Als Hartmut Michels die HEIKOM in Erfurt eröffnet, spricht er einen Satz aus, der in einer Zeit voller Krisen ungewohnt klingt: „Der Branche geht es gut.“ Für Mess- und Energiedienstleister ist das mehr als eine freundliche Begrüßungsfloskel.
Michels, Vorstand des DEUMESS e.V. und Gastgeber der Messe, begründet diesen Befund detailliert und zeichnet damit den Rahmen für zwei dicht gefüllte Tage an der Schnittstelle von Energie, Daten und Gebäudemanagement.
Was heißt „der Branche geht es gut“ also konkret?
Michels verweist zunächst auf das Fundament: Ein klarer politischer und regulatorischer Rahmen sorgt dafür, dass das Kerngeschäft – Erfassung und Abrechnung von Wärme, Wasser und künftig verstärkt auch Strom – planbar bleibt. Die Dienstleistungen der DEUMESS-Mitglieder sind unmittelbar mit den Zielen der Energiewende verknüpft: Verbrauchstransparenz herstellen, Daten erfassen, Energiekosten verursachungsgerecht verteilen. Das schafft stabile Nachfrage und Verträge: Ein Privileg, das aktuell längst nicht alle Branchen haben.
Gleichzeitig weitet sich das Spielfeld. Die HEIKOM versteht sich inzwischen ausdrücklich als Fachmesse für digitales Energie- und Gebäudemanagement, nicht mehr „nur“ für Wärme und Wasser. In Mehrfamilienhäusern ziehen neue Themen ein: Mieterstrom, digitale Heizungskeller, Submetering für Strom, Sektorkopplung. Mehr Technik im Gebäude bedeutet mehr Messpunkte, mehr Daten, mehr Abrechnung, und damit mehr Geschäft für diejenigen, die diese Ströme beherrschen.
Vom Nischenkongress zur Plattform der Branche
Dass die Branche diesen Rückenwind nutzt, zeigt die Messe selbst. Vor zwei Jahren wurde die Veranstaltung noch gemeinsam mit einer Fachvereinigung organisiert, nach deren Auflösung hat DEUMESS sie nahtlos übernommen und ausgebaut. Für Michels war das „kein großes Überlegen“, sondern eine klare Entscheidung, Verantwortung zu übernehmen und die Plattform weiterzuentwickeln. Ergebnis: Über 60 Aussteller, ein ausgebuchtes Abend-Event mit mehr als 500 Gästen und bereits vor Messebeginn vierstellige Besucherzahlen.
Der Marktplatz in der Mitte der Halle – tagsüber Bühne für Vorträge, abends Treffpunkt für die Branche – steht sinnbildlich für das Konzept: Impulse im Forum, Vertiefung an den Ständen, Austausch in informeller Atmosphäre. Dass mit Startups, etablierten Herstellern, Softwarehäusern, Mess- und Energiedienstleistern sowie Forschungspartnern (u. a. Fraunhofer mit einem virtuellen Mehrfamilienhaus) ein breites Spektrum vertreten ist, passt zum Anspruch der HEIKOM, Brücken zwischen Technik, Regulierung und Geschäftsmodellen zu schlagen.
Digitalisierung, Konsolidierung, Generationenwechsel – die andere Seite der Medaille
Michels beschönigt die Situation allerdings nicht. Der Rückenwind geht mit tiefgreifender Veränderung einher:
- Digitalisierung und Automatisierung: Viele Prozesse im Messdienstgeschäft eignen sich laut Michels ideal für den Einsatz von KI und automatisierten Workflows – von der Fernablesung über die Datenaufbereitung bis zur Abrechnung. Wer heute noch stark manuell arbeitet, wird mittelfristig an Effizienzgrenzen stoßen.
- Konsolidierung im Markt: Unternehmen übernehmen andere, bauen größere Verbünde auf, Strukturen verändern sich. Dieser Konzentrationsprozess wird, so Michels, weitergehen, auch wenn er phasenweise ins Stocken gerät.
