Betriebskosten – BGH zu Wirtschaftlichkeitsgebot

Wurde ein die Betriebskosten auslösender Dienstleistungsvertrag bereits vor Abschluss des Wohnraummietvertrags geschlossen, kann eine mögliche Verletzung des Wirtschaftlichkeitsgebots als Nebenpflicht des Vermieters schon wegen einer zu diesem Zeitpunkt noch nicht bestehenden mietvertraglichen Rücksichtnahmepflicht nicht in der Eingehung dieser Verbindlichkeit gesehen werden. BGH (VIII. Zivilsenat), Urteil vom 25.01.2023 – VIII ZR 230/21

Vielmehr kommt eine Verletzung des Wirtschaftlichkeitsgebots nur in Betracht, soweit dem Vermieter – im Falle eines nicht angemessenen Kosten-Nutzen-Verhältnisses – eine Korrektur der zu überhöhten Kosten führenden Maßnahme während des Mietverhältnisses – beispielsweise durch Kündigung eines Vertrags mit ungünstigen Bedingungen – möglich und wirtschaftlich zumutbar gewesen wäre und er diese Möglichkeit nicht ergriffen hat.

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In betriebskostenrechtlichen Auseinandersetzungen wird vom Mieterverein/der Mieterseite oftmals der Einwand vorgetragen, der Vermieter habe gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen, weil er überteuerte Verträge mit Dienstleistern abgeschlossen hat.

Der BGH hat in einer aktuellen Entscheidung eine eigentlich banale, jedoch für die Praxis bahnbrechende Erkenntnis vertreten – ein Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot kann dem Vermieter in Bezug auf den Mieter, der diesen Verstoß rügt, nur dann vorgeworfen werden, wenn der mit diesem Mieter abgeschlossene Wohnraummietvertrag VOR Abschluss des Dienstvertrags abgeschlossen wurde oder aber der Vermieter die Möglichkeit gehabt hat/hätte, den überteuerten Dienstleistungsvertrag zu kündigen.

Diese Erkenntnis folgt daraus, dass es sich bei der Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots um eine vertragliche Nebenpflicht des Vermieters handelt. Gegenüber demjenigen Mieter, der erst nach bereits erfolgtem Abschluss des Dienstleistungsvertrags einen Mietvertrag mit dem Vermieter abgeschlossen hat, gilt diese vertragliche Nebenpflicht aber noch nicht. Eine Verletzung des Wirtschaftlichkeitsgebots in Bezug auf diesen konkreten Mieter kann somit nur dann vorliegen, wenn der Vermieter den bereits in früheren Zeiten abgeschlossenen Dienstleistungsvertrag zumutbarerweise hätte kündigen können und dies nicht getan hat.

Zum Fall:

Die Klägerin zu 3 ist, die Kläger zu 1, 2, 4 und 5 waren Mieter von Wohnungen in einem Mehrparteienhaus der Beklagten in Düsseldorf. Das Gebäude ist Teil eines Gesamtkomplexes mehrerer Gebäude, für den entsprechend der Abfallentsorgungssatzung der Stadt Düsseldorf ein Mindestrestmüllvolumen von rund 5.000 Litern zur Verfügung steht. Dieses Volumen wurde zu keiner Zeit ausgeschöpft.

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Im Jahr 2010 beauftragte die Beklagte eine externe Dienstleisterin mit der Erbringung von Leistungen im Rahmen eines sogenannten Müllmanagementsystems, das unter anderem die Nachsortierung des Abfalls (insbesondere die Aussortierung von mit dem „grünen Punkt“ versehenem Abfall), den Betrieb eines die Restabfallmenge pro Haushalt erfassenden Chipsystems, die Reinigung der Mülltonnenstandplätze und die Entfernung von Beistellungen umfasste.

Die von der Beklagten mit den Klägern nach Abschluss des vorgenannten Dienstleistungsvertrags geschlossenen Formularmietverträge enthalten übereinstimmend in § 2 Abs. 2 eine Regelung, wonach die Kosten für die Abfallentsorgung sowohl nach der Quadratmeterzahl als auch dem individuellen Verbrauch je Wohneinheit unter Berücksichtigung einer wöchentlichen Mindestmenge von 20 Litern Restmüll für jeden Haushalt in Anlehnung an die Abfallentsorgungssatzung der Stadt Düsseldorf auf die Kläger umgelegt werden sollen.

