Baurecht, Ökobilanzierung, Flächenfraß: Die „Bauwende“ im Bundestagswahlkampf 2021

Die klimapolitische Relevanz des Bausektors erfährt derzeit nicht durch Petitionen und Debatten im Bundestag, Gesetzesinitiativen der Bundesregierung und das „Neues Europäische Bauhaus“ der EU-Kommission eine wachsende Aufmerksamkeit. Dabei zeigen sich einmal mehr die komplexen Zusammenhänge der Klimawirksamkeit von Planen und Bauen. Es geht nicht nur um Bauschutt und Emissionen.

Auch Flächenversiegelung und urbane Grünräume sind wichtige Handlungsfelder für die Erhaltung und Wiedergewinnung von Lebensqualität im Wohnumfeld. Und nicht zuletzt geht es um die sozialen Folgekosten der ökologischen Transformation: Wir haben die im Bundestag vertretenen Parteien nach ihren Wahlzielen für eine Bauwende gefragt. (red.)

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Kai Wegner, MdB, Sprecher für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen, CDU/CSU-Fraktion:

Mit welchen Reformen im Baurecht ließe sich das Bauen insgesamt klimagerechter machen?Die Anforderungen an die energetische Qualität von Gebäuden sind im Gebäudeenergiegesetz (GEG) geregelt, das seit fast einem Jahr in Kraft ist. Das GEG enthält eine Klausel zur Überprüfung der energetischen Anforderungen an Neubau und Gebäudebestand im Jahr 2023. Im Zuge der Verschärfung unserer Klimaschutzziele wollen wir das GEG bereits im nächsten Jahr überprüfen und weiterentwickeln. Hierbei wollen wir auch eine Modernisierung der Anforderungssystematik des GEG und die Anhebung von Neubaustandards prüfen. Der Union ist wichtig, dass Wohnen bezahlbar bleibt. Deshalb haben Anreize durch steuerliche Vorteile oder staatliche Förderung für uns Vorrang vor bau- und ordnungsrechtlichen Vorgaben. Darüber hinaus ist uns wichtig, dass Eigentümer selbst darüber entscheiden können, wie sie ihr Gebäude möglichst klimaneutral bauen und betreiben. Staatliche Maßnahmen müssen daher technologieoffen ausgestaltet werden.
Welche konkreten Maßnahmen wollen Sie zur Einführung einer verbindlichen Ökobilanzierung im Bausektor ergreifen?Neben CO2-Emissionen, die durch den Betrieb von Gebäuden verursacht werden, müssen wir zunehmend auch die bei Erstellung und Abriss anfallenden Emissionen in den Blick nehmen und zu einer Lebenszyklusbetrachtung hinsichtlich der Klima- bzw. Umweltwirkungen von Gebäuden kommen. Die Bundesregierung greift diesen Ansatz im Leitfaden Nachhaltiges Bauen auf und geht mit gutem Beispiel voran. Mit der Plattform ÖKOBAUDAT stellt sie zudem eine vereinheitlichte Datenbasis für die Ökobilanzierung von Bauwerken bereit. Die Online-Datenbank liefert Datensätze zu Baumaterialien, Bau-, Transport-, Energie- und Entsorgungsprozessen. Ergänzt wird das Angebot durch ein Ökobilanzierungstool eLCA, mit dessen Hilfe sich der gesamte Lebenszyklus eines Bauwerkes abbilden lässt. Wir wollen die Ökobilanzierung weiterentwickeln. Dabei setzen wir weiter auf Freiwilligkeit. Großes Potential sehen wir zudem in der fortschreitenden Dekarbonisierung der Industrie, zum Beispiel bei der Herstellung von Stahl und Zement.
Mit welchen Strategien wollen Sie Flächenverbrauch und klimaschädliche Flächenversiegelung wirksamer reduzieren?Wir wollen den Flächenverbrauch bis zum Jahr 2030 auf 30 Hektar pro Tag halbieren. Gleichzeitig brauchen wir dringend mehr neue Wohnungen, weil Deutschland allein in den letzten zehn Jahren um 1,4 Millionen Menschen gewachsen ist. Um beiden Zielen gerecht zu werden, setzen wir auf die Wiedernutzbarmachung von Flächen, Nachverdichtung, Brachflächenrecycling und andere Maßnahmen zur Innenentwicklung. Mit der Umnutzung und Aktivierung von Bestandsimmobilien, vor allem der Umwandlung von Nichtwohngebäuden in Wohngebäude, kann das Wohnungsangebot ohne zusätzlichen Flächenverbrauch erhöht werden. Darüber hinaus kann ein Abriss und damit die Emission von CO2 beim Neubau vermieden werden. Planungsrechtliche Erleichterungen hierfür haben wir im Baulandmobilisierungsgesetz umgesetzt. Im Rahmen der Wohnraumoffensive haben wir z.B. die neu eingeführte Sonderabschreibung für den frei finanzierten Wohnungsbau auch für Umwandlungen geöffnet. Auch mit Hilfe der Städtebauförderung können entsprechende Entwicklungen unterstützt werden.