- Generationenwechsel: Viele der meist eigentümergeprägten Unternehmen stehen vor der Frage, wie Nachfolge, Modernisierung und Wachstum zusammenpassen.
Seine Botschaft: Der Markt ist attraktiv, aber er verlangt Investitionsbereitschaft in Technik, Organisation und Köpfe.
„Wer sonst sollte es machen?“ – die komfortable Ausgangslage der Messdienste
Besonders deutlich wird Michels, wenn es um die Rolle der Messdienstleister geht. Sie seien „in der prädestinierten Lage“, zusätzliche Leistungen rund um digitale Gebäudeenergie zu übernehmen. Der Grund ist einfach:
- Sie haben den Zugang zum Eigentümer.
- Sie kennen die technische Struktur im Gebäude.
- Sie wissen oft sehr genau, wie die Mieterstruktur aussieht.
Mit anderen Worten: Messdienstleister sitzen bereits heute an der Schnittstelle von Gebäude, Daten und Abrechnung. Wer diesen Zugang nutzt, kann neue Geschäftsfelder erschließen – vom digitalen Heizungskeller über Mieterstrommodelle bis hin zu datenbasierten Services zur Optimierung von Energieflüssen.
Michels formuliert das als klaren Appell an die Anwesenden, die Chancen zu ergreifen und nicht darauf zu warten, dass branchenfremde Akteure diese Rolle übernehmen.

Innovationen zum Anfassen – vom Smart-House bis zum Startup-Space
Wie sich dieser Anspruch in konkrete Lösungen übersetzt, zeigt der Rundgang durch die Messe:
- Ein virtuelles Mehrfamilienhaus, in dem verschiedene Messgeräte real verbaut und digital erlebbar sind – als Einstieg in standardisierte Schulungs- und Beratungskonzepte für die Praxis.
- Ein eigener Startup-Bereich, in dem junge PropTech-Unternehmen neue Ideen für Submetering, Plattformen, KI-gestützte Prozessoptimierung, Kommunikation mit Mieter:innen und Energiemanagement vorstellen.
- Mess- und Energiedienstleister, die ihre klassischen Leistungen sichtbar in Richtung digitaler Services und Plattformmodelle erweitern.
Damit unterstreicht die HEIKOM ihren Charakter als Arbeitsmesse: weniger Show, mehr konkrete Anwendungsfälle und viele Gespräche darüber, wie sich Pilotprojekte in skalierbare Standards überführen lassen.
Ein Auftakt mit klarer Botschaft
Für die Leser:innen aus der Wohnungswirtschaft ist Michels’ Eröffnungsstatement in zweierlei Hinsicht relevant:
- Die Branche ist robust aufgestellt. Trotz angespannter Baukonjunktur und hoher Zinsen gibt es in der digitalen Energie- und Gebäudewirtschaft verlässliche Geschäftsmodelle, getragen von Regulierung, Dekarbonisierungszielen und dem anhaltenden Bedarf an Transparenz und Abrechnung.
- Die Komfortzone schrumpft. Digitalisierung, neue Funk- und Datenstandards, zunehmende Komplexität in den Anlagen und ein sich wandelnder Markt verlangen aktive Gestaltung von Messdiensten ebenso wie von Bestandshaltern und Verwaltern.
Michels’ „Der Branche geht es gut“ ist damit weniger Entwarnung als Einladung: Wer heute in Infrastruktur, Datenkompetenz und Kooperationen investiert, kann auf diesem Rückenwind aufbauen und die Energiewende im Gebäude nicht nur verwalten, sondern mitgestalten. Die HEIKOM bietet dafür den passenden Startpunkt.
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Autor: Redaktion Wohnungswirtschaft Heute – HEIKOM-Sonderausgabe 2025
Fotos: DEUMESS – Frank Schütze / Fotografie Kranert



