Häuser auf Knopfdruck

Häuser aus dem 3-D-Drucker gelten für die einen als die Zukunft am Bau – für andere gelten sie als Spinnerei. Doch die Möglichkeiten des 3-DDrucks werden eifrig erforscht und ausprobiert, wie zwei Projekte aus Österreich zeigen.
— ROBERT TEMEL

Seit fünf Jahren gibt es ein Spin-off- Unternehmen der Universität Innsbruck namens incremental3d, das auf Beton-3-D-Druck spezialisiert ist. CEO Georg Grasser erklärt: „Wir haben den Anspruch, Architektur aus dem Drucker voranzutreiben. Es wird oft nach Möbeln und Kunstwerken gefragt, aber es geht auch um Prototypen für Teile von Bauwerken, etwa für eine Brücke in Venedig.“ Diese 12 mal 16 Meter große Brückenstruktur wurde mit der Block Research Group der ETH Zürich und Zaha Hadid Architects realisiert. „Striatus“ besteht aus 53 Fertigteilen, die im Werk gedruckt wurden, und kommt ohne Bewehrung aus, weil nur Druckkräfte auftreten. Der Ansatz des Unternehmens ist Vorfabrikation mit dem 3-D-Drucker mit besseren Arbeitsverhältnissen im Werk statt auf der Baustelle im Freien.

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Die Zementindustrie ist bemüht, CO2 in der Produktion zu reduzieren. 3-D-Betondruck hat allerdings bereits jetzt den Vorteil, dass im Vergleich zum konventionellen Bauen, egal, ob in Ortbeton oder Fertigteilen, viel Material gespart werden kann. Beispielsweise reduzierte sich der Materialverbrauch bei einem Pavillon von incremental3d im Vergleich zum Guss von 50 auf 1,2 Tonnen. Gedruckt werden nur Wände und Aussteifungen, nicht der ganze Querschnitt, wie das bei gegossenen Bauelementen stets der Fall ist. Das reduziert die Materialmenge, ändert aber nichts am Material selbst. Über Druckmedien wird aktuell viel geforscht, Baumaterialhersteller bieten spezifische Produkte fürs 3-D-Drucken und entwickeln neue.

Thema sind dabei Recyclingmaterialien, aber auch völlig neue Ansätze: Die Herstellung von Zement und Beton benötigt viel Energie, der chemische Prozess setzt CO2-Emissionen frei. Geopolymere haben das Potenzial, Zement zum Teil zu ersetzen: Aus Gesteinsmehl und einer aktivierenden Substanz entsteht ein hartes, anorganisches Polymer, ohne dass Kohlendioxid übrig bleibt. Dazu kommt die Forschung zum Thema Bewehrung. Georg Grasser meint: „Es gibt eine neue Technologie, bei der beim Druck ein Seil mitgeführt wird, das die Bewehrung in eine Richtung bildet. Natürlich kann man auch Kanäle für nachträgliche Bewehrung drucken und danach vergießen.“

3-D-Druck von Fertigteilen mittels Roboterarm für die Brücke „Striatus“ in Venedig

Unterschiedliche Druckmethoden

Die kleine österreichische Firma incremental3d druckt Fertigteile, deren Größe durch Transport und Montage begrenzt ist, und sie tut das mit einem Industrie-Roboterarm mit sechs Freiheitsgraden, was sehr komplexe und feine Geometrien ermöglicht. Es gibt jedoch auch andere Methoden. Der deutsche Schalungs- und Gerüsthersteller Peri tüftelt ebenso am 3-D-Betondruck und verwendet dafür einen Portaldrucker, der direkt auf der Baustelle aufgestellt wird, um ganze Häuser zu drucken.

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Das funktioniert ähnlich wie der 3-DDrucker zu Hause: Der Druckkopf ist auf einer Rahmenkonstruktion auf Stützen montiert und kann in der Höhe und in zwei horizontale Richtungen bewegt werden, besitzt also nur drei Freiheitsgrade. Beim Drucken werden Konstruktionen schichtweise aufgebaut. Decken können noch nicht gedruckt werden, sie werden entweder als Fertigteile oder in Ortbeton hinzugefügt, ebenso wie Stiegen. Mittlerweile sind auch auskragende Bauteile möglich. Gedruckt werden kann in einem Volumen von 14,5 Meter Breite, neun Meter Höhe und unbegrenzter Länge.

3-D-Druck in Österreich

Peri errichtete in Hausleiten einen Bürobau für die Strabag. Die Wände wurden dreischichtig gedruckt, zwischen die äußeren Schichten kam die Wärmedämmung, zwischen die inneren wurde Ortbeton gegossen, weil es für die statische Bemessung gedruckter Betonstrukturen noch keine Normen gibt. Das 125 Quadratmeter große Haus wurde in 45 Stunden reiner Druckzeit hergestellt.

Die Brücke Striatus in Venedig, ein Projekt von Blick Research Group ETH Zürich und Zaha Hadid Architects mit incremental3d

Mittlerweile lieferte Peri den Portaldrucker auch an einen Fertigteilhersteller. Jan Graumann, Global Head of Business Development and Sales 3D Construction Printing bei Peri, schildert den aktuellen Boom: „Man kann nicht ab morgen alles am Bau drucken, aber Beton- 3-D-Druck ist ein wichtiger Teil der Zukunft der Baubranche. Es entstehen ständig neue Firmen in diesem Sektor, große Bauunternehmen etwa in Frankreich und den USA befassen sich damit, auch die Strabag. Und viele Materialhersteller forschen in diesem Bereich.“

Weiterbauen

Medienberichte über 3-D-gedruckte Architektur zeigen oft freistehende Einfamilienhäuser, auch das Beispiel in Hausleiten entspricht diesem Typus. Die Realität des Bauens ist heute jedoch eine andere: Es geht um dichte, mehrgeschoßige Architektur und um das Weiterbauen am Bestand. Das wird grundsätzlich, vielleicht noch nicht heute, aber in absehbarer Zeit, auch der 3-DDruck leisten können…

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