Wie aktuell sind Genossenschaften?

In einer Studie in Kooperation mit der IBA_Wien Neues soziales Wohnen wurde untersucht, wie der Stand der Dinge bei den Wiener Wohnungsgenossenschaften ist und wohin die Entwicklung gehen könnte. Die Antworten, die in diesem Fall von Bewohnern und Experten kamen, sind teils erwartbar, teils neu.
— ROBERT TEMEL

Die Studie stammt von wohnbund:consult (Ernst Gruber, Margarete Huber, Raimund Gutmann, Helena Bernhardt), einem Unternehmen, das selbst als Genossenschaft organisiert ist, und steht unter dem Titel „Genossenschaftlich wohnen morgen“. Die Finanzierung der Studie erfolgte durch die Siedlungs-Genossenschaft Altmannsdorf und Hetzendorf (AH), demnach wurden auch Bewohner dieser Genossenschaft befragt, sowie durch eine Förderung des Kulturministeriums. In Österreich und speziell in Wien ist der Begriff doppeldeutig: Einerseits ist klar definiert, was eine Genossenschaft ist, nämlich ein Unternehmen, das nicht eine Gewinnabsicht verfolgt, sondern die eigenen Mitglieder fördert – bei einer Wohnungsgenossenschaft eben durch Bereitstellung von preiswertem und qualitätvollem Wohnraum.

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Andererseits wird hierzulande umgangssprachlich jede gemeinnützige Bauvereinigung als Genossenschaft bezeichnet, obwohl etwa die Hälfte davon Aktiengesellschaften oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung sind. Diese Überlagerung der Rechtsform Genossenschaft mit dem Regulierungsbereich Wohnungsgemeinnützigkeit ist wohl mit ein Grund dafür, dass die letzte österreichische Wohnungsgenossenschaft im Rahmen der Gemeinnützigkeit 1957 gegründet wurde, während in Schweiz und Deutschland die Gründung neuer, innovativer Genossenschaften boomt.

Ansätze dafür gibt es mittlerweile auch in Wien, allerdings bisher ausschließlich außerhalb der Gemeinnützigkeit: die Genossenschaften Die WoGen, HausWirtschaft und Mona 21. Und die Überlagerung ist auch ausschlaggebend dafür, dass die Vorteile der Genossenschaft als Form mit ganz eigenen, höchst demokratischen Strukturen wenig bekannt sind, sie verschwindet hinter dem in Österreich bestimmenden Thema der Wohnungsgemeinnützigkeit, für die es nicht besonders wichtig ist, in welcher Rechtsform gebaut wird.

Die Sicht der Genossen

Im Rahmen der Studie wurde eine quantitative Befragung mittels Fragebogen in vier Siedlungen der AH mit dem relativ hohen Rücklauf von 23 Prozent durchgeführt, weiters wurden mit einzelnen Bewohnern und Experten qualitative Interviews geführt. Die vier Siedlungen umfassen das gesamte Spektrum der Entwicklung in Wien, von der traditionsreichen Siedlung Rosenhügel aus den 1920er-Jahren bis zu der erst kürzlich fertiggestellten Anlage in der Viehtriftgasse. Die Resultate wurden in einer Publikation und einer Ausstellung dokumentiert.

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Die Befragung der Bewohner machte deutlich, dass etlichen nicht klar ist, dass sie Miteigentümer der Genossenschaft sind, deren wichtigste Entscheidungen der Mitbestimmung ihrer Mitglieder unterliegen. Bewohner älterer Siedlungen haben diesbezüglich naturgemäß größeres Bewusstsein als jene, die erst kürzlich in eine neue Genossenschaftswohnung eingezogen sind. Die informellen sozialen Strukturen sind andererseits nicht nur bei den alten Siedlungen stark, sondern auch bei sehr jungen Bauten, bei denen bereits ein Besiedlungsmanagement im Rahmen eines Konzepts der sozialen Nachhaltigkeit stattgefunden hat.

Die Teilhabestrukturen werden, soweit überhaupt bekannt, häufig als sehr bürokratisch wahrgenommen. Zwischen der für die Einzelnen relativ abstrakten Vorstandswahl und der Betroffenheit im direkten Wohnumfeld gäbe es wohl ein breites Spektrum an Teilhabemöglichkeiten, das man offerieren könnte.

Mehr als nur Wohnen

Energiegemeinschaften, geteilte Fahrzeuge und Mobilitätsdienstleistungen, Food Coops, Urban Farming, soziale Trägerschaft, Quartiersentwicklung und vieles mehr sind mögliche neue Themen, die von Wohnungsgenossenschaften in ihre Tätigkeitsfelder aufgenommen werden könnten – um ihre Mitglieder damit über die reine Konsumentenrolle hinaus zu aktivieren, sodass diese auch Verantwortung für die Genossenschaft und ihre Mitglieder übernehmen und sich engagieren können…

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