Das Coronavirus wirbelte Arbeits-, Wohn- und Lebenskonzepte ordentlich durcheinander. Die Wohnungswirtschaft ist gefordert, mit Voraussicht zu planen, auf veränderte Lebenssituationen eingestellt zu sein und flexible Rahmenbedingungen für Bewohner zu schaffen. Beim 69.Wohnsymposium zeigte sich eine Aufbruchstimmung mit einer Vielzahl von spannenden Visionen.
GISELA GARY
Eineinhalb Jahre nach einem Leben mit dem Coronavirus mit zahlreichen Beschränkungen und mehr als 200 Covid-19-Verordnungen war bei den rund 70 Teilnehmern des 69. Wohnsymposiums – unter strikter Einhaltung der Drei-G-Regeln und in dem großzügigen Veranstaltungssaal mit ausreichend Abstand – unter dem Thema „Wohnen in der neuen Arbeitswelt – zu Hause oder im Büro“ in der neuen Zentrale der Buwog Erleichterung wie auch eine leichte Aufbruchstimmung ins „normale“ (Arbeits-) Leben spürbar.
Doch wie geht es weiter? Welche Rahmenbedingungen wünschen Bewohner, welche Vorgaben macht die Politik, und was bedeutet die Neubetrachtung von Wohnen und arbeiten für Bauträger? Das Thema Lebensqualität rückte aufgrund von Covid-19 ins Zentrum – eine Herausforderung für die Zukunft des Wohnens. Andreas Holler, Geschäftsführer der Buwog Group, freute sich, dass Veranstaltungen „nun endlich wieder möglich sind“. Er begrüßte die Teilnehmer in dem gelungenen Neubau, der vor allem in puncto Recycling als Vorzeigeprojekt gilt. Rund 80 Prozent des alten Glaspalastes konnten wiederverwertet werden.
Das Thema des Symposiums gilt auch für die rund 300 Mitarbeiter der Buwog – noch gibt es sogenannten Schichtbetrieb, in Abwechslung wird zu Hause und im Büro gearbeitet. Doch Holler kennt natürlich auch die Bewohnerseite und da gab es viel zu tun, neu zu organisieren, Arbeitsplätze in Wohnanlagen zur Verfügung zu stellen – neben der Bewältigung der gesteigerten Nachfrage nach Wohnungen mit Freiräumen.
Sophie Karmasin, Geschäftsführerin Karmasin Research&Identity, kennt die Befindlichkeiten, die sich durch das Coronavirus ergaben, sie befragte 500 Personen nach ihren Wohnwünschen und stellte klar fest, Homeoffice ist gekommen, um zu bleiben: „Über 60 Prozent der Unternehmen werden zukünftig Homeoffice anbieten – aber natürlich, Mitarbeiter wollen wesentlich stärker im Homeoffice und vor allem flexibel arbeiten. Es ist ein Graubereich, den Unternehmen fehlt die Kontrolle, und es geht auch um Sicherheitsthemen und natürlich auch um Gleichberechtigung.“
Dabei ist natürlich der räumliche Kontext entscheidend, wie auch Architekt Andreas Gerner, Gerner Gerner Plus, betonte. Das Architekturbüro hat 40 Mitarbeiter aus 13 Nationen – unterschiedliche Arbeitsplatzwünsche kennt Andreas Gerner also im Unternehmen wie auch auf Bewohnerseite. Den von der Immobilienbranche gern propagierten Slogan, dass es nur um Lage, Lage, Lage geht, ersetzt Gerner mit Frage, Frage, Frage: „Welches Budget habe ich, welche Wohnungsgröße brauche ich und welchen Grundriss? Das sind für uns die entscheidenden Themen.
Die Wohnungen werden immer kleiner – im Schnitt sind wir jetzt bei 75 Quadratmeter – reicht das, wenn die Familie im Homeoffice arbeitet?“ Bei aktuellen Projekten probiert Gerner aktuell mit der WBV-GPA verschiedene Wohnungskonzepte aus, die von der WG bis zu Wohnbauten mit zahlreichen unterschiedlichen anmietbaren Flächen reichen. Bei dem Projekt „Rote Emma“, mit Migra und BWS, sind einige sehr kleine Wohnungen geplant, „doch dafür müssen die Freiflächen großzügig sein“.
Arbeiten mit Kindern
Familiensoziologin Ulrike Zartler, Universität Wien, beschrieb als die größte Herausforderung, Homeoffice und Homeschooling innerhalb einer Wohnung. Sie befragt seit März 2020 regelmäßig Familien, ihr Fazit: „Räume müssen neu definiert werden, es geht um Lebensqualität und Arbeiten auf der Couch ist keine Qualität. Und es brauchen alle Familienmitglieder die Chance auf einen Rückzugsraum. Das sind gewaltige Herausforderungen für die Bauträger – da ist viel Kreativität und Flexibilität gefragt.“
Michael Gehbauer, Geschäftsführer WBV-GPA und Obmann des Vereins für Wohnbauförderung, bestätigt, dass im Zentrum der Homeoffice-Überlegungen Familien stehen: „Ich bin überzeugt, dass nicht alle zu Hause arbeiten wollen…