Digitale Ethik als gesellschaftliche und unternehmerische Herausforderung. Wie wir mit Datenströmen umgehen sollten, erklärt Prof. Christiane Woopen

Ob Privatmensch oder Unternehmer, ob Wohnungsunternehmen oder Mieter: Wir alle erzeugen und verarbeiten heute in unserem Alltag eine erhebliche Menge an digitalen Daten. Die Digitalisierung unseres Miteinanders hat eine solche Dimension erreicht, dass wir uns fragen müssen: Welche ethischen Grundlagen sollten wir für den Um-gang mit Daten definieren? Wem gehören die Daten, was macht der allgegenwärtige Datenstrom mit uns und welche Verantwortung erwächst aus der Datenverarbeitung? Wir haben die Medizinerin und Ethikexpertin Prof. Christiane Woopen, Direktorin des ceres (Cologne Center for Ethics, Rights, Economics and Social Sciences of Health), einem interdisziplinären Forschungszentrum von fünf Fakultäten an der Universität Köln, zum Thema „Digitale Ethik“ befragt.

Frau Prof. Woopen, wie sieht in Zeiten einer umfassenden Digitalisierung der Ge-sellschaft die richtige tägliche Dosis digitaler Anwendungen und Konversationen aus?
Prof. Christiane Woopen: Was ist der Maßstab für „richtig“? Richtig scheint mir die Menge digital vermittelter Tätigkeiten dann zu sein, wenn sie den Aufgaben und den Anliegen der jeweiligen Person dient. Das verschiebt sogleich die Frage zum eigentlich interessanten Punkt: Was sind denn die „richtigen“ Aufgaben und Anliegen? Auf diese Frage gibt es keine digitale Antwort, sondern nur eine höchstpersönliche. Die AntDigitale wort auf die Frage, was ich mit meinem Leben machen möchte, finde ich nicht in digitalen Medien, die finde ich nur in mir selbst. Einen Maßstab, anhand dessen ich dann fest-stellen kann, ob die Nutzung digitaler Medien für die Erfüllung meiner Aufgaben und Anliegen gut dosiert ist oder nicht, finde ich auch nur in mir selbst. Es ist der Unterschied zwischen Zufriedenheit und Entfaltung auf der einen Seite und Überdruss und Ein-engung auf der anderen Seite. Diese Balance kommt für unterschiedliche Menschen sicherlich in unterschiedlichen Dosierungen einher. Eine Maßeinheit für eine „richtige Dosis“ ist jedenfalls keine, die man digital angeben könnte.

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Aus einer vermeintlich moderaten Nutzungsfrequenz digitaler Plattformen und Endgeräte kann ganz schnell so etwas wie Sucht werden. Was hilft uns allen bei der Selbstdiagnose und Prävention digitaler Abhängigkeiten?
Prof. Christiane Woopen: Es scheint mir nicht plausibel zu sein, dass man von der Digitalität als solcher abhängig ist. Genauso wenig ist man – auch wenn das vom üb-lichen Sprachgebrauch abweicht – von Alkohol oder Drogen abhängig. Das alles sind, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nur Mittel, Medien eben, die man benutzt, um mit etwas dahinter Liegendem umzugehen. Die eigentliche Abhängigkeit ist diejenige, vermeintlich vor etwas weglaufen zu müssen – und in der Regel ist man es selbst, dem man entkommen möchte. Oder es sind Sehnsüchte, die man auf diese Weise erfüllen möchte und es doch nicht schafft und deswegen immer mehr davon braucht. Sucht heißt, dass man etwas sucht. Wenn man sich die Frage nach dem, was man eigentlich sucht, ernsthaft stellt – und das ist nur ein einziger Punkt, aber der entscheidende –, dann ist man schon auf dem richtigen Weg.

Unternehmerisches Handeln ist heutzutage zunehmend durch die Anforderungen eines Digital Leadership geprägt. Welche ethische Maxime sollte dem zugrunde liegen – gibt es so etwas wie einen „gesunden“ kategorischen Imperativ für die Digitalisierung?
Prof. Christiane Woopen: Unternehmerisches Handeln steht wie jedes menschliche Handeln unter den Bedingungen einer besonderen Verantwortung – in diesem Fall derjenigen, für den Erhalt von Arbeitsplätzen, den Menschen fördernde Arbeitsbedin-gungen und die Stärkung der sozialen Marktwirtschaft einzutreten. Digitalisierung ist dabei nur Mittel, niemals Ziel. Die Maßstäbe für gutes unternehmerisches Handeln im ethisch fundierten Sinne haben sich nicht geändert, nur die Anwendungsbedingungen haben sich gewandelt. Die Schlussfolgerung lautet also: Die ethische Maxime für un-ternehmerisches Handeln ist unverändert – auch wenn es geschäfts- und marketing-freundlich sein mag, „neue“ Leadership-Konzepte wie die Digital Leadership zu ver-kaufen…

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