Alles, was recht ist

Eine Baugruppe ist schnell gegründet – aber wie sieht es mit den rechtlichen Rahmenbedingungen dabei aus? Was, wenn die Gruppe zerfällt – einer aussteigen will – es Unstimmigkeiten bezüglich Nachmieter oder Eigentumsnachfolger gibt, Gemeinschaftsflächen eine neue Nutzung erhalten sollen? Fragen, die unbedingt vor dem Spatenstich mit einem Rechtsexperten geklärt werden müssen.
— GISELA GARY, MAIK NOVOTNY

Der Bauträger Schwarzatal realisiert außergewöhnlich viele Projekte mit Baugruppen. Geschäftsführerin Martina Drescher gilt als Vorreiterin. 2013 startete sie mit dem Wohnprojekt Wien am Nordbahnhof. Ein Haus für eine Baugruppe, mit Bibliothek und Sauna auf dem Dach, geplant von einszueins architektur mit der gemeinnützigen Schwarzatal als Partner.

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Seitdem hat sich der Bauträger zum Baugruppenspezialisten entwickelt: Insgesamt acht Projekte dieser Art sind fertiggestellt, darunter das preisgekrönte Gleis21 im Sonnwendviertel, vier weitere in Arbeit. Und ja, es ist mehr Aufwand, räumt auch Ilse Kutil, Rechtsanwältin, ein: „Ein Gruppenprojekt zu betreuen, ist sicher mehr Aufwand, gewohnte hierarchische Entscheidungen gibt es bei Baugruppen nicht. Alles findet auf Augenhöhe statt und es reden wirklich alle mit.“ Ilse Kutil ist die Nachfolgerin von dem juristischen Doyen der Baugruppen, Markus Distelberger.

Martina Drescher erklärt, warum sich der Mehraufwand aber trotz Risikos lohnt: „Riskant ist im Grunde jedes Bauvorhaben. Wenn man sich auf die Zusammenarbeit mit einer Gruppe einlässt, bedarf das einer bestimmten Wertekultur. Wir wollten Starthelfer für neue Wohnformen sein. Die Wohngruppe kam damals auf uns zu, und wir haben schnell gesehen, dass diese Wohnform eine reizvolle Innovation im geförderten Wohnbau darstellt. Für die Wohnbauförderung und den Wohnfonds Wien war das damals Neuland.“

Viele Fragen

Das Wichtigste ist, dass ein Rechtsanwalt frühzeitig eingebunden wird, so Kutil: „Denn als Allererstes muss die Rechtsform (Verein, Genossenschaft, Mit- bzw. Wohnungseigentümergemeinschaft etc.) geklärt werden, also bevor die Baugruppe gegründet werden soll. Dem voran steht die Frage, wer überhaupt Liegenschaftseigentümer sein soll, z. B. ein Verein, der dann an seine Mitglieder vermietet oder sind die Bewohner selbst Miteigentümer etc.? Es muss auch Einigkeit darüber herrschen, welche Rolle ein etwaig eingebundener Bauträger hat – soll dieser „nur“ bauen oder später auch die Funktion des Vermieters übernehmen etc.?“

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Als Herausforderung betrachtet Kutil auch die rechtliche Umsetzung von Baugruppenprojekten im Rahmen der geltenden Rechtslage: „Sobald ich mich als Baugruppe z. B. für Wohnungseigentum entscheide, gelangt zwingend das Wohnungseigentumsgesetz (WEG) zur Anwendung, das aber schlichtweg nicht auf die Bedürfnisse von Baugruppen zugeschnitten ist.

So gibt es im WEG etwa Bereiche, in denen Individualrechte als besonders schützenwert geregelt sind, was jedoch der Grundhaltung von Baugruppen, das Gemeinschaftsinteresse in den Mittelpunkt zu stellen, zuwiderläuft. Manche rechtlichen Themen sind in diesem Licht nicht befriedigend aufzulösen. Eine eigene gesetzliche Grundlage für Baugruppenprojekte wäre da schon wichtig. Der Gesetzgeber ist aber offensichtlich der Meinung, dass Individualeigentum das höchste ist“, so Kutil.

Auch das Thema Förderungen muss frühzeitig geklärt werden. Drescher betont, dass eine Baugruppe ein sensibles Konstrukt ist: „Das Wichtigste ist, dass die erträumte Form des Zusammenlebens nicht durch Rechtsvorschriften zerstört wird – etwa, wenn eine Wohnung schnell verkauft werden muss und der neue Eigentümer kein Interesse an einer kollektiven Wohnform hat. Das Wohnprojekt Wien hat sich als Verein konstituiert, der mit uns einen Generalmietvertrag abgeschlossen hat. Das hat sich als sehr tragfähig erwiesen. Die Wohnheimförderung hat den Vorteil, dass sie nicht nur die Wohnfläche, sondern auch die Gemeinschaftsflächen bedient – was bei den meisten Baugruppen gut ein Viertel der Fläche ausmacht.“

Noch Neuland

Baugruppen sind längst noch nicht „Alltag“ – wie ein Rundruf bei verschiedenen Bauträgern zeigt. Antworten wie „Bitte lassen Sie mich mit dem Thema in Ruhe“ bis „Das ist sicher nichts für uns“ zeugen davon, dass nicht jeder Bauträger von Baugruppen begeistert ist. Kutil schmunzelt: „Das kann ich auch verstehen! Es ist wirklich kein einfaches Unterfangen – aber wie die Baugruppen- Projekte zeigen, einfach toll, wenn es rund läuft und alles klappt.“

Aber klar, so auch Drescher: „Jede Gruppe ist anders. Am Anfang sind die Träume groß, und bei der Umsetzung ist das Aufwachen oft hart, weil man immer Abstriche machen muss. Da muss die Gruppe stark sein, und es hilft, wenn sich ihre Mitglieder mit der Realität des Bauens ein bisschen auskennen. Die Kunst ist, deren Vorstellungen mit den Gesetzen und Vorgaben in finanzierbaren Einklang zu bringen.“

Aber auch bezüglich Finanzierung gibt es unzählig viele Varianten. Bauen mit einer Genossenschaft hat den Vorteil, dass die Finanzierung leichter abzuwickeln ist – dafür ist die Gründung einer Genossenschaft teuer und aufwendig, ein Verein ist hingegen rasch gegründet, in puncto Finanzierung hat diese Rechtsform jedoch das Nachsehen. Zudem werden diverse Verträge benötigt, wie etwa Miet-/Eigentümerverträge, Verträge mit Baufirmen, mit Generalunternehmern, Vereinbarungen über eventuelle Veräußerungsverbote etc…

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