Hamburgs soziale Vermieter – mehr Modernisierung statt Neubau

Hamburgs soziale Vermieter haben angesichts steigender Umweltschutzauflagen und schwerer handwerklicher Fehler bei der Erarbeitung der Klimaschutzgesetzgebung vor einem Ende des Baus bezahlbarer Wohnungen in der Hansestadt gewarnt.

„Wir müssen es so deutlich sagen: die aktuellen Schutzauflagen und die handwerklichen Fehler bedrohen das bezahlbare Wohnen in Hamburg“, sagte Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), bei der Jahrespressekonferenz des Verbandes in Hamburg.

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„Wer glaubt, man kann immer noch eine Auflage draufsetzen oder die Zeit bis zum Erreichen der Klimaschutzziele verkürzen, der spielt mit dem sozialen Frieden in den Quartieren. Auch das Gerangel um das Heizungsgesetz als einen ‚Test‘ zu bezeichnen, wird dem Ernst der Lage nicht gerecht. Die Zukunftsängste der Menschen testet man nicht.“

„Experten zufolge müssen in Hamburg bis zum Jahr 2045 mindestens rund 40 Milliarden Euro investiert werden, um die etwa 990.000 Wohnungen klimaneutral zu machen. Das bedeutet rein rechnerisch eine Investition von rund 40.000 Euro für jede einzelne Wohnung. Abgesehen davon, dass diese Summe zu keiner einzigen neuen Wohnung führen und den Wohnungsmarkt entlasten wird, werden unsere Unternehmen mit ihren niedrigen Mieten das nicht leisten können – zumindest nicht, ohne die Mieten deutlich zu erhöhen.“

Die Erst- und Wiedervermietungsmiete liegt bei den am Gemeinwohl orientierten Vermietern im Durchschnitt derzeit bei 7,82 Euro pro Quadratmeter – also gut zwei Euro unter dem Durchschnitt des Hamburger Mietenspiegels (9,83 Euro).

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„Wer jetzt noch mehr Klimaschutz in noch kürzerer Frist verspricht, der muss den Menschen ehrlicherweise auch sagen, dass sie das sehr viel Geld kosten wird“, sagte VNW-Direktor Andreas Breitner. „Die sozialen Vermieter vermissen in der aktuellen Debatte diese Ehrlichkeit.

Statt ehrlicher Worte fordern Teile der Politik noch strengere Klimaschutzauflagen und plädieren dafür, die CO2-Neutralität bereits im Jahr 2040 zu erreichen. Interessanterweise sagen diese Politikerinnen und Politiker aber nicht, was das Ganze die Hamburgerinnen und Hamburger kosten wird.“

Leidtragende sind die einfachen Menschen

„Die Leidtragenden einer unvernünftigen ‚Immer-mehr-Politik‘ und ‚Immer-früher-Politik’ werden jene Menschen sein, die es jetzt schon nicht besonders dicke haben“, sagte Marko Lohmann, Vorsitzender des VNW-Landesverbands Hamburg und Vorstand der Gemeinnützigen Baugenossenschaft Bergedorf-Bille eG.

„Wohlhabende und Gutverdiener werden sich möglicherweise über die steigenden Kosten ärgern, können diese aber letztlich tragen. Menschen mit mittlerem und geringem Einkommen hingegen werden das mit einem deutlichen Rückgang ihres Lebensstandards bezahlen müssen.“

Trotz der kürzlich noch einmal deutlich aufgestockten öffentlichen Wohnungsbauförderung müssten sich die am Gemeinwohl orientierten Vermieter immer häufiger entscheiden, ob sie Bestandswohnungen sanierten oder neue Wohnungen bauen wollten, so Lohmann weiter. „Oftmals fällt die Entscheidung zu Gunsten der energetischen Sanierung aus. Auch unsere Unternehmen können den Euro nur einmal ausgeben.“

Lohmann verwies darauf, dass es bereits gute Möglichkeiten gibt, die Klimawende sozialverträglich zu organisieren. Der sogenannte Quartiersansatz und die gesetzlich zulässige Sektorenkopplung seien richtige Ansätze, die große Chancen böten. „Die sozialen Vermieter stehen bereit. Die Politik muss jetzt die entsprechenden Voraussetzungen schaffen.“   

Vermieter mit den Kosten der Energiewende zu belasten, ist hanebüchen

Es sei hanebüchen, wenn in dieser Situation in der Politik über eine Deckelung der Miete und eine Senkung der Modernisierungsumlage nachgedacht wird – also vor allem die Vermieter mit den Kosten für die Energiewende zu belasten, sagte VNW-Direktor Andreas Breitner.

