Im Panel „Gebäude werden digital – was machen wir mit den Daten?“ zeigt Christopher von Gumppenberg, Gründer und Geschäftsführer der KUGU Home GmbH, wie sich aus Mess- und Anlagendaten konkrete Energieeinsparungen ableiten lassen. KUGU ist seit 2018 mit rund 50 Mitarbeitenden in Berlin aktiv und betreut nach eigenen Angaben über 3.500 Anlagen, mehr als eine Million Geräte und Sensoren in über 300.000 Wohneinheiten in Deutschland und Österreich.
Der Vortrag verortet KUGU klar als „Dekarbonisierungspartner“ der Wohnungswirtschaft: Ziel ist ein CO₂-neutraler Immobiliensektor mit möglichst wenig Aufwand für Eigentümer, Verwalter und Messdienstleister.
Die zentralen Herausforderungen
- Heizungsanlagen laufen nach Bauchgefühl, nicht nach Daten
Viele Kessel, Wärmepumpen oder Übergabestationen sind zwar regelbar, werden aber in der Praxis mit statischen Parametern betrieben. Witterung, Nutzerverhalten oder Modernisierungen werden selten nachgezogen, Energie wird verschenkt. - Daten sind da, werden aber kaum genutzt
Zähler, Fühler, Wärmemengenzähler, Gas- und Stromzähler liefern bereits Werte. Dennoch fehlen oft durchgängige Datenpipelines vom Anlagenkeller bis ins Auswertungstool. - Manuelle Fernwärme- oder Heizungsoptimierung ist teuer
Klassische Optimierungsprojekte erfordern Vor-Ort-Termine, manuelle Anpassungen und regelmäßige Nachsteuerung – kaum skalierbar für große Portfolios. - Energiekosten steigen – CO₂-Ziele werden schärfer
Eigentümer und Verwalter stehen unter Druck, gleichzeitig Betriebskosten zu reduzieren und Effizienzklassen ihrer Gebäude zu verbessern. - Unsicherheit bei Umlagefähigkeit neuer Services
Digitale Optimierungslösungen werfen die Frage auf: Welche Kosten dürfen auf Mieter:innen umgelegt werden – und wie rechtssicher ist das?
Der Lösungsansatz
KUGU positioniert sich als datengetriebener Partner für Energieoptimierung und Monitoring im Bestand. Grundlage ist eine Plattform, die Zähler- und Anlagendaten aus Heizungs- und Energiesystemen sammelt, mit externen Daten anreichert und daraus Optimierungsentscheidungen ableitet.
1. Datenpipeline vom Keller in die Cloud
Laut Präsentation verbindet KUGU:
- Heizkostenverteiler, Wasser- und Wärmezähler,
- Gas- und Stromzähler,
- Anlagentechnik wie Kessel, Wärmepumpen, Fernwärmeübergaben und PV-Anlagen.
Dazu wird ein Gateway („KUGU Hub“) an die bestehende Regelung der Heizanlage angeschlossen. Die Plattform ist mit mehr als 150 Regelungstypen gängiger Hersteller kompatibel, von Bosch, Buderus und Vaillant über Viessmann bis Siemens.
Externe Daten wie Wetterprognosen und variable Energiepreise werden ergänzt, um das reale Verhalten des Gebäudes abbilden zu können.
2. Digitaler Gebäudezwilling als Grundlage der Optimierung
Im Zentrum steht ein digitaler Zwilling des Gebäudes und des Heizungssystems:
- Initiale Erfassung: Baujahr, Sanierungsstand, Gebäudetyp, Eckdaten der Anlage.
- Verbrauchsdaten-Erfassung: Für 3–6 Tage werden Heizlast und Temperaturen im laufenden Betrieb gemessen.
- Kalibrierung: KI-gestützte Modelle analysieren, wie viel Wärme das Gebäude bei welchen Außenbedingungen verliert und welche Effekte solare Gewinne oder interne Lasten haben.
- Digitaler Zwilling: Aus diesen Daten entsteht ein thermodynamisches Gebäudemodell, das als Basis für die Optimierung dient.
3. Tägliche, vollautomatische Optimierung (KUGU EOS)
Auf Basis des Zwillings werden täglich:
- Wetterprognosen (über 30 Parameter),
- Verbrauchsprofile und Komfortanforderungen der Nutzer:innen
ausgewertet. Der Algorithmus berechnet dann die benötigte Heizleistung für den Folgetag und spielt in 15-Minuten-Takten neue Sollwerte in die Heizanlage ein.