Für das Jahr 2016 errechnete die Beklagte Abfallentsorgungskosten für das von den Klägern bewohnte Gebäude in Höhe von insgesamt 2.452,92 €, von denen ein Betrag in Höhe von 736,84 € auf die von der externen Dienstleisterin erbrachten Leistungen (616,41 € für Dienstleistungen und 120,43 € für Abrechnungskosten) entfiel.

Mit der vorliegenden Klage haben sämtliche Kläger beantragt festzustellen, dass die Kosten für das Müllmanagement nicht als Betriebskosten im Rahmen der Mietverhältnisse auf sie umgelegt werden können. Ferner haben die Kläger zu 1 und 2 sowie die Kläger zu 4 und 5 – jeweils als Gesamtgläubiger – die Beklagte zuletzt auf Rückzahlung der von ihr bezogen auf das Müllmanagement für die Jahre 2016 bis 2018 abgerechneten Kosten in Höhe von jeweils 168,12 € (56,04 € x 3) in Anspruch genommen.

Das Amtsgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Die hiergegen gerichtete, vom Amtsgericht zugelassene Berufung der Beklagten hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte (Vermieterin) ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Nach dem BGH mit Erfolg!

Zur Begründung des BGH:

Mit der von dem Berufungsgericht bisher gegebenen Begründung kann ein Schadensersatzanspruch der Kläger zu 1, 2, 4 und 5 gegen die Beklagte gemäß § 280 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 241 Abs. 2 BGB auf Rückzahlung der aus der Beauftragung der externen Dienstleisterin mit dem Müllmanagement resultierenden Betriebskosten für die Jahre 2016 bis 2018 nicht bejaht werden. Das Berufungsgericht hat den Inhalt der vertraglichen Nebenpflicht des Vermieters, auf ein angemessenes Kosten-Nutzen-Verhältnis bei den Betriebskosten Rücksicht zu nehmen, verkannt. In diesem Zusammenhang hat es überdies eine unzutreffende Verteilung der Darlegungs- und Beweislast zwischen Mieter und Vermieter angenommen….

Das Berufungsgericht ist zunächst – unausgesprochen und von den Parteien nicht angegriffen – rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Beklagte nach den zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen die im Streit stehenden Kosten für das Müllmanagement grundsätzlich als Betriebskosten gemäß § 556 Abs. 1 Satz 1 BGB und dem Betriebskostenkatalog gemäß der dazu erlassenen Betriebskostenverordnung vom 25. November 2003 auf die Kläger umlegen kann…

Das Berufungsgericht hat jedoch – wie die Revision mit Recht geltend macht – die für eine Verletzung dieser Pflicht notwendigen Feststellungen nicht getroffen, weil es sowohl den Inhalt dieser Pflicht als auch die diesbezügliche Verteilung der Darlegungs- und Beweislast verkannt hat…

Das Berufungsgericht hat bereits im Ausgangspunkt verkannt, dass eine mögliche Verletzung des Wirtschaftlichkeitsgebots durch die Beklagte nicht in der „Entscheidung für das Müllmanagementsystem“ – mithin nicht in dem Abschluss des Vertrags mit der externen Dienstleisterin – liegt. Wurde ein die Betriebskosten auslösender Dienstleistungsvertrag – wie hier – bereits vor Abschluss des Wohnraummietvertrags geschlossen, kann eine mögliche Nebenpflichtverletzung des Vermieters schon wegen einer zu diesem Zeitpunkt noch nicht bestehenden mietvertraglichen Rücksichtnahmepflicht nicht in der Eingehung dieser Verbindlichkeit gesehen werden. Vielmehr kommt eine Verletzung des Wirtschaftlichkeitsgebots nur in Betracht, soweit dem Vermieter – im Falle eines nicht angemessenen Kosten-Nutzen-Verhältnisses – eine Korrektur der zu überhöhten Kosten führenden Maßnahme während des Mietverhältnisses – beispielsweise durch Kündigung eines Vertrags mit ungünstigen Bedingungen – möglich und wirtschaftlich zumutbar gewesen wäre und er diese Möglichkeit nicht ergriffen hat…

