Stiller Aktionismus

Ein Gespräch mit dem Architektenteam von feld72 – Anne Catherine Fleith, Mario Paintner und Richard Scheich verraten ihr Erfolgsrezept: Das Thema Wohnen muss generell jung und experimentell angegangen werden.
PETER REISCHER

Der Begriff „feld“ ist für die Architekten ein inspirierendes Wort, das Provisorium, das Spannungsfeld – mehrere inhaltliche Bedeutungen schwingen da mit.

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Wo sehen Sie den Schwerpunkt bei „Planen für Junge“?

Bildungseinrichtungen, Schulen und Kindergärten sind natürlich explizit für Junge gedacht und geplant, wobei auch hier dem Austausch zwischen den verschiedenen Altersgruppen eine zentrale Bedeutung zukommt. Für den Wohnbau ist diese Unterscheidung falsch. Wo fängt Jung oder Alt an, es gibt ja auch Junggebliebene. Wir sehen die Planung als integrierenden Prozess, für alle an der Gesellschaft Beteiligten. Wir haben einmal einen Bauträger–Wettbewerb mit dem Titel „Junges Wohnen“ gewonnen – unserer Antwort war damals, die Frage nicht auf Altersschichten oder Grenzen zu beziehen, sondern wenn, dann auf die Art des Wohnens. Wir wollten junge Typologien einführen und vielleicht eine andere Form des Wohnens anbieten. Es geht darum, den Umgang mit Wohnen jung und experimentell zu halten.

Lucius Burckhart lehnt es ja strikt ab, als Architekt für eine nicht definierte Nutzerschicht zu planen, weil man ja nie wissen kann, wer schließlich in den (speziell) Wohnbauten wohnen wird. Wie bewältigt der Architekt diesen Widerspruch?

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Wir planen bis zu einem gewissen Grad ständig für anonyme Nutzer, auch wenn es je nach Gemengelage stärkere Schnittstellen oder Beziehungen gibt. Im geförderten Wohnbau ist das durch – vom Architekten – mitkreierte Szenarien abgebildet. Im Grunde ist immer der gesamte Kontext wichtig für eine Planung. Und grundsätzlich soll man mit Gebäuden langfristig, flexibel umgehen können.

Wir stellen uns die Frage, wie kann man den klassischen Wohnraum erweitern und durch einen Zusatz aufwerten? Und das haben wir bei dem erwähnten Wettbewerb gemacht: Wir haben Räume außerhalb des expliziten Wohnbereiches geschaffen, der von den Nutzern individuell gebraucht werden kann. Sie können sich also zusätzlich zu dem vorgegebenen Wohnangebot in diesen Bereichen nochmals verwirklichen.

Sollten wir nicht eher die bereits gebaute Substanz nutzen, statt ständig neue Smart-Wohnungen zu erfinden?

Das kann man nicht mit Ja oder Nein beantworten. Es ist richtig, dass wir mit den Ressourcen sehr schonend, sehr bewusst umgehen müssen, und das beginnt mit dem Bodenverbrauch, mit der Versiegelung. Wir in Österreich sind ja die Europameister im Versiegeln. Man kann aber auch die Frage stellen, ob das Recht auf Wohnen nicht ein Grundrecht ist. Das ist der Spannungsbogen, aber was das (gesellschafts-politisch) bedeutet, sei dahingestellt.

Jedenfalls wäre eine konsequente (Um-)Nutzung von Vorhandenem ein sehr wichtiger Beitrag. So gesehen teilen wir das Postulat, für dessen Umsetzung es dringend einen politischen Willen bräuchte (Stichwort Leerstandsabgabe, Zwischennutzungskonzepte), bis zu einer teilweisen Relativierung von geltenden Anforderungen beim Umbau von Bestandsgebäuden…

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