Eine Studie des Wifo, durchgeführt von Michael Klien und Gerhard Streicher, befasst sich mit den ökonomischen Auswirkungen des gemeinnützigen Wohnbaus in Österreich (GBV). Neben erwartbaren Resultaten gibt es einige durchaus überraschende Schlüsse.
ROBERT TEMEL
Der wichtigste Effekt des gemeinnützigen Wohnbaus in Österreich, der in der Studie beschrieben wird, ist eine Kostenersparnis der GBV-Mieter und der Wohnungseigentümer, deren Wohnungen von Gemeinnützigen gebaut wurden, von etwa 1,3 Milliarden Euro pro Jahr. Davon sind 1,2 Milliarden Mietersparnis. Wenn man von dieser Summe all das abzieht, was durch den Einfluss der GBV umgekehrt der Volkswirtschaft entgeht, kommt man je nach Modellszenario zu Gesamteffekten auf das Bruttoinlandsprodukt von bis zu 980 Millionen Euro pro Jahr.
Wie Koautor Michael Klien formuliert: „Wenn der Konsum vom Wohnen zu anderen Konsumgütern wandert, gibt es einen hohen Importanteil, und das bewirkt einen Abfluss aus der Volkswirtschaft.“ Die Differenz entsteht im Wesentlichen eben dadurch – und weil dem Staat Steuern entgehen, wenn Private weniger Wohnungen teuer vermieten können. Was hier allerdings nicht eingerechnet wurde, weil dafür keine Daten verfügbar sind: Es gibt hohe Investitionen aus dem Ausland in den privaten österreichischen Wohnungsmarkt (vgl. Rechercheprojekt „Cities for Rent“, wo von 2007 bis 2020 für Wien 43 Prozent ausländisches Investment angenommen wird), das heißt, die Erträge in diesem Bereich fließen teilweise ebenfalls ins Ausland ab, der BIP-Effekt der GBV ist also tatsächlich noch höher als in der Studie errechnet.
Was ersparen sich die Bewohner?
Vergleiche zwischen gemeinnützig und gewerblich gebauten Wohnungen kranken oft daran, dass Äpfel mit Birnen verglichen werden: Gewerblicher Wohnbau entsteht eher in teureren Lagen, ist vielleicht auch besser ausgestattet. Wenn man um diese Effekte bereinigt, sind GBV-Mietwohnungen im Schnitt um 2,30 Euro pro Quadratmeter günstiger, was pro Wohnung 160 Euro im Monat ausmacht.
Diese Ersparnis ist aber über den Zeitverlauf sehr unterschiedlich ausgeprägt. Die höchsten Effekte gibt es bei Wohnungen, die in den letzten zehn Jahren gebaut wurden (3 Euro), was wohl an den derzeit stark steigenden Kosten liegt; und bei solchen aus den Jahren vor 1980, die also bereits refinanziert sind, und wo somit bei GBV nur mehr die so genannte Auslaufannuität bezahlt wird. Dazwischen, als man günstiger baute als heute, liegt die Ersparnis nur bei etwa 1,40 bis 1,70 Euro.
Umverteilung durch Gemeinnützigkeit
Diese Millionen sind also das Geld, das sich österreichische Haushalte jedes Jahr ersparen, weil es die GBV gibt. Da fragt man sich: Wer erspart sich da was? Ein alter Vorwurf gegen die GBV ist ja, dass ihr Angebot wenig treffsicher auf die unteren Einkommen zielen würde. Das übliche Gegenargument lautet, dass die Gemeinnützigkeit allen Bevölkerungsschichten zugute kommen soll, nicht zuletzt um Segregation zu vermeiden.
Die Fakten zeigen nun, dass die GBV-Mietwohnungen überwiegend eine Umverteilung zu den unteren Einkommen bewirken, während die GBV-Eigentumswohnungen, wenig überraschend, die oberen Einkommen bevorzugen, wenn auch in insgesamt geringerem Ausmaß. Wenn man also möchte, dass GBV-Wohnungen vorwiegend den niedrigen Einkommen nützen, wäre der erste Schritt in diese Richtung, weniger GBV-Eigentumswohnungen zu bauen. Die Zahlen zeigen auch, dass der politische Diskurs in dieser Hinsicht Auswirkungen auf die Wohnbaupraxis hatte, weil die GBV-Wohnungen heute deutlich stärker auf die unteren Einkommen fokussieren als in der Vergangenheit.
„Vorsorgewirkung“
Dazu kommt ein weiteres wichtiges Thema der politischen Debatte zum Wohnbau, die „Vorsorgewirkung“ des Wohnungseigentums, die oft betont wird. Die existiert zweifellos, solange man preiswertes Wohnungseigentum erwerben kann. Allerdings stellte die Wifo-Studie fest, dass dieser „Versicherungseffekt“ in sehr ähnlicher Weise von GBV-Wohnungen erbracht wird: „In Zeiten, in denen die Wohnkosten stark steigen, wie das aktuell der Fall ist, bieten GBV-Wohnungen eine Absicherung gegen Mietpreisschocks, die analog zum Eigentum wirkt“, meint Klien.
Es stehen sich somit zwei konträre Wohnungspolitikmodelle gegenüber: Das Modell Ich-AG, bei dem sich alle am Wohnungsmarkt versorgen und gleichzeitig investieren sowie gegen Preissteigerungen durch Eigentum abgesichert sind; und das solidarische Modell, bei dem die Allgemeinheit investiert, kein privater Gewinn gemacht wird und die Versicherungswirkung durch unbegrenzt gebundene Mieten entsteht.
Ein interessanter Ansatz der Studie ist der Versuch, die Auswirkungen von Wohnungsgemeinnützigkeit und Wohnbauförderung, die in Österreich oft in einen Topf geworfen werden, auseinanderzudividieren: In der aktuellen Niedrigzinsphase mit hoher Nachfrage, für die kein Ende absehbar ist, haben die günstigen Wohnbauförderungsdarlehen an Attraktivität verloren, was sich auch im geringeren Anteil am Neubauvolumen zeigt. Die Vorteile der Gemeinnützigkeit wirken trotzdem nach wie vor, einerseits durch die Mietkosten, andererseits durch die unbegrenzte Bindung ihrer günstigen Mieten.
Klien dazu: „Wohnungspolitische Effekte können die Länder im Moment weniger über die Wohnbauförderung bewirken als durch Bodenpolitik.“ Daraus ergibt sich die Frage – vorausgesetzt, die Zinsen bleiben weiter niedrig –, ob es für die Wohnbauförderung nicht eine Umorientierung bräuchte, um ihre Effektivität zu steigern.
Ein funktionierender Markt?
Die Studie zitiert ein Paper der Ökonomen Edward Glaeser und Joseph Gyourko, dass in einem funktionierenden Immobilienmarkt die Verkaufspreise grob den Errichtungskosten entsprechen würden – so wie theoretisch in jedem funktionierenden Markt, kann man hinzufügen…