Vom Neubau-Labor in die Altbau-Praxis

Die Sozialbau arbeitet gerade an ein paar ökologischen Leuchtturm-Projekten. Doch die wahre Herausforderung wird sein, so Generaldirektor Josef Ostermayer, die Erkenntnisse aus dem Neubaubereich so rasch wie möglich auf den riesigen Bestand zu übertragen. Denn: 2040 ist übermorgen.
WOJCIECH CZAJA

Noch liegt ein Hauch „Ich gelobe“ und „Kommando Wegtreten“ in der Luft. Kein Wunder, schließlich wurde das Areal zwischen Spallartgasse und Hütteldorfer Straße in den letzten 100 Jahren als Offizierswohnstätte, k.k.-Infanterie-Kadettenschule und Bundeserziehungsanstalt für Knaben genutzt. Heute ist im denkmalgeschützten Kommandogebäude der Theodor-Körner-Kaserne das österreichische Heeres-Nachrichtenamt untergebracht.

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Rundherum indes wird bereits ein neues Stadtquartier aus dem Erdboden gestampft, das ganz im Zeichen der ökologischen Nachhaltigkeit steht. Die Sozialbau AG ist für die gesamte Projektentwicklung und Projektsteuerung auf dem Areal verantwortlich und errichtet gemeinsam mit driendl*architects etwa 280 Wohneinheiten. „Die Besonderheit an diesem Areal ist der alte Baumbestand“, sagt Andrea Steiner, Abteilungsleiterin für Neubau, Entwicklung und Steuerung bei der Sozialbau.

„Die vielen alten Bäume zeichnen die Qualität dieser Liegenschaft aus, aber sie sind auch eine logistische Herausforderung, denn sowohl in der Planung als auch in der Bauphase mussten wir damit sehr sorgfältig umgehen.“ Aufgrund des engen Platzangebots musste die Baustellen-Einrichtung mit ihren Containern und Lagerflächen in die umliegenden Gassen ausweichen. Der Rohbau ist bereits fertiggestellt, Anfang 2022 startet die Besiedelung der Wohnungen.

In der Stöbergasse in Margareten errichtet die Sozialbau in Kooperation mit heri&salli ein Wohnhaus mit 44 Wohneinheiten, das ganz im Zeichen des Urban-Minings steht – denn: Das ehemalige Berufsförderungsinstitut (bfi) und die Volkshochschule (VHS), die hier einst standen, dienten in den letzten Monaten als städtischer Steinbruch. In Zusammenarbeit mit dem BauKarussell wurde das Gebäude entkernt und Stück für Stück auseinandergenommen. 800 Kilogramm Eschenparkettboden aus dem ehemaligen Turnsaal wurden an einen privaten Bauherrn aus Niederösterreich weiterverkauft und fristen nun ein zweites Leben nach dem Turnsaaltod.

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Herausforderung Bestand

Und in der Joseph-Lister-Gasse in Lainz befinden sich gerade zehn Wohnhäuser nach Plänen von Coop Himmelb(l)au und DMAA Delugan Meissl Associated Architects in Fertigstellung. In unmittelbarer Nähe des Hörndlwalds entstehen 194 Wohnungen, die mitten im Grünen mit Wärmepumpe und Bauteilaktivierung temperiert werden. Eine geothermische Lösung wäre hier gar nicht möglich gewesen, denn die schwarzen und weißen Wohnwürfel sind – wie auch in der Spallartgasse – in einen extrem baumund somit auch wurzelreichen Freiraum eingebettet. Mehr als 10.000 Vormerkungen von Wohnungssuchenden sind der Beweis für die besondere Attraktivität dieses Projekts.

„Der Neubau ist eine spannende Materie, in der man technische Innovationen anwenden und in der Praxis auf die Alltagstauglichkeit prüfen kann“, sagt Josef Ostermayer, Generaldirektor der Sozialbau AG. „Dieses Betätigungsfeld ist für die Wohnbauforschung und den technischen Fortschritt im geförderten Wohnbau unverzichtbar. Doch die wahre Herausforderung besteht darin, diese Erkenntnisse auch auf den Bestandsbau zu übertragen.“

Und die Zeit eilt, denn insgesamt verwaltet die Sozialbau rund 53.000 Wohnungen, und bis spätestens 2040 muss den Anforderungen der Klimaneutralität entsprechend der gesamte Bestand – wo dies noch nicht der Fall ist – von fossilen Brennstoffen befreit und ökologisch auf Vordermann gebracht werden.

Thermentausch startet

Der größte Brocken: Die rund 5.000 Gaskombithermen, die die Sozialbau heute in ihren Bestandsobjekten betreibt, müssen sukzessive ausgetauscht werden. „Der Klimarat der Stadt Wien hat das Gemeinschaftsthermen- Projekt als einen effizienten und intelligenten Weg zum Einstieg in den Umstieg in die erneuerbare Energieversorgung hervorgestrichen“, erläutert Ostermayer.

„In einer ersten Phase werden wir die Gaskombithermen durch Gemeinschaftsthermen ersetzen, die wir vor allem auf den Dachböden einbauen werden. Die bestehenden Gaskombithermen werden entfernt, und die Kamine, die bislang zur Abluft genutzt wurden, dienen von nun als Schacht für die Vor- und Rücklaufleitungen. Für die Bewohner wird der bauliche Eingriff damit auf ein Minimum reduziert, denn die gesamte Heizungsinstallation im Wohnbereich bleibt davon unberührt.“

In eigens erstellten Sozialbau-Videos können sich die Mieter über die technische Vorgehensweise informieren. In einer zweiten Phase dann sollen die Gruppengasthermen bis spätestens 2040 auf nicht-fossile Energieträger ausgetauscht und adaptiert werden. Zur Auswahl stehen Geothermie, Fotovoltaik, Luftwärmepumpen sowie neu zu schaffende Fernwärme-Anschlüsse. „Wichtig ist, dass wir jetzt so rasch wie möglich die technischen Rahmenbedingungen schaffen“, so Ostermayer…

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