ist fatal, wenn ich keine Planungssicherheit habe, und zwar in beide Richtungen. Denn viele warten ab, ob die Fördersumme vielleicht noch mehr wird. Man müsste sich dringend überlegen, wie man die Kräfte des Marktes aktivieren kann, und man müsste – neben vielem anderen – das Richtwertgesetz überdenken.

Ich vermisse hier schmerzlich eine große Strategie. Stattdessen zeigen alle mit dem Finger aufeinander, jeder wartet auf den anderen. Eine klassische österreichische „Lösung“. Wir tun für das, was wir eigentlich zusammenbringen könnten, viel zu wenig, und bezahlen wird das die Jugend. Denn die Temperaturerhöhung mit ihren Auswirkungen auf unsere Gesellschaft und auch unsere Gebäude wird kommen. Gerade ein reiches Land wie Österreich sollte seinen Beitrag leisten. Und wir haben die Köpfe, die das können – Planer:innen, Ausführende, Behörden. Da sehe ich angesichts der Riesenaufgabe, die wir vor uns haben, viel zu wenig Fantasie. Wir wollen bis 2040 CO2-neutral sein, das ist in 16 Jahren.

Wir verlieren ununterbrochen Zeit, die wir brauchen, um gute Lösungen umzusetzen. Denn wenn die EU ihr Programm ernst nimmt, und das tut sie, werden irgendwann die Strafzahlungen beginnen. Wenn ich Millionen von Wohnungen und zehntausende Gründerzeithäuser sanieren soll, und dann alles in fünf Jahren passieren muss, überhitze ich die Bauwirtschaft. Dann habe ich Preise, die keiner mehr zahlen kann und will. Deswegen brauchen wir den ganzen Zeitraum und müssten eigentlich vorgestern beginnen. Wir haben in Österreich die Technologie, wir haben die Fähigkeiten, und wir haben den Wohlstand, der dazu notwendig ist. Wir sollten eigentlich zeigen können, wie es geht.

Lesen Sie die nächsten Artikel dieser Ausgabe

Lesen Sie Artikel zum selben Thema