Ergebnis laut Präsentation:
- Übertemperaturphasen werden reduziert,
- thermischer Komfort bleibt erhalten,
- Einsparungen von durchschnittlich über 20 %, mindestens 12 % werden garantiert.
Die Lösung ist für den täglichen Betrieb vollautomatisch, nach der Installation muss im Regelfall niemand mehr „an den Knöpfen drehen“.
4. Visualisierung, Reporting und Alarmierung (KUGU VIS)
Das zweite Produkt in der „Energy Suite“ ist ein Visualisierungssystem:
- Live-Schema der gesamten Anlagentechnik im Portal,
- Kennzahlen und Analysen zu Energieverbrauch, CO₂-Ausstoß und Anlageneffizienz,
- individuell konfigurierbare Alarmierungen (z. B. bei Fehlfunktionen oder atypischen Verbrauchsmustern),
- Berichte zur Kosten-Nutzen-Analyse nach Heizperiode, als PDF exportierbar.
Damit wird aus der „Black Box Heizungsanlage“ ein transparentes, steuerbares System.
5. Umlagefähigkeit und Geschäftsmodell
KUGU hebt hervor, dass wiederkehrende Kosten für die prädiktive Steuerung nach § 7 Abs. 2 Heizkostenverordnung umlagefähig sind, etwa für Fernüberwachung, Steuerung und laufende Datenauswertung.
Das Unternehmen bietet zudem ein Pilotmodell an:
- 5–10 Gebäude,
- eine Heizperiode (ca. 3–6 Monate),
- Ziel: ≥ 12 % Energieeinsparung und ≥ 2 % höherer Nutzungsgrad der Anlage.
Warum das wichtig ist
Die Wohnungswirtschaft steht vor der Aufgabe, Energieverbräuche und CO₂-Emissionen deutlich zu senken, bei gleichzeitig steigenden Energiepreisen und Fachkräftemangel im technischen Management.
Lösungen, die über vorhandene Heiztechnik gestülpt werden können, ohne sie komplett zu ersetzen, sind besonders attraktiv: Sie schaffen messbare Einsparungen, verbessern Effizienzklassen und erhöhen so den Portfoliowert, und das mit relativ geringem Capex. Dass wiederkehrende Kosten umlagefähig sind, erleichtert die Wirtschaftlichkeitsrechnung zusätzlich.
Einordnung für die Wohnungswirtschaft
Wo passt KUGU besonders gut?
- Bestände mit zentralen Heizungsanlagen (Kessel, Wärmepumpen, Fernwärme),
- Objekte mit bereits vorhandenen Zählern, aber ohne systematische Auswertung,
- Portfolios, in denen Heizkosten und CO₂-Bilanzen spürbar gesenkt werden sollen, ohne sofort alle Anlagen auszutauschen.
Abhängigkeiten und Voraussetzungen
- Die eingesetzte Regelung der Heizanlage muss an den KUGU Hub angebunden werden können (laut Präsentation sind >150 Regelungstypen unterstützt).
- Für die Modellierung werden belastbare Gebäudedaten und einige Tage Messwerte benötigt.
- Ein durchdachtes Vertrags- und Umlagekonzept ist nötig, um die Kosten sauber auf die Betriebskosten umzulegen.
Risiken / Grenzen
- Einsparungen hängen vom Ausgangszustand ab: Wo Anlagen bereits optimal eingestellt sind, ist der Hebel kleiner.
- Die Wirksamkeit steht und fällt mit Datenqualität (Zähler, Fühler, Wetterdaten).
- Verwalter benötigen klare Prozesse, um Alarme und Reports in ihren Alltag zu integrieren, sonst bleiben Potenziale ungenutzt.
Was jetzt zu tun ist
Checkliste für Verwalter und Bestandshalter
- Bestand sichten
- Welche Objekte haben zentrale Heizungsanlagen und relevante Energiekosten?
- Datenlage prüfen
- Welche Zähler und Fühler sind vorhanden, wie werden sie heute genutzt?
- Pilot-Cluster definieren
- 5–10 repräsentative Gebäude auswählen (Baujahr, Typ, Verbrauch).
- Umlagefähigkeit klären
- Mit Rechts- und Abrechnungsteams prüfen, wie Optimierungskosten eingebunden werden.
