Klimaschutz steht im Zentrum

Das Thema Dämmen führt immer wieder zu Diskussionen. Sind Wärmedämmverbundsysteme für leistbares Wohnen wirklich unvermeidbar, weil kostengünstig? Wie (un)ökologisch und (un)ästhetisch sind sie, und was sind die Alternativen? Wir haben zwei Positionen aus der Praxis eingeholt, von Seiten einer ausführenden Firma und eines Architekten.
GISELA GARY, MAIK NOVOTNY

Markus Engerth

„Die Zukunft wird sein, dass Fassaden auch Energie produzieren. Wenn es endlich zu einer Langzeitbetrachtung eines Gebäudes kommt, wird auch klar werden, dass sich diese Investitionen rasch rechnen.“

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Zum Glück steigt das Bewusstsein für Klimaschutz und damit parallel natürlich auch für das Thema Dämmen. Die in den Medien immer wieder als `Wahnsinn Wärmedämmung´ bezeichneten Klimaschutzmaßnahmen halte ich für Unsinn. Wird ein Wärmedämmverbundsystem, kurz WDVS, state-of-the-art verbaut, sind auch die Risiken aus Brandschutzsicht gering. Die Kosten-Nutzen-Rechnung des WDVS ist im Neubau wie auch in der Sanierung unschlagbar – noch immer.

Wir müssen aber Gebäude endlich langfristig betrachten. Zurzeit stehen immer nur die Errichtungskosten im Zentrum, die betragen aber in Wahrheit nur ein Drittel der gesamten Lebenszykluskosten. Korrekterweise müsste man neben den Betriebskosten auch die Kosten für Abbruch sowie die Entsorgung einbeziehen. Das wird immer noch nicht gemacht. Es gibt schon interessante Alternativen zu WDVS wie vorgesetzte Fassaden, Lösungen mit Fassadenplatten oder die bei Architekten beliebten Glasfassaden.

Aber auch hier stellt sich bei einer Gesamtbetrachtung von der Erstellung bis zum Abbruch die Frage der Nachhaltigkeit. Solange diese Alternativen wesentlich teurer sind – wir sprechen hier von einem Faktor von 3-20 – sind sie gerade für den Bereich des leistbaren Wohnens nicht brauchbar. Serielles Bauen ist aus unserer Sicht der Lösungsansatz für kostengünstiges Bauen und letztlich leistbaren Wohnraum.

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Im Fertigteilbau haben wir auch schon alternative Sandwichlösungen bei der Wärmedämmung ausprobiert, doch wir sind mit den Ergebnissen noch nicht zufrieden…

Jakob Dunkl

„Es geht darum, was der Gesellschaft das Wohnen wert ist, und die Gleichung ´leistbares Wohnen = WDVS´ ist der falsche Ansatz. Wohnqualität betrifft nicht nur den Innenraum, sondern auch die äußere Erscheinung.“

Vollwärmeschutz ist einfach ein trauriges Material. Warum? Vor allem, weil es nicht schön altert, es bekommt keine Patina. In der Wiener Innenstadt oder in Venedig werden die Häuser durch Patina schöner, aber ein Haus mit WDVS-Fassade wird vom ersten Tag an immer schiacher. Ich finde es auch traurig, dass es immer heißt, im Wohnbau müsse man eben das günstigste Material für die Fassade verwenden.

Häuser sind die Möbel der Stadt, und wir verdienen Möbel, die uns würdig sind. Wir sind eine reiche Gesellschaft, also warum werden so viele Dinge wie Autos besser, aber die Wohnungen immer kleiner und billiger? Warum kostet ein Kinderzimmer so viel wie ein Tiefgaragenstellplatz? Warum findet sich keine Wärmedämmfassade an Bürobauten, sondern aufwändige Glasfassaden? Weil sie doppelt so teuer sind. Aber warum muss das so sein? Könnte man hier nicht einen Ausgleich schaffen? Es geht darum, was der Gesellschaft das Wohnen wert ist, und die Gleichung „leistbares Wohnen = WDVS“ ist der falsche Ansatz. Wohnqualität betrifft nicht nur den Innenraum, sondern auch die äußere Erscheinung.

Uns als Architekten hilft dabei oft der Blick von außen, wenn wir Projekte im Ausland realisieren. Im Wohnbau in Frankreich etwa sind die Installationen oft billig, aber die Fassade nicht…

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