Das Berufungsgericht hat … bereits die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen dazu, ob die Beklagte nach Abschluss der Mietverträge mit den Klägern die Möglichkeit gehabt hätte, den mit der Dienstleisterin geschlossenen Vertrag – einen Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot bei der Abwägung zwischen den Kosten und dem Nutzen dieses Vertrags unterstellt – zu kündigen oder abzuändern, nicht getroffen. Es hat sich den Blick hierauf zum einen schon durch die unzutreffende Annahme verstellt, die Pflichtverletzung der Beklagten sei in der „Entscheidung“ für das Müllmanagement zu sehen, und zum anderen, indem es rechtsfehlerhaft angenommen hat, die Beklagte sei für das Fortbestehen eines „ordnungsgemäßen Kostengrunds“ hinsichtlich des hier in Rede stehenden Müllmanagementsystems der externen Dienstleisterin darlegungs- und beweisbelastet.“

Der BGH hat das Urteil aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Anmerkung:

Der Entscheidung ist zuzustimmen. Denn die Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots soll nach gefestigter Rechtsprechung eine vertragliche Nebenpflicht des Vermieters sein. Eine solche vertragliche Nebenpflicht kann aber gegenüber einem bestimmten Mieter nur dann bestehen, wenn der Mietvertrag mit diesem Mieters selber schon abgeschlossen worden ist. 

 Das Urteil hat für die Praxis erhebliche Auswirkungen – immer dann, wenn ein Mieter vorträgt, der Vermieter habe durch Abschluss eines angeblich überteuerten Dienstleistungsvertrags gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen, sollte vermieterseitig geprüft werden, ob der abgeschlossene Dienstleistungsvertrag bereits VOR Abschluss des konkreten Mietvertrags abgeschlossen wurde. Zudem sollte geprüft werden, ob der Vermieter die Möglichkeit gehabt hat/hätte, den überteuerten Dienstleistungsvertrag zwischenzeitlich zu kündigen oder nicht.

Wenn das der Fall war/ist und der Vermieter somit eine vertragliche Kündigungsmöglichkeit gehabt hat, so kann auch der „neue“ Mieter einen Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot rügen (wenn der Vertrag tatsächlich überteuert ist!). Dann liegt der Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot aber nicht im Abschluss des überteuerten Dienstleistungsvertrags, sondern darin, dass der Vermieter es versäumt hat, den überteuerten Dienstleistungsvertrag fristgerecht zu kündigen.

Vorsicht: 

Natürlich ist -wie auch aus der Entscheidung und meiner Anmerkung hervorgeht- immer auf den konkreten Mietvertrag und dessen Abschlussdatum zu achten. So kann es dazu kommen, dass Mieter A einen Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot rügen kann, weil der überteuerte Dienstleistungsvertrag erst abgeschlossen wurde, nachdem Mieter A  bereits seinen Mietvertrag mit dem Vermieter abgeschlossen hat, während Mieter B erst nach dem Abschluss des überteuerten Dienstleistungsvertrags Mieter geworden ist (und der Dienstleistungsvertrag auch nicht zwischenzeitlich kündbar ist wegen fester Laufzeiten). Ein Vermieter sollte beim Abschluss von Dienstleistungsverträgen darüber hinaus vorausschauend auch immer darauf achten, dass in absehbaren Zeiträumen Kündigungsmöglichkeiten bestehen.

So kann ich mir vorstellen, dass der BGH in krassen Ausnahmefällen (mehrjährige Laufzeiten von 4-5 Jahren oder mehr ohne jedwede Kündigungsmöglichkeit) eine Einschränkung von den hier dargestellten Grundsätzen macht. Allerdings gibt diese Entscheidung des BGH den Betriebskostenabteilungen in unseren Mitgliedsunternehmen bei Auseinandersetzungen rund um die Frage der Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots erstmal ein „neues“ und zusätzliches Argument an die Hand.

Dr. Kai Mediger

Rechtsanwalt und Justiziar

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