- Technik-Check mit KUGU/Partnern
- Klären, ob Regelung und Netzanbindung für den Hub geeignet sind.
- Pilotvertrag und KPIs festlegen
- Einsparziele, Reporting und Umgang mit Nicht-Erreichen der Garantie definieren.
- Rollout-Plan vorbereiten
- Wenn der Pilot überzeugt: Kriterien und Fahrplan für Skalierung auf größere Teile des Portfolios festlegen.
Praxisnutzen / Beispiele
In der Präsentation stellt KUGU die Ergebnisse eines Pilotprojekts mit der Gewobag vor:
- Betrachtungszeitraum: Mitte Oktober 2024 bis Ende März 2025,
- 10 Objekte mit insgesamt 1.055 Heiztagen,
- 313.039 kWh eingesparte Energie,
- 21.915 € eingesparte Energiekosten,
- 62,9 Tonnen weniger CO₂-Emissionen,
- durchschnittlich 23 % Einsparung – bei umgelegter SaaS-Gebühr von 10.200 € pro Jahr.
Das Projekt wurde inzwischen auf über 300 Objekte ausgeweitet – ein Indiz dafür, dass der Ansatz in der Praxis hinreichend robust ist, um skaliert zu werden.
Fazit
Christopher von Gumppenberg zeigt mit KUGU, wie sich aus „toten“ Heizungsdaten ein handfestes Effizienzwerkzeug machen lässt. Digitale Zwillinge, KI-gestützte Optimierung und klare Einspargarantien adressieren gleich mehrere Schmerzpunkte der Wohnungswirtschaft: Energiepreise, CO₂-Ziele und Fachkräftemangel im technischen Betrieb.
Für Entscheider:innen lohnt sich ein strukturierter Blick auf den eigenen Bestand: Wo sind die größten Heizenergieverbräuche, wo fehlen heute transparente Daten? Ein Pilot mit begrenzter Objektzahl kann helfen, das Potenzial von KI-basierter Heizungsoptimierung realistisch einzuschätzen und daraus einen skalierbaren Pfad für die Dekarbonisierung des Portfolios abzuleiten.
Das Wichtigste auf einen Blick
- Heizungsanlagen laufen oft ineffizient, Einsparpotenziale bleiben im Alltag ungenutzt.
- KUGU verbindet Zähler- und Anlagendaten mit Wetterprognosen und KI-Optimierung.
- Digitaler Gebäudezwilling steuert die Heizung täglich neu – vollautomatisch.
- Anbieter garantiert mindestens 12 % Energieeinsparung, im Schnitt über 20 %.
- Wiederkehrende Kosten sind laut Gutachten umlagefähig nach Heizkostenverordnung.
- Pilotprojekte zeigen rund 23 % Einsparung und höheren Nutzungsgrad der Anlagen.
- Einstieg über Pilot mit 5–10 Gebäuden und einer Heizperiode möglich.
Glossar
Digitaler Zwilling
Virtuelles Modell eines realen Gebäudes und seines Heizungssystems, das Verhalten und Energieflüsse simuliert. Grundlage für automatisierte Optimierung.
KUGU Energy Suite
Produktbündel aus KUGU EOS (Energy Optimization System) und KUGU VIS (Visual Information System) für Optimierung und Monitoring von Heizungsanlagen.
KUGU Hub
Gateway im Heizungsraum, das Regelungen verschiedenster Hersteller mit der KUGU-Plattform verbindet und Daten überträgt.
Einspargarantie
Zusage des Anbieters, mindestens 12 % Energieeinsparung zu erzielen; laut KUGU liegen Kunden im Schnitt über 20 %.
Umlagefähigkeit nach HeizkostenV
Möglichkeit, wiederkehrende Kosten für digitale Steuerung und Überwachung der Heizanlage auf Mieter:innen umzulegen, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.
Nutzungsgrad der Anlage
Kennzahl, die beschreibt, wie effizient zugeführte Energie in nutzbare Wärme umgesetzt wird; höhere Nutzungsgrade bedeuten weniger Verluste.
Fernüberwachung / Monitoring
Laufende Überwachung von Anlagenparametern per Online-Zugang; ermöglicht frühzeitige Fehlererkennung und gezielte Wartung statt reiner Reaktion auf Störungen.
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Autor: Redaktion Wohnungswirtschaft Heute – HEIKOM-Sonderausgabe 2025
Foto: DEUMESS – Frank Schütze / Fotografie Kranert