„Das ist einfache Mathematik, das kann nicht funktionieren. Woher soll denn das ganze Geld kommen, das notwendig ist, um die Wohngebäude klimaneutral zu machen? Die sozialen Vermieter, deren monatliche Durchschnittsmiete bei 7,41 Euro pro Quadratmeter liegt, werden so in den wirtschaftlichen Ruin getrieben.“

Die derzeit größte Herausforderung der VNW-Mitgliedsunternehmen bestehe darin, die bereits existierenden Anforderungen der Energiewende und das bezahlbare Wohnen auf einen Nenner zu bekommen, sagte Peter Kay, Baugenossenschaft freier Gewerkschafter eG (bgfg). „Wir haben den Eindruck, dass wir in dieser Frage bei der Politik kaum mehr Gehör finden.“

Auch die öffentlichen Kassen sind endlich

Die ständige Erhöhung der Klimaschutzauflagen durch den Hamburger Senat passe nicht zu seinen enormen Anstrengungen, neue Wohnungen errichten zu lassen, sagte VNW-Direktor Andreas Breitner. „Eines aber ist sicher: auch die öffentlichen Kassen sind endlich. Am Ende wird das Geld nicht für beides – für die Förderung von Neubau und Sanierung – reichen.“

Die sozialen Vermieter stünden zum Klimaschutz, sagte Marko Lohmann. „Wir haben in den vergangenen zwei Jahrzehnten mehrere Milliarden Euro in die energetische Sanierung unserer Wohngebäude investiert. Mit einer Modernisierungsrate von mehr als zwei Prozent liegen die Hamburger VNW-Unternehmen deutlich über der von Politik und Experten geforderten Rate von einem Prozent.“

Anstatt das anzuerkennen und zu unterstützen, versucht die Politik, unterschiedslos das Vermieten von Wohnungen zu einer bezahlbaren Miete wirtschaftlich unmöglich zu machen „Ja, es gibt Vermieter, die mit der schwierigen Lage am Wohnungsmarkt ihren Reibach machen, die mit Grundstücken schachern und Wohngebäude zum Zwecke der Profitmaximierung leer stehen lassen.

Die sozialen Vermieter gehören aber nicht dazu. Sie zeigen vielmehr seit Jahrzehnten, dass man beim bezahlbaren Wohnen sich auf sie verlassen kann. Warum wird ihnen nicht der ‚rote Teppich‘ ausgerollt? Warum werden sie mit Miethaien in einen Topf geworfen?“

Die Politik hat den Worten von VNW-Direktor Andreas Breitner zufolge richtig erkannt, dass das bezahlbare Wohnen die wichtigste soziale Frage unserer Zeit ist. „Umso weniger verstehe ich, dass die politisch Verantwortlichen Maßnahmen beschließen, die das Wohnen teurer und damit unbezahlbar machen.“

„Es ist grotesk, dass die Stadtentwicklungssenatorin auf der einen Seite versucht, die Baukosten durch einen Gebäudetyp E zu senken und in den Bezirksämtern daran gearbeitet wird, die Baugenehmigungsverfahren zu verkürzen, auf der anderen Seite diese Anstrengungen durch eine Gründach- und Solardachpflicht sowie strenge Effizienzhausvorgaben und eine steigende CO2-Abgabe konterkariert werden.“

Dramatischer Mangel an Fachkräften verschärft die Lage

„Hinzu kommt ein dramatischer Mangel an Fachkräften, sowohl in den Bauunternehmen als auch in den städtischen Behörden. Dieser Mangel wird sich kurzfristig nicht beseitigen lassen und macht sowohl das Bauen als auch das Modernisieren von Wohngebäuden teurer.“

Wer in so einer Situation die Klimaschutzziele verschärft und die energetischen Anforderungen an den Neubau erhöhe, nehme das Scheitern in Kauf, so der VNW-Direktor. „Damit ist dem Klimaschutz nicht gedient. Ich habe eher die Sorge, dass die Unterstützung für den Klimaschutz bei den einfachen Menschen Schaden nimmt.“

Peter Kay verwies auf die Diskussion um das Heizungsgesetz im vergangenen Jahr. „Diese hat deutlich vor Augen geführt, dass die Menschen den Klimaschutz zwar unterstützen, aber sehr sensibel darauf reagieren, wenn sie übervorteilt werden sollen. Sie sind letztlich jene, die die Kosten der Energiewende zu tragen haben.“

