Beflügelt in neue Gemeindebauzeiten

2004 wurde der Wiener Gemeindebau nach rund 80 Jahren eingestellt. Mit dem Projekt Fontanastraße in Wien-Oberlaa wird das traditionsreiche Modell nun zu neuem Leben erweckt. Errichtet werden die Gemeindebauten von der eigens dafür gegründeten Wigeba unter der Leitung von Ewald Kirschner. Anfang November 2019 wurden die Schlüssel übergeben.
WOJCIECH CZAJA

Einst stand hier die alte Aua-Zentrale. Das zwischen 1975 und 1978 errichtete Bürogebäude glich im Grundriss einem schlichten L mit Aluminium-Paneelen und hellblau verspiegelten Fenstern. Über dem schmucklosen Sockelbau jedoch schwebte, als hätte Architekt Georg Lippert dem Bau zum Fliegen verhelfen wollen, ein geflügelter Kommandoturm, der bis zu seinem Abriss 2013 die Oberlaaer Hügellandschaft prägte. Und wer weiß, vielleicht ist die himmelblau verputzte Fassade des Barbara-Prammer-Hofs, der Anfang November 2019 an seine Mieterinnen und Mieter übergeben wurde, ja ein stilles, elegantes Farbzitat an die einst hier beheimatete Luftfahrt?

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„Im Wettbewerbsprojekt hatten wir ursprünglich eine ockerfarbene Putzfassade geplant“, erinnert sich Saša Bradic, Partner bei NMPB Architekten. „Aber je länger wir uns mit dem Projekt beschäftigt haben, desto stärker wurde der Wunsch, das Gebäudevolumen tatsächlich im Himmel verschwinden zu lassen.“ Die weißen Fensterfaschen und die weiß gestrichenen individuellen Freiräume wie etwa Loggien und Balkone, so der Architekt, seien eine landläufig verständliche Geste, um das Private im Kollektiven zu unterstreichen.

Die drei Baukörper mit vier, fünf und neun Geschoßen umfassen insgesamt 120 Wohneinheiten, die sich ihrerseits um drei große Höfe gruppieren. Die kleinste Wohnung misst 40 Quadratmeter mit einem Zimmer, die größte rund 100 Quadratmeter mit fünf Zimmern, wobei der Anteil an A- und B-Typen bei über 40 Prozent liegt. Mit der sogenannten „JungwienerInnen-Vormerkung“ haben Singles bis 30 die Möglichkeit, nach Wunsch eine Zwei-Zimmer-Wohnung zu erhalten. Die Vergabe erfolgt durch Wiener Wohnen.

Errichtet werden die neuen Gemeindebauten durch die Wiener Gemeindewohnungs-Baugesellschaft Wigeba, an der zu 49 Prozent Wiener Wohnen und zu 51 Prozent der in der Verwaltung von Wien Holding stehende gemeinnützige Bauträger Gesiba beteiligt sind. Anders als beim klassischen geförderten Wohnbau jedoch, bei dem das Grundstück ins Eigentum des errichtenden gemeinnützigen Bauträgers übergeht, verbleibt der Gemeindebau Neu zur Gänze im Eigentum der Stadt Wien – ganz nach Vorbild des historischen Wiener Gemeindebaus, der von 1923 bis 2004 rund 80 Jahre lang die österreichische Bundeshauptstadt prägte.

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Noch günstigere Mietvariante

„Die Gemeindewohnungen Neu sind unbefristet, kautionsbefreit und kosten monatlich 7,50 Euro brutto pro Quadratmeter“, sagt Ewald Kirschner, Generaldirektor der Gesiba und zugleich Geschäftsführer der neu gegründeten Wigeba. „Und im Gegensatz zum klassischen Wohnbau mit Förderung oder Superförderung ist der Gemeindebau Neu eine noch günstigere Mietvariante, bei der die sonst üblichen Eigenmittel komplett entfallen.“ Auf diese Weise, so Kirschner, wolle man auch die Einkommensschwächsten in der Bevölkerung erreichen.

„Ich sehe im Gemeindebau Neu einen weiteren Mosaikstein am Wohnungsmarkt, der sich nicht maßgeblich vom bisherigen geförderten Wohnbau unterscheidet, dafür aber an eine spezielle Klientel gerichtet ist“, erklärt Kirschner. „Die Wohnungen sind smart und kompakt geschnitten, sie sind günstiger in der Errichtung, und in den Wohnräumen ist statt eines hochwertigen Parkettbodens meist ein günstiger, robuster Laminatboden verlegt.“ Irgendwo, so der Wigeba-Chef, müsse man für die günstige Vergabe ohne Eigenmittel die nötigen finanziellen Hebel betätigen. Im Bau- und Ausstattungskatalog sind finanzielle Einsparungen mit Sicherheit besser aufgehoben als in architektonischen und städtebaulichen Belangen.

Noch präziser bringt es Nerma Linsberger, Architektin des Gemeindebaues „Cuuube“ in der Berresgasse, auf den Punkt: „Von der Bauaufgabe unterscheidet sich der Gemeindebau Neu kaum von einem klassischen geförderten Wohnbau. Die planerische Komponente ist fast die gleiche…

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