Bernhard Daldrup, MdB, baupolitischer Sprecher, SPD-Fraktion:

Mit welchen Reformen im Baurecht ließe sich das Bauen insgesamt klimagerechter machen?

Welche konkreten Maßnahmen wollen Sie zur Einführung einer verbindlichen Ökobilanzierung im Bausektor ergreifen?

Mit welchen Strategien wollen
Sie Flächenverbrauch und
klimaschädliche Flächenversiegelung
wirksamer reduzieren?
Der Klimawandel ist real. Die Koalition handelt mit dem Klimaschutzpaket und hat verbindliche Maßnahmen für den Klimaschutz geschaffen. Es verbindet ökologische mit sozialen und wirtschaftlichen Zielen. Wir haben zahlreiche Maßnahmen zur sektoralen Zielerreichung bis 2030 im Gebäudebereich beschlossen. Dazu gehören:
– die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung für selbst nutzende Wohneigentümer mit bis zu 20 % der Investitionen in Höhe von bis zu 200.000 Euro pro Gebäude (progressionsunabhängig über 3 Jahre),
– die Einführung einer CO2-Bepreisung für die Sektoren Wärme und Verkehr ab 2021
– die Stärkung der investiven Gebäudeförderprogramme und Einführung einer „Austauschprämie“ für Ölheizungen,
– die Weiterentwicklung der energetischen Stadtsanierung,
– eine verstärkte Energieberatung,
– die Zusammenführung von Energieeinsparungsgesetz, Energieeinsparverordnung und Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz in einem Gebäudeenergiegesetz (GEG).

Wir müssen rücksichtsvoll mit Flächen und Rohstoffen umgehen. Nicht nur, weil sie die Basis der Bauindustrie sind, sondern unsere Lebensgrundlagen darstellen. Das 30-ha-Ziel der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie muss eine verbindliche Zielgröße sein. Die Zukunft des Bauens muss energetische Bauweisen und Bauformen mit positiver Energiebilanz entwickeln und zur Geltung bringen. Das moderne Bauen muss gleichermaßen energetisch positiv wie auch sozial und ökologisch sein. Daran wollen wir gemeinsam mit der Bauindustrie und dem Baugewerbe arbeiten Die Koalitionsfraktionen haben in ihrem Antrag „Innovativ, zukunftssicher und nachhaltig – Vorbild Bund – Das Bauen von Morgen heute fördern“ konkrete Maßnahmen für eine nachhaltige Baustrategie aufgezeigt. Wir haben mehr ein umsetzungs- als ein Erkenntnisproblem. Im Baugesetzbuch haben wir mit Instrumenten wie Baugeboten, Vorkaufsrechte und Befreiungen die Entwicklung der Innenstädte gestärkt, die auch den Flächenverbrauch schonen und jetzt angewandt werden müssen. Im Steuerrecht gilt das auch für die Einführung der Grundsteuer C auf unbebaute Flächen. Wir sehen eine Verlängerung des § 13b BauGB zur Einbeziehung von Außenbereichsflächen in das beschleunigte B-Planverfahren kritisch. Weil der Vorrang der Innen- vor der Außenentwicklung gelten muss. Nach Auffassung der SPD muss die Regelung letztmalig bis 2022 begrenzt sein. Klimapolitik ist immer konkret. Wir haben die Möglichkeiten zur Nutzung des Mieterstroms verbessert und die finanzielle Beteiligung der Kommunen bei der Nutzung der Windenergie erhöht. Die Klimawende muss „von unten“ unterstützt und sozial flankiert ein Mitmach- Projekt sein. Für eine sozial gerechte Umsetzung der Klimaziele in Europa sind weitere EU-weite Vereinfachungen für die dezentrale Stromerzeugung und bis zur Gleichbehandlung von Strom und Wärme im Quartier erforderlich. Der CO2-Preis darf nicht einseitig auf dem Rücken von Mieterinnen und Mietern abgewälzt werden wie dies die Union durchgesetzt hat. Nicht nur bei Investitionen in zentrale Zukunftsfelder steht die SPD an der Seite der Städte und Gemeinden. Auch eine soziale Klimapolitik muss vor Ort gestaltet werden – und die Unterstützung des Bundes ist für uns unverzichtbar. Dazu ist die SPD bereit.

Udo Hemmelgarn, MdB, Sprecher des Arbeitskreises Bau, Wohnen Stadtentwicklung und Kommunen, AfD-Fraktion:*

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