Unternehmen werden umsetzen, was sie umsetzen können

Die Politik ist gut beraten, die Stimmung unter den Menschen ernst zu nehmen“, ergänzte VNW-Direktor Andreas Breitner. „Ansonsten droht den Parteien der Mitte ein massiver Machtverlust, während die populistischen Parteien an den Rändern Zulauf erhalten werden.“

Die sozialen Vermieter setzen darauf, dass die Versorgung der Wohnungen mit regenerativ erzeugter Wärme und grüner Energie der Schüssel ist, die Energiewende erfolgreich umzusetzen. Zudem favorisieren unsere Unternehmen den sogenannten Quartiersansatz, bei dem die Reduzierung des Kohlendioxidausstoßes des Quartiers und nicht jedes einzelnen Gebäudes im Mittelpunkt steht.

„Viele VNW-Unternehmen werden jetzt das umsetzen, was sie umsetzen können. Das bedeutet, wenn eine Heizungsanlage erneuert werden muss, dann wird sie nach dem neuesten Stand der Technik erneuert werden. Eine zusätzliche Hausdämmung, die viel kostet, aber wenig bringt und deren Produktion erhebliche Kohlendioxidemissionen verursacht, wird es in größerem Umfang jedoch nicht mehr geben.“

„Die sozialen Vermieter setzen darauf, dass die Versorgung der Wohnungen mit regenerativ erzeugter Wärme und grüner Energie der Schüssel ist, die Energiewende erfolgreich umzusetzen. Zudem favorisieren unsere Unternehmen den sogenannten Quartiersansatz, bei dem die Reduzierung des Kohlendioxidausstoßes des Quartiers und nicht jedes einzelnen Gebäudes im Mittelpunkt steht.“

Nun zu den Zahlen:

Die im VNW organisierten Wohnungsunternehmen bieten derzeit rund 300.000 Wohnungen zur Miete an. Die vor allem für Menschen, die eine Wohnung suchen, so wichtige Erst- und Wiedervermietungsmiete liegt bei den am Gemeinwohl orientierten Vermietern im Durchschnitt derzeit bei 7,82 Euro pro Quadratmeter – also gut zwei Euro unter dem Durchschnitt des Hamburger Mietenspiegels (9,83 Euro).

Im Vergleich zum Jahr 2022 ist die durchschnittliche Erst- und Wiedervermietungsmiete bei VNW-Unternehmen im vergangenen Jahr lediglich um sieben Cent pro Quadratmeter gestiegen. Betrachtet man alle rund 300.000 Wohnungen von VNW-Unternehmen, liegt die monatliche Netto-Kaltmiete im Durchschnitt bei 7,41 Euro pro Quadratmeter. Das ist ein Anstieg um 19 Cent gegenüber dem Jahr 2022.

Dieser Anstieg dürfte auch ein Ergebnis der hohen Modernisierungsrate sein, die im vergangenen Jahr bei 2,8 Prozent lag und damit den höchsten Wert seit der Jahrtausendwende erreichte. Üblicherweise sind Modernisierungen sehr umfassend und erhöhen erheblich den Standard vor allem älterer Wohnungen.

Die hohe Modernisierungsrate zeigt sich in der gestiegenen Zahl der modernisierten Wohnungen. Im vergangenen Jahr wurden von VNW-Unternehmen 8429 Wohnungen modernisiert – rund 700 mehr als im Jahr 2022. Die Zahl der neu gebauten Wohnungen sank hingegen von 2243 (2022) auf 1739 (2023).

Etwas überraschend stieg die Zahl der Baubeginne auf 2002 Wohnungen (+ rund 400). Das Investitionsvolumen ist im vergangenen Jahr erneut gesunken und lag bei rund 1,14 Milliarden Euro. Darin spiegelt sich die große Verunsicherung der Unternehmen angesichts des Förderchaos, aber auch angesichts der Debatte um das Heizungsgesetz wider. Viele Unternehmen warten ab und müssen ihre mittelfristigen Investitionsplanungen neu justieren.

Oliver Schirg

Der Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW) vertritt in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein insgesamt 443 Wohnungsgenossenschaften und Wohnungsgesellschaften. In den von ihnen verwalteten 742.000 Wohnungen leben rund 1,5 Millionen Menschen. Die durchschnittliche Nettokaltmiete pro Quadratmeter liegt bei den VNW-Unternehmen bei 6,41 Euro. Der VNW ist der Verband der Vermieter mit Werten.

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