Mit detaillierten Daten – Wie wirken Mietpreisbremse, Sozialer Wohnungsbau, Wohngeld? Neue Studie untersucht 77 Großstädte von Aachen bis Würzburg

Wohngeld, finanzielle Förderung von Sozialwohnungen und die Mietpreisbremse – das sind die drei zentralen Instrumente, mit denen der deutsche Staat versucht, Wohnen auch für Menschen mit geringeren Einkommen bezahlbar zu machen.

Derzeit erreicht keines die gesetzten Ziele vollständig, allerdings aus ganz unterschiedlichen Gründen, ergibt eine neue, von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Studie*. So ist die Förderung von Sozialwohnungen grundsätzlich wirksam, um eine bezahlbare Wohnraumversorgung zu erreichen, schließlich erhöht dieses Instrument direkt das Wohnraumangebot. Als problematisch sehen die Forscher die Befristungen der Förderprogramme an, weil sie dem Aufbau eines dauerhaft leistbaren Wohnungsbestandes entgegenstehen. Zudem ist das aktuelle Fördervolumen nach gut zwei Jahrzehnten Flaute im öffentlichen Wohnungsbau viel zu niedrig, zeigen die Studienautoren, Stadtsoziologen an der Humboldt-Universität zu Berlin. In den zehn größten deutschen Städten, in denen die Wohnungsnot besonders ausgeprägt ist, würde es beispielsweise beim aktuellen Förderumfang rund 185 Jahre dauern, um die aktuelle Lücke an günstigen Wohnungen zu schließen (detaillierte Ergebnisse unten). Die Mietpreisbremse wiederum ist bislang durch zahlreiche Ausnahmen und praktische Defizite in ihrer Wirkung beschränkt. Würde sie konsequent angewandt und kontrolliert, müssten Vermieter im Durchschnitt der 44 Großstädte mit Mietpreisbremse ihre Aufschläge bei Neuvermietung um 17 Prozent reduzieren. Damit könnte sie immerhin für viele Mittelschichthaushalte eine spürbare Entlastung bringen. Am wenigsten soziale Wirkung attestieren die Wissenschaftler dem Wohngeld: Es erreicht nur relativ wenige Haushalte, die zudem oft trotzdem noch eine prekär hohe Mietbelastungsquote aufweisen. Zudem hat es keine direkte dämpfende Wirkung auf die Mietentwicklung.

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– 8,6 Millionen Großstadthaushalte müssen mindestens 30 Prozent ihres Einkommens fürs Wohnen ausgeben –

In ihrer Studie analysieren Dr. Andrej Holm, Stephan Junker und Kevin Neitzel anhand von detaillierten Mikrozensus-Daten für alle 77 deutschen Großstädte, wie die wohnungspolitischen Instrumente angesichts der aktuellen Probleme wirken. In kürzlich vorgestellten, ebenfalls Böckler-geförderten Vorläuferstudien hatten sie errechnet, dass in den Großstädten rund 1,9 Millionen günstige Wohnungen fehlen. Besonders groß ist die Versorgungslücke bei Alleinlebenden an oder unter der Armutsgrenze von 60 Prozent des mittleren (Median-)Einkommens, die maximal eine Nettokaltmiete von 5 Euro pro Quadratmeter bezahlen können (Informationen zu den Einkommensabgrenzungen am Ende dieser PM). Doch auch jenseits des harten Kerns der Wohnungsnot müssen viele Menschen große finanzielle Lasten schultern: Insgesamt gaben bereits 2014, dem aktuellsten Jahr, aus dem dazu Mikrozensus-Daten vorliegen, rund 40 Prozent der Großstadthaushalte mindestens 30 Prozent ihres Nettoeinkommens für Miete und Nebenkosten – ohne Heizung – aus. 30 Prozent Wohnkosten gelten unter Sozialwissenschaftlern und Immobilienexperten gerade für Mieter mit kleinen Einkommen als Belastungsgrenze, weil sonst zu wenig Geld für Alltagsausgaben bleibt. In den betroffenen Haushalten leben etwa 8,6 Millionen Menschen.

– „Instrumente neu gewichten“ – mehr Geld für soziale und gemeinnützige Wohnförderung –

Gemessen an diesen Problemen leisteten die untersuchten drei Hauptinstrumente der Wohnungspolitik in den deutschen Großstädten heute „nur einen sehr eingeschränkten Beitrag für die Versorgung der Haushalte mit den größten sozialen Wohnversorgungsbedarfen“, konstatieren die Forscher. Das liege wesentlich an einer problematischen Gewichtung, bei der das Instrument mit dem größten Potenzial – der Aufbau eines ausreichend großen, dauerhaft preisgedämpften Wohnungsbestands wie es ihn beispielsweise in Wien gebe – mit vergleichsweise wenig Geld ausgestattet sei, erklärt Stadtsoziologe Holm: Derzeit fließen in den sozialen Wohnungsbau deutschlandweit rund zwei Milliarden Euro pro Jahr. Ebenso viel wird für das Wohngeld ausgegeben. Für die Übernahme von Wohnkosten im Rahmen von Hartz-IV-Leistungen gibt der Staat bundesweit gleichzeitig etwa 15 Milliarden Euro aus. „Die öffentliche Hand übernimmt damit für rund 17 Milliarden Euro im Jahr Ausfallbürgschaften auf einem heiß laufenden Markt. Das Geld fließt zum großen Teil an kommerziell agierende Vermieter. Man kann das als eine Wirtschaftsförderung verstehen, die immobilienwirtschaftliche Erträge unabhängig von der Nachfrage und Einkommenssituation ermöglicht. Hier wird der sonst so gepriesene Marktmechanismus einseitig zu Gunsten privater Vermieter manipuliert. Sinnvoller wäre eine verstärkte öffentliche Investition in den Aufbau von dauerhaft leistbaren Wohnungsbeständen“, sagt der Forscher…

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